Busfahrer-Krise in Hamburg: Das kriegen jetzt auch die Fahrgäste zu spüren
Seit Anfang November fahren die Busse der Linien 5 und 6 seltener als sonst. Es sind so viele Mitarbeiter krank, dass die Hochbahn den Fahrplan ändern musste. Betriebsrat Joachim Rimek wundert das nicht – er berichtet, welcher Einsatz gerade vonnöten ist, damit der Betrieb nicht zusammenbricht. Die Hochbahn bestreitet das – und verkündet große Pläne.
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Seit Anfang November fahren die Busse der Linien 5 und 6 seltener als sonst. Es sind so viele Mitarbeiter krank, dass die Hochbahn den Fahrplan ändern musste. Betriebsrat Joachim Rimek wundert das nicht. Er berichtet, welcher Einsatz gerade vonnöten ist, damit der Betrieb nicht zusammenbricht. Die Hochbahn bestreitet das – und verkündet große Pläne.
„Seit den Sommerferien sind die Zustände wirklich extrem“, erzählt Rimek im Gespräch mit der MOPO. Er bezeichnet sich als ein Vertrauenssprecher des Unternehmens, ist zum Teil freigestellter Betriebsrat. In letzter Zeit kämen immer öfter Mitarbeiter zu ihm und vertrauten sich ihm an. „Die Leute sind ausgelaugt und können nicht mehr“, sagt er. „Natürlich ist ein Teil der Ausfälle auf Corona zurückzuführen, aber wir kämpfen auch allgemein mit Personalmangel.“
Busfahrer bei der Hochbahn arbeiten im Schichtmodell
Die meisten der insgesamt mehr als 3000 Busfahrer arbeiteten in einem „6 zu 3“-Schichtmodell. Das bedeutet: Sechs Tage arbeiten, dann drei Tage frei – in der Theorie. „Viele werden an ihren freien Tagen angerufen, ob sie nicht doch noch mal einspringen können“, sagt Rimek. „Das geht eine gewisse Zeit lang gut, aber auf Dauer ist das kein Zustand. Die Leute kommen an ihre Grenzen und gehen auf dem Zahnfleisch.“ Dadurch komme es dann eben auch häufiger zu Linienausfällen.
Wer länger im Unternehmen sei, könne sich auf eine Liste setzen lassen, mit der ein Wechsel von „6 zu 3“ auf ein „5 zu 2“-Modell möglich sei. Heißt also: freie Wochenenden. Aus seiner Erfahrung dauere das meistens acht bis zehn Jahre.
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Dazu komme die Dienstlänge von neuneinhalb Stunden, inklusive einer 30-minütigen Pause. „Das waren früher noch bis zu zehn Stunden, das haben wir aber herunterhandeln können“, erzählt der Betriebsrat. „Unser Wunsch wäre es ja, die Schicht auf acht Stunden zu begrenzen.“
Vielen sei gar nicht bewusst, wie anspruchsvoll der Job als Busfahrer überhaupt sei. „Da sitzt nicht einer vorne und fährt gemütlich durch die Stadt. Es gibt ständig neue Baustellen, Umleitungen, Radwege und so vieles mehr, worauf die Kolleginnen und Kollegen achten müssen.“
Das sagt die Hochbahn zu den Vorwürfen des Betriebsrates
In diesem letzten Punkt stimmt Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum dem Betriebsrat zu. Auch, dass die Krankenquote um etwa zwei Prozentpunkte über den Werten in den Vorjahren liege, sei korrekt. Darauf habe das Unternehmen aber bereits reagiert. „Um die Beschäftigten nicht zu überfordern, haben wir gezielt bestimmte Leistungen verringert“, sagt er und verweist auf den angepassten Fahrplan der Buslinien 5 und 6. So „können wir weiterhin einen verlässlichen Fahrplan anbieten, ohne auf Mehrarbeit gehen zu müssen.“ Diese Anpassung sei ursprünglich bis Mitte Dezember geplant gewesen, wird jetzt aber noch einmal um vier Wochen verlängert.
Auf die Überstunden und ständigen Einsätze angesprochen, weist Kreienbaum die Schilderungen des Betriebsrates entschieden zurück. „Die Überstundenquote bei der Hochbahn ist auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren“, sagt er. Außerdem „machen nur etwa 25 Prozent der Belegschaft den sogenannten Dienst am freien Tag, dieser ist absolut freiwillig“.
Mobilitätswende: Viel mehr Busse in Hamburg geplant
Das Angebot von Bahn und vor allem Bus soll in Hamburg in den kommenden Jahren deutlich ausgebaut werden. Eine Studie von „wmp consult“ im Auftrag von Verdi Hamburg und der Friedrich-Ebert-Stiftung kam diesbezüglich allerdings zu dem Ergebnis, dass bis 2030 allein bei der Hochbahn ein Mehrbedarf von 1160 Busfahrern entstehe. Diese Stellen gilt es zu besetzen – auf dem derzeit umkämpften Arbeitsmarkt. Zudem soll auch das geplante 49-Euro-Ticket noch mehr Fahrgäste anlocken.
Die Hochbahn teilte bereits mit, dass man die Gutachten von Gewerkschaften nicht kommentiere. Sprecher Kreienbaum berichtet jetzt aber, dass in diesem Jahr bereits 330 Busfahrerinnen und Busfahrer neu eingestellt worden seien. So soll die von Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) angestrebte Mobilitätswende tatsächlich gewuppt werden – dabei dürfen die Arbeitsbedingungen der Busfahrer aber keinesfalls auf der Strecke bleiben.