Corona-Demo in Hamburg: „Egal, ob rechts oder nicht, Hauptsache, wir sind viele“
Samstagnachmittag, 16 Uhr: Während viele Hamburger durch die Spitalerstraße flanieren, sich mit Glühwein aufwärmen und eine Woche vor Weihnachten die letzten Geschenke besorgen, stehen 1600 Menschen auf dem Glockengießerwall, um gegen die Coronamaßnahmen zu demonstrieren. Später werden es mehr sein. „Sich nicht spalten lassen“ lautet das Motto der Veranstaltung. MOPO-Reporter waren vor Ort und haben mit den Demonstranten gesprochen.
Rote Kerzen sollen von Geimpften gehalten werden, weiße von Ungeimpften, heißt es in einem Video zur Veranstaltung, das vorher veröffentlicht wurde. Es sind nur wenige Teilnehmer, die Kerzen dabei haben. Dennoch nehmen augenscheinlich auch Geimpfte an der Demonstration teil. „Sie haben eine rote Kerze dabei, Sie sind also geimpft?“, fragt die MOPO-Reporterin eine Teilnehmerin. „Was soll ich sein?“, fragt die Frau empört, lacht dann und geht weiter.
Corona-Demo in Hamburg: Neben Familien mit Kindern auch Rechtsextreme
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Samstagnachmittag, 16 Uhr: Während viele Hamburger durch die Spitalerstraße flanieren, sich mit Glühwein aufwärmen und eine Woche vor Weihnachten die letzten Geschenke besorgen, stehen 1600 Menschen auf dem Glockengießerwall, um gegen die Coronamaßnahmen zu demonstrieren. Später werden es mehr sein. „Sich nicht spalten lassen“ lautet das Motto der Veranstaltung. MOPO-Reporter waren vor Ort und haben mit den Demonstranten gesprochen.
Rote Kerzen sollen von Geimpften gehalten werden, weiße von Ungeimpften, heißt es in einem Video zur Veranstaltung, das vorher veröffentlicht wurde. Es sind nur wenige Teilnehmer, die Kerzen dabei haben. Dennoch nehmen augenscheinlich auch Geimpfte an der Demonstration teil. „Sie haben eine rote Kerze dabei, Sie sind also geimpft?“, fragt die MOPO-Reporterin eine Teilnehmerin. „Was soll ich sein?“, fragt die Frau empört, lacht dann und geht weiter.
Corona-Demo in Hamburg: Neben Familien mit Kindern auch Rechtsextreme
8000 Menschen sind von den Veranstaltern – Privatpersonen, deren Namen nicht genannt wurden – angekündigt worden. Gegen 18 Uhr waren es dann rund 11.500. Die Demonstranten müssen die gesamte Zeit eine Maske tragen. Das hat der Senat in dieser Woche beschlossen. „Überwiegend halten sich die Teilnehmer an die Auflagen“, so ein Polizeisprecher. „Bei einzelnen Personen stellen wir jedoch fest, dass sie keinen medizinischen Mund-Nasen-Schutz tragen, obwohl sie dazu rechtlich verpflichtet sind.“ Einige können Atteste vorweisen, andere nicht. „Diese wurden von der Demo ausgeschlossen.“
Neben vielen Familien mit Kindern nehmen auch Rechtsextreme an der Corona-Demo teil. 90 Prozent der Demonstranten sind laut Sicherheitsbehörden keiner rechten Gruppierung zuzuordnen. Die anderen zehn Prozent scheinen jedoch niemanden zu stören. „Was halten Sie davon, dass auch Rechtsextreme mitlaufen?“, fragt die MOPO-Reporterin einen Teilnehmer. „Ich sehe hier niemanden, der rechtsextrem sein könnte“, antwortet er. Die MOPO-Reporterin deutet auf einen Mann, der nur drei Meter entfernt eine umgedrehte Deutschlandflagge schwingt – ein klares Bekenntnis zur Reichsbürger-Szene. „Alle können demonstrieren, das ist ein freies Land. Jeder darf seine Meinung frei äußern“, sagt der Mann.
„Rechts gibt es doch seit 1945 nicht mehr“, sagt eine demonstrierende Hebamme (47), die ihren Namen nicht nennen möchte. Ob ihr Demonstranten mit einer tätowierten „18“ im Nacken aufgefallen seien, fragt die MOPO-Reporterin. „Und wenn schon, egal, ob rechts oder nicht, Hauptsache wir sind viele“, antwortet sie. Es nerve sie, dass ständig behauptet werde, die Corona-Demos seien rechts.
Die Hebamme läuft am Samstagabend mit, weil sie gegen die Coronaschutz-Impfung sei. „Eine gute medizinische Versorgung ist wichtig, nicht die Impfung. Die macht uns alle krank“, sagt die 47-Jährige. Sie kenne angeblich viele Fälle von Erkrankungen nach der Coronaschutz-Impfung. Sie selbst werde sich niemals impfen lassen, gebe deshalb sogar demnächst ihren Beruf als Hebamme auf.
Eine andere Demonstrantin glaubt zwar, dass die Impfung Menschen retten würde, es sei aber nicht „Gottes Plan“, wie sie sagt. Das Coronavirus habe eine Daseinsberechtigung, die Impfung wiederum nicht. Sie spricht von einer natürlichen Auslese, die durch die Impfung verhindert werde. Dann nimmt sie eine Bibel in die Hand – eine von vielen, die sich in dem Bollerwagen vor ihr befinden – und streckt diese vorbeigehenden Demonstranten entgegen. Niemand greift zu.
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Zweifel am Coronavirus: Telegram als Quelle
„Ich habe mich wirklich sehr lange mit dem Coronavirus auseinandergesetzt. Letztendlich ist es nur eine Grippe. Die Infektionszahlen vom RKI stimmen auch einfach nicht“, sagt ein Demonstrant mit Joker-Mütze auf dem Kopf über die Pandemie, die weltweit bereits mehr als fünf Millionen Menschen das Leben gekostet hat.
Die MOPO-Reporterin fragt nach seinen Quellen. Er zeigt ihr sein Smartphone. Zu sehen: Gruppen auf Telegram, einem Chat-Dienst, der sich rühmt, außer islamistischen Inhalten nichts zu zensieren, und daher auch bei Rechten beliebt ist. Als sie nach seinem Namen fragt, antwortet er nach kurzer Überlegung: „Christian. Christian Schmidt“. Es wirkt unglaubwürdig.
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Mit 11.500 Teilnehmern ist es die bisher größte Corona-Demo in Hamburg. Und offenbar hat am Samstagabend rund um die Binnenalster jeder seinen eigenen, persönlichen Grund, gegen die Coronamaßnahmen zu demonstrieren: vermeintlich religiöse, nicht verifizierbare Informationen aus Telegram-Chats oder angebliche persönliche Erfahrungen. Dass auch Rechtsextreme dabei sind, ist vielen egal. Keiner der Befragten sagt, dass er oder sie sich von ihnen distanziere. Es gab ein paar Maskenverweigerer, und ein bis zwei Flaschen sollen geflogen sein. Sonst habe es keine Ausschreitungen gegeben, so die Polizei. Die nächste Corona-Demo soll am 8. Januar stattfinden.