Blockieren oder nicht? Der Drahtseilakt des Senats beim Kiffer-Gesetz
„Enttäuscht uns nicht!“, „Ich hoffe, ihr bleibt stabil!“, „Steht zu eurem Wort!“ – auf Social Media werden Hamburgs Grüne dringend aufgefordert, die Verabschiedung des lang ersehnten Cannabisgesetzes bloß nicht zu blockieren. Die Mitarbeiter der Grünen-Abgeordneten stöhnen über tausende Mails, alle mit dem selben Inhalt: Stimmt im Bundesrat bloß nicht für einen Vermittlungsausschuss! Aber die Grünen regieren Hamburg ja nicht allein – und die Hamburger SPD findet das Cannabisgesetz ihres Genossen Karl Lauterbach so richtig blöd. Wie stimmt Hamburg also ab?
- Deutsch (Deutschland)
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„Enttäuscht uns nicht!“, „Ich hoffe, ihr bleibt stabil!“, „Steht zu eurem Wort!“ – auf Social Media werden Hamburgs Grüne dringend aufgefordert, die Verabschiedung des lang ersehnten Cannabisgesetzes bloß nicht zu blockieren. Die Mitarbeiter der Grünen-Abgeordneten stöhnen über tausende Mails, alle mit dem selben Inhalt: Stimmt im Bundesrat bloß nicht für einen Vermittlungsausschuss! Aber die Grünen regieren Hamburg ja nicht allein – und die Hamburger SPD findet das Cannabisgesetz ihres Genossen Karl Lauterbach so richtig blöd. Wie stimmt Hamburg also ab?
Nein, zitieren lassen will sich keiner aus den Reihen der Hamburger Grünen, aber ein Stimmungsbild für die Sitzung des Bundesrates am 22. März kann man doch ablesen: Einen Vermittlungsausschuss, dieses bayerische Kiffer-Schreckgespenst, will man auf gar keinen Fall unterstützen. Niemals. Dann würde wieder monatelang über das Gesetz diskutiert und im schlimmsten Fall würden so viele Änderungen eingefügt – die rückwirkende Straffreiheit könnte etwa gestrichen werden – dass der Bundestag, der das Gesetz ja schon am 23. Februar gebilligt hat, erneut darüber abstimmen muss. Horror. Die Einführung des Gesetzes am 1. April ginge in Rauch auf, das können die Grünen ihren Wählern nicht antun.
„Legalize it“ klebte schon vor Jahrzehnten einträchtig neben „Atomkraft – Nein Danke“-Stickern, die Freigabe von Cannabis gehört zur grünen DNA. Da kann man nun, da es endlich auf die Zielgerade geht, das Gesetz nicht monatelang blockieren. Dabei sind auch die Grünen nicht alle rückhaltlos begeistert von dem, was SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach da auf den Weg gebracht hat. Hamburgs grüne Justizsenatorin Anna Gallina etwa klagte überraschend, dass das Gesetz „für die Länder zu schnell“ käme – obwohl sie vor ein paar Jahren noch demonstrativ in den „Cannabis Social Club“ eingetreten war.
Länderkammer kann das Kiffer-Gesetz noch verzögern
Wenn das Gesetz durch die Länderkammer kommt, wäre ab dem 1. April der Besitz von 25 Gramm Cannabis legal, zu Hause sind drei Pflanzen und 50 Gramm legal. Wie die Länder sich positionieren, das wird spannend. Klar ist: Bayern will den Vermittlungsausschuss unbedingt, auch mehrere Fachausschüsse raten den Ländern, das Gesetz nicht durchzuwinken, aber Länder wie Hamburg, in denen die Grünen mitregieren, können einer Verzögerung des uralten grünen Herzensprojektes eigentlich nicht zustimmen.
Die Hamburger SPD hingegen würde Lauterbachs Kiffer-Gesetz am liebsten in der Pfeife rauchen. Kaum hatte die Ampel im Sommer 2023 die Freigabe beschlossen, stellte Innensenator Andy Grote klar: „Wenn wir irgendetwas jetzt nicht brauchen, dann ist es dieses Gesetz.“ Wie solle die Polizei bitte kontrollieren, ob jemand nun 25 Gramm oder mehr bei sich trüge? Und Bürgermeister Peter Tschentscher ist als Mediziner sowieso gegen die Freigabe von Drogen. Würde die SPD alleine regieren, vermutlich würde Hamburg sich an die Seite Bayerns stellen und das ganze Gesetz auf irgendwann später verschieben.
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Wenn zwei Regierungsparteien sich nicht einig sind, ist es gute Sitte, dass das Land sich bei Abstimmungen im Bundesrat enthält. „So wird es Hamburg auch in Fall des Cannabisgesetzes halten“, ist aus den Reihen der Grünen zu hören. Sieben weitere Bundesländer mit grüner Beteiligung, so lässt ein Insider durchblicken, wollen es ebenso halten. Unwahrscheinlich also, dass Bayern sich mit seinem Ausschuss durchsetzt. Freunde der gepflegten Dröhnung können sich schon mal vorsichtig auf ihren ersten legalen Joint am 1. April freuen. Strenggenommen nur halblegal, denn das erste richtig legale Cannabis aus eigenem Anbau muss ja ab 1. April erstmal reifen.