Bunt, bunter, CSD – warum wir immer noch laut sein müssen
Buntes Konfetti und Seifenblasen schweben in der Luft, die Sonne strahlt auf tausende Regenbögen und aus den Lautsprechern tönt „I Kissed A Girl“ und „Born This Way“ – endlich wieder CSD! Bei bestem Wetter ist der bunte Straßenumzug an diesem Samstag nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause endlich wieder zurück in Hamburg. Die Stimmung ist ausgelassen, es wird getanzt, gelacht, gesungen – und doch ist immer noch nicht alles gut für Menschen aus der queeren Community. Der MOPO haben sie erzählt, was noch getan werden muss.
Buntes Konfetti und Seifenblasen schweben in der Luft, die Sonne strahlt auf tausende Regenbögen und aus den Lautsprechern tönt „I Kissed A Girl“ und „Born This Way“ – endlich wieder CSD! Bei bestem Wetter ist der bunte Straßenumzug an diesem Samstag nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause endlich wieder zurück in Hamburg. Die Stimmung ist ausgelassen, es wird getanzt, gelacht, gesungen – und doch ist immer noch nicht alles gut für Menschen aus der queeren Community. Der MOPO haben sie erzählt, was noch getan werden muss.
Der Zug mit 30 geschmückten Trucks startete an der Langen Reihe in St. Georg und zog von dort über Ernst-Merck-Straße, Glockengießerwall bis zur Steinstraße und Mönckebergstraße. Laut Angaben der Polizei vom Sonntag demonstrierten etwa 225.000 Personen, der Veranstalter sprach sogar von 250.000.
Hamburg: Tausende demonstrieren für LGBTQ-Rechte
Man kann sich gar nicht sattsehen an den bunten Kostümen, den Regenbogenflaggen und dem ausgefallenen Make-Up. Auf den Plakaten steht „Homophobie ist kacke“ oder „No Violence No Racism No Sexism“.
Die DJs auf den Trucks verwandeln die Massen mit ihrer Musik in einen tanzenden Strudel aus Farben. Geschäfte und Anwohner entlang der Strecke haben Balkone, Türen und Fenster mit Ballons und Flaggen geschmückt. Wer mitläuft, staubt hier und da einen Aufkleber oder ein Armband ab. Die Stadt glitzert.
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Doch das ist keine reine Spaß-Veranstaltung. Das diesjährige Motto der Demonstration „Auf die Straße! Vielfalt statt Gewalt“ soll auf die hohe Zahl an queerfeindlichen Übergriffen aufmerksam machen. „Jeden Tag gibt es mindestens drei Angriffe gegen queere Menschen, die Dunkelziffer ist deutlich höher. Das macht mich traurig und wütend“, sagte der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne).
„Hamburg Pride“ zufolge wurden im vergangenen Jahr in Hamburg 67 Straftaten von Hasskriminalität gegenüber Menschen der queeren Community polizeilich gemeldet – mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor.

Ben (26) und Stefan (39) erleben immer wieder Hasskommentare im Internet und auf der Straße. „In unserer Gesellschaft fehlt noch die Akzeptanz“, sagt Stefan, auf dessen schwarzem Shirt in Regenbogenfarben die Worte „Pride Pride Baby“ stehen. „Deshalb ist es uns wichtig, präsent zu sein und zu zeigen, dass jeder lieben darf, wen er möchte.“

Auch Celia (65) und Donata (64), geschmückt mit Blumenkronen und Fahnen, sehen noch Aufholbedarf. „Deutschland muss sich für die Rechte von LGBTQ-Personen in anderen Ländern einsetzen. Verfolgte müssen Asyl bekommen“, sagt Celia. In der deutschen Politik sei bereits viel für queere Menschen erreicht worden, doch in vielen Staaten sehe es nach wie vor düster aus.
Adoptionsrecht, Asyl, Toleranz: Das fordert die Community
Das haben die Kurden Ayaz (30) und Sasha (33) erlebt, die vor Krieg und Verfolgung in ihrem Land geflohen sind. Sie sind bestens in die Community integriert und laufen an diesem Samstag mit ihren schwarzen Glitzer-Kostümen bei den „Queer Refugees“ mit. „Wegen des Krieges wurden wir in Deutschland aufgenommen“, sagt Ayaz. „Doch das Glück hat nicht jeder.“

Gani (36) berichtet von der Freundin ihrer achtjährigen Tochter Jona, die zwei Mütter hat. „Die nicht-leibliche muss eine nervenaufreibende Stiefkind-Adoption durchlaufen. Das darf nicht sein.“ Eine Reform des Familienrechts zugunsten lesbischer Paare ist eine zentrale Forderung des Vereins „Hamburg Pride“.

Auch Julia (38) und ihre drei Freundinnen sind mit der kleinen Hanna (6) gekommen. Sie thront hoch oben auf den Schultern und freut sich über das farbenfrohe Treiben. „Sie soll von Klein auf zu einem toleranten Menschen erzogen werden“, sagt Julia. Hanna gefällt’s.

Lina (25) und Sabien (28) kritisieren den Umgang einiger Menschen der Community untereinander. „Die radikalen Feministinnen aus der ‚Terf‘-Bewegung (Trans-Exclusionary Radical Feminism) diskriminieren Transfrauen und erzeugen damit eine Spaltung innerhalb der Community. Das können wir nicht gebrauchen“, sagt Sabien.

Tami (15) und Katharine (17) sehen viel Aufholbedarf in Sachen Sprache. Die beiden haben sich Regenbogenflaggen um die Schultern geschlungen „Wir sollten uns überall genderneutral unterhalten, in Behörden, öffentlichen Einrichtungen, Schulen, … Sprache schafft Wirklichkeit“, sagen sie. Ihre zweite Forderung: Geschlechterneutrale Toiletten.

Nico (23) hat sich die Regenbogenflaggen am Stirnband befestigt. Er findet die Hürden, die es zu einer Geschlechtsumwandlung braucht, zu hoch. „Die psychologische Beratung erachte ich als notwendig“, sagt er. „Aber da ist so viel Bürokratie im Spiel und man muss zu viel über sich preisgeben bei einem Thema, dass ohnehin schon unangenehm ist.“

Es gibt noch einiges zu tun – und doch haben 250.000 Menschen, 30 Trucks und 82 beteiligte Gruppen, Vereine, Unternehmen und politische Parteien an diesem Samstag gezeigt, dass man viel erreichen kann, wenn man zusammensteht. Und so endet der Zug gegen 17 Uhr am Gänsemarkt. Auf dem bunten Straßenfest am Jungfernstieg wird noch bis in die Nacht weitergefeiert.