Chaos vor der Ausländerbehörde: „Wir warten seit Wochen auf einen Termin“
Seit 2015 hat sich die Zahl der Geflüchteten in Hamburg mehr als verdoppelt. Allein bis August dieses Jahres haben 5255 Personen einen Erstantrag auf Asyl gestellt. Und die Situation verschärft sich zusätzlich: Denn seit Anfang des Jahres sind nicht mehr die Bezirke für Asylbewerberleistungen zuständig, sondern die Innenbehörde, und somit das Amt für Migration. Das belastet die Behörde noch mehr – und sorgt für lange Warteschlangen. Die MOPO war vor Ort.
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Seit 2015 hat sich die Zahl der Geflüchteten in Hamburg mehr als verdoppelt. Allein bis August dieses Jahres haben 5255 Personen einen Erstantrag auf Asyl gestellt. Und die Situation verschärft sich zusätzlich: Denn seit Anfang des Jahres sind nicht mehr die Bezirke für Asylbewerberleistungen zuständig, sondern die Innenbehörde, und somit das Amt für Migration. Das belastet die Behörde noch mehr – und sorgt für lange Warteschlangen. Die MOPO war vor Ort.
Die Verzweiflung ist deutlich zu spüren am Freitagmorgen vor der Ausländerbehörde in Hamm. Dutzende Menschen stehen in der Schlange vor dem Eingang und warten vergeblich auf einen Termin für die „Notfallsprechstunde“, denn eigentlich hat die Behörde heute geschlossen.
Viele sind bereits gegangen, weil sie es sowieso nicht mehr für möglich halten reinzukommen. Einige haben Campingstühle mitgebracht. Obwohl laut Senat ungefähr bis zu 150 bis 190 Anliegen pro Sprechstunde bearbeitet werden können, warten einige Menschen wochenlang auf einen Termin.

Ramadan Zaead zum Beispiel. Seit 13 Jahren wohnt der 35-jährige Ägypter in Deutschland. Stolz erzählt er von seiner deutschen Frau, die ihn unterstützt, und seinen zwei Kindern. Er wartet dringend auf eine Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis. Doch seit drei Monaten bekomme er keinen Termin, erzählt er. Jeden Freitag stehe er hier ohne Erfolg. Heute kam er um 4.30 Uhr morgens.
Sicherheitspersonal vor Ausländerbehörde in Hamburg
Die Ausländerbehörde sei überfordert, findet Louis (35) aus Eilbek: „Die Situation macht mich auf Dauer depressiv.“ Seit dem 6. Juli sei ihm seine Wohnung gekündigt worden, er habe keinen Strom mehr, erzählt er. Er esse momentan bei seiner Mutter. Dankend nimmt er von einem Security-Mitarbeiter einen Kaffee entgegen.
Louis ist gelernter Koch, kam bereits als Kind von Kenia nach Deutschland, als seine Mutter einen deutschen Mann heiratete. Nachdem sein Pass vor sechs Monaten abgelaufen sei, habe man ihn auf den Status eines Asylbewerbers zurückgestuft.
Vor dem Eingang steht ein Streifenwagen. Zwei Beamte sprechen mit dem Sicherheitspersonal. Louis erzählt, man habe die Polizei gerufen, weil jemand in der Warteschlange um Hilfe geschrien habe.

Die Notfallsprechstunde am Freitag wurde für dringende Anliegen eingeführt, zu denen zählen zum Beispiel drohende Wohnungsnot oder drohender Verlust der Arbeit im Zusammenhang mit Transferleistungen. Doch viele kommen auch mit Fragen, bei denen schon das Sicherheitspersonal vor der Tür helfen kann. Zwei ukrainische Mädchen etwa wollen nach Niedersachsen ziehen und wissen nicht, wo sie sich melden können. Mit der Info eines Wachmannes drehen sie gleich wieder um.
