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  • Zeigt der Commerzbank, was 'ne Harke ist: die Hamburger Strafverteidigerin Dr. Canan Yüksel.
  • Foto: Olaf Wunder

Commerzbank-Skandal: Hamburger Anwältin zeigt Geldinstitut wegen Untreue an

Was ist bloß los mit der Commerzbank? Unzählige Kunden fragen sich das. Sie sind verzweifelt, weil ihnen aus heiterem Himmel und ohne erkennbaren Grund das Konto gekündigt wurde – oftmals nach jahrzehntelanger Geschäftsbeziehung. Nun hat die Hamburger Rechtsanwältin Dr. Canan Yüksel Strafanzeige erstattet bzw. Strafantrag gegen das renommierte Geldinstitut gestellt. Der Vorwurf: die Commerzbank mache sich gewerbsmäßiger Untreue schuldig bzw. habe sogar Prozessbetrug begangen.

Was ist geschehen? Ein Mandant Yüksels, ein 90-jähriger Rentner aus dem Kreis Pinneberg, erhielt von der Commerzbank, bei der er seit 60 Jahren sein Konto hat, die Kündigung, und zwar zum 31. Mai 2021. Begründung: keine.

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Auch langjährige Kunden sind betroffen: Plötzlich schickt die Commerbank bzw. ihre Unternehmenstochter Comdirect die Kündigung.

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Olaf Wunder

Das Geldinstitut wartete die von ihr selbst gesetzte Kündigungsfrist aber nicht ab, sondern habe, so Anwältin Yüksel, das Konto ihres Mandanten mit sofortiger Wirkung gesperrt. „Er konnte kein Geld mehr abheben, Lastschriften wurden nicht mehr eingelöst, so dass sich die Mahnungen türmen. Der Stromlieferant hat sogar schon damit gedroht, den Strom abzustellen, wenn das Geld nicht bald kommt. Der Mann ist verzweifelt, denn er kommt an sein Geld einfach nicht heran.“ Dabei sind bis zum 31. Mai, an dem die Kündigung wirksam wird, noch drei Wochen Zeit.

Als ihr Mandant Geld abheben wollte, zog der Automat die Karte ein 

Anwältin Yüksel beantragte bei Gericht eine einstweilige Verfügung. Nachdem eine mündliche Verhandlung anberaumt wurde, erklärte sich die Commerzbank bereit, das Konto des 90-Jährigen wieder freizuschalten. Anwältin Yüksel war daraufhin damit einverstanden, den Rechtsstreit für beendet anzusehen. Die Sache schien also erledigt – bis am 5. Mai Yüksels Mandant am Geldautomaten Geld abheben wollte und seine Karte eingezogen wurde. Geld bekam er nicht.

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Hat Anzeige gegen die Commerzbank erstattet. Die Vorwürfe: Untreue und Prozessbetrug

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Olaf Wunder

Anwältin Yüksel wirft der Commerzbank Prozessbetrug vor – denn das Versprechen, das Konto könne jetzt wieder genutzt werden, sei nicht gehalten worden. Und von gewerbsmäßiger Untreue spricht Yüksel außerdem, weil sie inzwischen etliche Commerzbank-Kunden kennt, denen das Konto gekündigt wurde und denen unter Missachtung der Kündigungsfrist auf der Stelle die Verfügungsgewalt über ihr Geld entzogen wurde.

Die Betroffenen erhalten von der Bank keine Erklärung

„In keinem der Fälle, die ich kenne, gibt es irgendeinen erkennbaren Grund, weshalb die Commerzbank die Kunden gekündigt hat“, sagt Anwältin Yüksel. „Die Leute sind keine Zinsen schuldig, haben ihr Konto nicht überzogen, sind anständige, ehrbare Bürger – sie wissen gar nicht, wie ihnen geschieht.“ Die Anwältin kann sich in die Lage der Betroffenen gut hineinversetzen – vor wenigen Wochen ist ihr selbst das Gleiche passiert.

Seit dem ersten MOPO-Artikel, der Mitte April erschien, melden sich laufend neue Commerzbank-Kunden, die empört berichten, dass ihnen das Geldinstitut exakt auf die gleiche Weise mitspiele – mit teils dramatischen Folgen.

