• Foto: Florian Quandt

Bürgerschaftwahl: 31-Jährige wollte aus SPD austreten – trotzdem kandidiert sie

Eigentlich wollte Anna-Lena Maier im vergangenen Jahr aus der SPD austreten. Am Sonntag kämpft die 31-Jährige aus Altona dennoch für die Partei um ein Mandat in der Hamburgischen Bürgerschaft – wie die meisten Kandidaten auf den hinteren Listenplätzen mit eher geringen Erfolgsaussichten. Was treibt so jemanden an?

„Ich habe gerade gefühlt den Körper einer 90-Jährigen“, sagt Anna-Lena Maier und lacht. Der Wahlkampf geht nach anstrengenden Wochen in den Endspurt, das Schlafdefizit wächst. „Ich bin echt froh, wenn der Wahlkampf vorbei ist“, sagt sie. Maier, 31 Jahre alt, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Hamburg und Mutter einer einjährigen Tochter, steht bei der Wahl am Sonntag auf dem eher aussichtslosen Platz 48 der SPD-Landesliste.

Anna-Lena Maier hat sich trotzdem für eine Kandidatur entschieden – was nicht nur mit Blick auf ihre Chancen bemerkenswert ist: „Eigentlich wollte ich aus der SPD austreten“, erzählt sie, „vor allem wegen der Bundespolitik.“ Sie sei kein Freund der Großen Koalition, der Asylkompromiss habe das Fass für sie fast zum Überlaufen gebracht. „Aber wer macht dann noch sozialdemokratische Politik, wenn einfach alle gehen, die aktuelle Entwicklungen schwierig finden?“, fragt Maier.

SPD erneuern statt motzen

Die 31-Jährige entschied sich, in der Partei zu bleiben. Mitzuhelfen, die SPD zu erneuern, statt zu motzen. Sie sei überzeugt, dass die neuen Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans endlich frischen Wind in die Partei brächten. Über Finanzminister Olaf Scholz, den viele Hamburger Genossen auch mit Blick auf den G20-Gipfel kritisch sehen, verliert sie dennoch kein schlechtes Wort. 

Sie störe sich vielmehr an den alten Strukturen in der SPD, die es aus ihrer Sicht gerade jungen Leuten mit Kindern schwer machen würden, sich einzubringen, sagt Maier. Unter der Woche abendliche Sitzungen, dazu parteiintern netzwerken, Entscheider kennenlernen. „Man muss erstmal viele Leute treffen – und kein Schwein kennt dich“, sagt sie über den Wahlkampf.

Die großen Saalveranstaltungen und öffentlichkeitswirksamen Termine, zu denen dieser Tage allerlei Bundespolitiker zur Unterstützung nach Hamburg kommen, konzentrieren sich auf die Spitzenkandidaten der Parteien, in diesem Jahr steht besonders das Duell zwischen Peter Tschentscher (SPD) und Katharina Fegebank (Grüne) im Vordergrund. Sie sind in den Medien und auf den großen Werbetafeln in der ganzen Stadt omnipräsent. Wenig Raum für die vielen eher unbekannten Gesichter unter den 733 Kandidaten, die – alle Parteien zusammengenommen – um einen der 121 Sitze in der Hamburgischen Bürgerschaft kämpfen.

„Die Menschen sind überrascht, dass ich plötzlich vor ihnen stehe“

Wie geht man aus dieser Position den Wahlkampf an? „Ich laufe eigentlich jeden Abend ganz klassisch von Tür zu Tür“, erzählt Anna-Lena Maier, „wenn du quasi aus dem Nichts kommst, ist das wohl am effektivsten.“ In den vergangenen Wochen habe sie dabei zu ihrer eigenen Überraschung festgestellt, dass sie von den meisten wohlwollend in Empfang genommen werde: „Die Menschen sind überrascht, dass ich plötzlich vor ihnen stehe – da hat seit zehn Jahren kein Vertreter irgendeiner Partei mehr an der Tür geklingelt.“

Dazu verteilt Maier Flyer in Hamburgs Fußgängerzonen, versucht auch dort, mit Wählern ins Gespräch zu kommen. „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten“, bekomme sie hin und wieder zu hören. Wenn über die SPD gemotzt werde, gehe es vor allem um die Bundespolitik, erzählt Meier. „Die Leute bewegen Dinge wie Altersarmut oder der Mangel an Kitaplätzen.“ Aber auch der Zusammenhalt der Gesellschaft sei ein Thema. „Um Flüchtlingspolitik geht es selten. Da sind wir als SPD zu oft über das Stöckchen der AfD gesprungen.“

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Für Kandidaten wie Maier ist der Wahlkampf geprägt durch Umstände, für die sie nichts können – und an denen sie zunächst einmal nichts ändern können. Warum tut man sich das trotzdem an, wochenlanger Wahlkampf, zwischen Job und Familie? „Ich will hinterher zumindest sagen können: Ich habe alles versucht“, sagt die 31-Jährige. „Wenn sich immer nur die gleichen Leute einbringen, ändert sich nichts.“

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