„Brauchen radikales Umdenken“: Was auf dem Hamburger Wohnungsmarkt passieren muss
Häufige Mieterhöhungen, Vermieter, die versuchen, ihre Mieter rauszuekeln, Modernisierungskosten, die in Wahrheit keine sind – es gibt jede Menge Probleme, mit denen Hamburger sich an den Mieterverein zu Hamburg wenden. Die MOPO sprach mit dessen Geschäftsführer Rolf Bosse über poröse Backsteinwände, fragwürdige Mietenstudien und ob die Enteignung von Wohnungskonzernen helfen würde.
Häufige Mieterhöhungen, Vermieter, die ihre Mieter rausekeln wollen, Modernisierungskosten, die in Wahrheit keine sind – es gibt jede Menge Probleme, mit denen Hamburger sich an den Mieterverein zu Hamburg wenden. Die MOPO sprach mit dessen Geschäftsführer Rolf Bosse über poröse Backsteinwände, fragwürdige Mietenstudien und ob die Enteignung von Wohnungskonzernen helfen würde.
MOPO: Laut der neuen Mietenstudie der Wohnungsverbände liegt die durchschnittliche Kaltmiete in Hamburg bei gerade einmal 8,71 Euro pro Quadratmeter. Heißt das, dass der Mieten-Wahnsinn gestoppt wurde?
Rolf Bosse: Sicherlich nicht. Bei dieser Mietenstudie wurden hauptsächlich Bestände der SAGA und der Genossenschaften angeguckt und eben nicht die Wohnungen auf dem freien Markt. Dazu kommt: Die oft besonders hohen Neuvermietungen sind komplett rausgefallen. Für mich bildet diese Studie deshalb kein realistisches Bild des Hamburger Wohnungsmarktes ab. Allein in Ottensen kenne ich so viele Wohnungen, die über der Mietpreisbremse liegen – zum Beispiel, weil die Verträge lange vor den Regulierungen geschlossen wurden. Da können wir leider auch als Mieterverein nicht helfen, weil die Mietpreisbremse eben zu viele Lücken hat.
Das heißt, die Mietpreisbremse müsste nachgebessert werden?
Ja. Aber da ist die Wohnungswirtschaft natürlich strikt dagegen. Es wird eben zu viel auf Freiwilligkeit und Anreize gesetzt, weil es keine Gesetze dafür gibt. Genau das Gleiche gilt ja auch für die energetischen Sanierungen an den Gebäuden.
Da wird oft gemahnt, es würde alles auf die Mieter umgelegt werden …
Das ist ein Reflex, der immer wieder kommt. Laut Gesetz können acht Prozent der Modernisierungskosten im Jahr auf die Mieter umgelegt werden. Der Teufel steckt aber im Detail, denn Erhaltungskosten sind eben keine Modernisierungskosten.
Was bedeutet das?
Erhaltungskosten sind die Kosten, die anfallen, wenn das Gebäude nach langer Zeit verfällt und renoviert werden muss. Nehmen wir an, die Backsteinwand wäre porös und es regnet rein. Wenn ich die Wand dann so saniere, dass sie nicht mehr so viel Wärme nach außen verliert, repariere ich den vorherigen Schaden gleich mit. Dann habe ich zwar modernisiert, aber eben auch den Bestand erhalten.

Wie muss das dann abgerechnet werden für die Mieter?
Der Vermieter muss berechnen, wie hoch die Kosten für die alleinige Sanierung der Fassade gewesen wären. In der Regel sind das 50 Prozent der Gesamtkosten, in der Realität werden aber oft 80 Prozent auf die Mieter umgewälzt. An dieser Stelle kommen wir als Mieterverein ins Spiel. Wir wollen, dass die Vermieter das bezahlen, wozu sie verpflichtet sind, nämlich den Erhalt des Gebäudes.
Denken Sie, dass sich in Hamburg Immobilien-Haie besonders gut ausbreiten konnten?
In den 90er Jahren war es überall in Deutschland en vogue, den Staat zurückzudrängen und vieles zu privatisieren, darunter viel Wohnraum. Im Gegensatz zu Dresden hat Hamburg aber zum Glück seine eigene städtische Wohnbaugesellschaft, die SAGA, nicht verkauft. Es war aber ganz lange in der Diskussion. Und heute klopfen wir uns alle dafür auf die Schultern.