Beispiel 1: Der Veranstaltungsunternehmer Peter S. Er hat sein Geschäftskonto bei der Commerzbank. Plötzlich habe er bemerkt, dass das Konto eingefroren wurde. Mehrere große Überweisungen wurden nicht ausgeführt, Geld abzuheben war auch nicht möglich. Er fragte daraufhin bei der Bank nach, was los sei? Eine Begründung erhielt er jedoch nicht. Inzwischen ist mit dem Konto seines Mitinhabers das Gleiche passiert. Und sein Privatkonto bei der Comdirect – einer Commerzbank-Tochter – ist inzwischen ebenfalls gekündigt. Ohne dass irgendwas vorgefallen wäre. Und ohne Begründung. „Als Unternehmer macht dich das völlig handlungsunfähig.”

Beispiel 2: Rainer L., Inhaber eines Reinigungsunternehmens. Sein Konto wurde zum 14. Juli gekündigt – und zeitgleich mit dem Kündigungsschreiben gesperrt. Da er keinen Zugang zum Konto hat, hat er bisher seinen Kunden auch noch keine Rechnungen für den vorangegangenen Monat gestellt, da er ja auf sein Geld keinen Zugriff hat. Er sagt: „Was die mit mir machen, ist existenzgefährdend.“

„Ich stand an der Kasse und konnte die Einkäufe nicht zahlen“

Beispiel 3: Juliane und Benjamin A. hatten mehrere Konten und zwei Wertpapierdepots bei der Commerzbank-Tochter Comdirect: „Anfang April stand ich im Supermarkt und konnte nicht zahlen“, erzählt Julia A. „Mein Verlobter stand am gleichen Tag in einem Restaurant und konnte ebenfalls nicht zahlen. Dabei war auf allen Konten Geld und wir waren auch nie im Zahlungsverzug gewesen. Wir riefen dann bei der Comdirect an und fragten, weshalb unsere Karten nicht mehr funktionieren. Daraufhin wurde uns mitgeteilt, dass wir Post bekommen werden. Zwei Tage später waren die Schreiben da. Die Kündigung unserer Konten. Bis heute haben wir keine Ahnung, wieso.“

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Commerzbank im Zwielicht: Das Logo des Geldinstituts

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imago/Chris Emil Janßen

Beispiel 4: Dr. Joachim W., Geschäftsführer eines Hamburger Unternehmens. „Meine Firma ist seit 2012 Kunde der Bank. Wir führen unsere Konten ausschließlich im Haben. Wir wollten nie einen Kredit, haben keinen Dispo etc. Das Guthaben ist durchschnittlich fünfstellig. Trotzdem wurde uns die Kündigung zum 26. Mai ausgesprochen. Gott sei Dank können wir zurzeit noch auf unser Geld zugreifen.“

„Plötzlich kündigten sich ohne ersichtlichen Grund unser Dispo“

Beispiel 5: Marion und Norbert Kühn. „Nachdem wir 25 Jahre Commerzbank-Kunden waren, wurde uns telefonisch von einem Tag auf den anderen der Dispo gekündigt. Obwohl uns die Mitarbeiterin der Bank bestätigte, dass wir das Konto stets ausgeglichen haben, nie arbeitslos bzw. ohne Einkommen waren, blieb es bei der Entscheidung. Wir haben einen Aufschub bis zum 1. Juli erhalten. In der Konsequenz ist das die Aufforderung zur Kontokündigung.

Die MOPO hat sowohl die Commerzbank als auch die Comdirect aufgefordert, Stellung dazu zu beziehen, wieso das Geldinstitut so handelt. Die einzige Antwort war: Die Bank habe das Recht, Konten zu kündigen und müsse das nicht begründen. Auch zum Fall des 90-Jährigen aus dem Kreis Pinneberg und der Strafanzeige durch Anwältin Yüksel hat die MOPO die Commerzbank um eine Stellungnahme gebeten. Unsere Mail blieb unbeantwortet.

Gehören auch Sie zum Kreis der Betroffenen? Bitte mailen Sie uns: olaf.wunder@mopo.de

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