Einer der Wartenden ist aus Stuttgart angereist. Die Security weist ihn ab: Das Hamburger Amt ist für ihn nicht zuständig.
Fehlende Kapazitäten sorgen für lange Wartezeiten
Die lange Schlange vor der Zentralen Ausländerbehörde in Hamburg erklärt Christian Schridde, Pressesprecher des Amtes für Migration, auf MOPO-Anfrage so: „Der Versuch, während der offenen Sprechstunde das persönliche Anliegen vorzutragen, wird von deutlich mehr Menschen unternommen als personelle Kapazitäten vorhanden sind. Aufgrund dessen muss ein Teil der Wartenden regelmäßig abgewiesen werden.“ Und deswegen komme es immer wieder dazu, dass Menschen sich schon vor Dienstbeginn vor dem Gebäude aufhalten, sagt Schridde.
Seitdem nicht mehr die Bezirke für Asylbewerber zuständig sind, wurden neue Stellen in der Ausländerbehörde geschaffen. Der Senat gab im August auf eine schriftliche Anfrage der Linken-Abgeordneten Carola Ensslen hin an, dass sechs Stellen bis dahin besetzt werden konnten – und elf weitere noch offen sind.
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Per Mail und Telefon sei die Ausländerbehörde schon lange nicht mehr gut erreichbar, bemängelt ein Mitarbeiter der Linken Hamburg, stattdessen müssen Menschen sich früh anstellen, in der Hoffnung, einen Termin zu bekommen. Die Terminvergabe werde unter anderem nach Dringlichkeit sortiert, erklärt Schridde. „So können dringende Anliegen bereits für den Folgetag terminiert werden, was auch regelmäßig geschieht.“
Schwere Vorwürfe von der Opposition
Ensslen, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, macht Innensenator Andy Grote (SPD) schwere Vorwürfe: „Was dort am Amt für Migration passiert, ist offener Verfassungsbruch, den Innensenator Grote zu verantworten hat. Zum Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gehört auch, dass der Staat die notwendigen Vorkehrungen trifft, um den Anspruch auf existenzsichernde Leistungen auch zu verwirklichen.“
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Es könne nicht sein, dass es monatelang dauert, bis die Menschen das Nötigste zum Leben bezahlen können –Essen, Miete und Gesundheitsversorgung, erklärt Ensslen. „Dieser Zustand ist spätestens seit Anfang des Jahres bekannt, und seitdem hat sich nichts verbessert. Die Zahl der Verfahren vor dem Sozialgericht hat sich seit Januar mehr als verdoppelt.“
Hamburger Amt für Migration: mehr Personal geplant
„Existenzsichernde Sachleistungen wie Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts werden bei Ankunft in Hamburg in der öffentlichen Unterbringung unmittelbar zur Verfügung gestellt. Darüber hinausgehende erforderliche Geldleistungen werden so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt“, erwidert der Pressesprecher der Innenbehörde, Daniel Schaefer, auf den Vorwurf der Abgeordneten Ensslen. „Besonders dringende Einzelfälle werden vorrangig bearbeitet, so dass akute Notsituationen nicht entstehen.“ Zur Sprechstunde kämen nur wenige mit akuten Notfällen, weshalb es an Freitagen zu der Wartesituation kommt.
Die generellen Öffnungszeiten der Zentralen Ausländerbehörde sind montags bis donnerstags zwischen 7.30 Uhr und 13.30 Uhr. „Die Öffnungszeiten richten sich an den dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen aus“, erklärt Christian Schridde auf die Frage, wieso die Öffnungszeiten so kurz ausfallen. Personen, die „am Vorsprachetag nicht bedient werden konnten“, hätten die Möglichkeit, eine E-Mail zu schicken, ihre Unterlagen per Post zuzusenden – oder es in der nächsten Woche wieder zu versuchen.
Das Amt für Migration sei dabei, weitere Stellen zu besetzen. Dafür brauche es aber qualifiziertes Fachpersonal.