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Seit den 2000ern wurde Hamburg dann immer attraktiver, viele Menschen kamen hierher und brauchten Wohnraum. Das gipfelte dann irgendwann in der Mietpreisbremse, die die immer höher gestiegenen Mieten kontrollieren sollte. Ich würde also nicht sagen, dass Hamburg es Investoren total leicht gemacht hat – aber eben auch nicht schwer.
Denken Sie, dass die Forderungen der Initiative „Hamburg enteignet“, mit denen Konzerne mit über 500 Wohnungen vergesellschaftet werden sollen, dem Wohnungsmarkt helfen könnte?
Die Forderungen nach Enteignung sind nachvollziehbar. So viele Menschen fühlen sich angesichts der absurd hohen Mieten hilflos. Tatsächlich ist das in Hamburg ja bereits möglich, wenn der Gebäudeeigentümer seinen Besitz massiv vernachlässigt und nicht reagiert. Zum Beispiel an der Grindelallee Nummer 80 wird das derzeit geprüft. Das ist allerdings ein sehr langsamer Prozess, ich würde mir wünschen, dass das schneller geht.
Aber als allgemeine Maßnahme halten Sie das nicht für sinnvoll?
Es ist gut, dass es die Initiative gibt und sie bringt auch die richtige Diskussion in Gang. Das Problem, das ich dabei aber sehe, ist, dass es sehr viel Widerstand dagegen gibt. Wenn die Debatte weiterhin so ideologisch und konfrontativ geführt wird, lähmen wir uns, denn dann passiert gar nichts mehr. Das ist meine größte Sorge. Ich möchte, dass wir zusammen mit der Wohnungswirtschaft weiterkommen.
Zum Beispiel?
Es braucht eine neue Form der öffentlichen Förderung. Neu gebaute Wohnungen müssen 50 Jahre preisgebunden und danach noch einmal 50 Jahre preisgedämpft sein. Ich möchte wirklich, dass sich ein Wohnungsunternehmen dazu bereit erklärt, das einmal komplett durchzurechnen und sich dann mit der Behörde zusammensetzt. Dann würden sie 20 oder 30 Wohnungen nach diesem Muster bauen auf einem Grundstück, das die Stadt zur Verfügung stellt. Natürlich geht das nicht mit einem Fingerschnipsen. Wenn ich pro Jahr 1000 solcher Wohnungen errichte, habe ich nach zehn Jahren aber schon 10.000.
Aber Hamburgs Mieter brauchen ja auch kurzfristigere Lösungen …
Vermieter müssen vor allem Familien größere Chancen auf ihre Wohnungen geben. Ich habe das so oft erlebt, dass ein Pärchen für eine Vier-Zimmer-Wohnung einer fünfköpfigen Familie vorgezogen wird. Die suchen oft jahrelang, ohne dass sie etwas finden. Und dann muss sich aber auch etwas an unserer Haltung ändern.
Was meinen Sie damit?
Viele ältere Menschen sitzen in viel zu großen Wohnungen, weil sie da zum Beispiel früher mit ihrer Familie gelebt haben. Es geht mir gar nicht darum, diese Leute zu zwingen auszuziehen. Es geht viel eher darum, einmal nachzudenken: Ist das eigentlich gut für mich? Wenn die Wohnung nicht barrierefrei ist, komme ich im Alter nicht mehr rein oder raus und bin gefangen. Und wenn es dann wirklich nicht mehr geht, können sich die meisten nicht mehr an ein neues Umfeld gewöhnen und sind kreuzunglücklich.
Das Problem ist ja aber auch, dass kleinere Wohnungen mitunter viel teurer sind als die größeren, die seit Jahren bewohnt werden
Da sind wieder die Wohnungswirtschaft und die Stadt gefragt, eine Lösung zu finden. Zum Beispiel mit so einer neuen Art von Förderung. Aber die Haltung der Menschen darf eben auch nicht unterschätzt werden. Viele haben gelernt, dass mehr immer besser ist – da brauchen wir ein radikales Umdenken.