„Bist du gekommen?“: Sie wurde als Kind missbraucht – und wird jetzt dafür gehasst
„Klingt doch lustig“, „Bist du wenigstens gekommen?“, „Ich bringe dich um, wenn du weiter machst“: Nachrichten wie diese sind für Lena Jensen (30) Alltag. Als Kind wurde sie jahrelang sexuell missbraucht, heute klärt sie über das Thema auf, gibt Betroffenen eine Stimme. Dafür wird sie in den sozialen Medien brutal angegangen. Mit der MOPO hat die „Miss Germany“-Finalistin 2022 aus Hamburg über widerliche Nachrichten zu „Pädophilen-Partys“, Anfeindungen und Bedrohungen gesprochen – und wie Eltern am besten mit dem Thema umgehen sollten.
MOPO: Sie sprechen in den Medien und auf Social Media offen über Kindesmissbrauch. Welche Reaktionen bekommen Sie?
Lena Jensen: Da ich als Kind selber viele Jahre sexuell missbraucht wurde und die Täter bis heute nicht verurteilt wurden, versuche ich, Betroffenen durch meine Arbeit eine Stimme zu geben und Eltern zu zeigen, wie sie ihre Kinder schützen können. Es geht dabei um Prävention und Aufklärung. Die Reaktionen darauf sind gemischt. Viele freuen sich über meine Aufklärungsarbeit, da sie selbst Betroffene sind oder das Thema wichtig finden. Sie trauen sich dadurch, ihre eigenen Missbrauchsgeschichten zu teilen und fühlen sich gesehen und unterstützt.
Und die anderen?
„Klingt doch lustig“, „Bist du wenigstens gekommen?“, „Ich bringe dich um, wenn du weiter machst“: Nachrichten wie diese sind für Lena Jensen (30) Alltag. Als Kind wurde sie jahrelang sexuell missbraucht, heute klärt sie über das Thema auf, gibt Betroffenen eine Stimme. Dafür wird sie in den sozialen Medien brutal angegangen. Mit der MOPO hat die „Miss Germany“-Finalistin 2022 aus Hamburg über widerliche Nachrichten zu „Pädophilen-Partys“, Anfeindungen und Bedrohungen gesprochen – und wie Eltern am besten mit dem Thema umgehen sollten.
MOPO: Sie sprechen in den Medien und auf Social Media offen über Kindesmissbrauch. Welche Reaktionen bekommen Sie?
Lena Jensen: Da ich als Kind selber viele Jahre sexuell missbraucht wurde und die Täter bis heute nicht verurteilt wurden, versuche ich, Betroffenen durch meine Arbeit eine Stimme zu geben und Eltern zu zeigen, wie sie ihre Kinder schützen können. Es geht dabei um Prävention und Aufklärung. Die Reaktionen darauf sind gemischt. Viele freuen sich über meine Aufklärungsarbeit, da sie selbst Betroffene sind oder das Thema wichtig finden. Sie trauen sich dadurch, ihre eigenen Missbrauchsgeschichten zu teilen und fühlen sich gesehen und unterstützt.
Und die anderen?
Sagen, dass ich über den Missbrauch nicht reden soll. Es stört sie auch, wenn ich mich dafür einsetze, dass Betroffene nicht immer dem stereotypen Bild eines Opfers entsprechen: Wir Betroffene haben natürlich trotz allem eine Sexualität, können uns weiblich oder männlich zeigen und müssen uns nicht hinter dicken Pullis verstecken oder immer traurig sein, nur weil sich manche Menschen so die Opfer sexuellen Missbrauchs vorstellen. Wegen all dem bekomme ich Hassnachrichten – Menschen fühlen sich davon getriggert und provoziert. Sie beleidigen mich, drohen mir. Dann heißt es: „Rede nicht mehr darüber, sonst kommen wir vorbei“.
Was für Nachrichten haben Sie besonders getroffen?
Ich habe einmal in einer Story auf Instagram und TikTok über sogenannte Pädophilen-Partys gesprochen. Sie waren auch Teil meiner Missbrauchsgeschichte. Die Täter:innen haben mich damals dorthin gefahren, wo dann mehrere Männer auf mich warteten. Als ich darüber sprach, bekam ich eine Nachricht, in der es hieß: „Bist du wenigstens gekommen?“.

Widerlich. Was hat das bei Ihnen ausgelöst?
Ich habe mich geekelt. Auf der anderen Seite war es aber auch wie ein Schlag ins Gesicht. Gerade beim Thema Missbrauch gibt es wirklich Fälle, wo das Opfer einen Orgasmus hat, obwohl es diesen natürlich nicht haben will. Es ist eine körperliche Reaktion. Viele Betroffene sprechen nicht darüber, sie fühlen sich schuldig, ekeln sich vor sich selbst. Deswegen trifft so ein Kommentar natürlich besonders. Aber auch so: Da wird ein Säugling oder Kind missbraucht und jemand kommentiert das auf diese Weise. Wie kann das sein? Das hat mich richtig getroffen.
Wissen Sie, was für Menschen Ihnen so etwas schreiben?
Ja – teilweise geschieht das unter falschem Namen und mit falschem Account. Aber es sind auch ganz normale Profile mit Klarnamen dabei. Übrigens: Hassnachrichten bekomme ich von Männern und von Frauen.
Bekommen Sie Morddrohungen?
Ich weiß nicht, ob das wirklich Morddrohungen sind. Sie schreiben mir Dinge wie: „Geh sterben“, „bring dich einfach um“, aber auch sowas wie: „hör damit auf oder wir bringen dich um!“.
Das ist definitiv eine Anzeige wert.
Bisher habe ich es nicht als Morddrohungen aufgefasst, sondern immer gedacht, sie schreiben es einfach nur so dahin. Aber ich bin gerade dabei, mich zu informieren und will das jetzt anzeigen. Es ist wichtig zu wissen, wie man damit umgehen muss und seine Rechte zu kennen.
Haben Sie Angst, wenn Sie solche Drohungen lesen?
Am Anfang hatte ich ein beklemmendes Gefühl, das mir meine Energie nahm. Und ich hatte Angst, was passiert, wenn ich diese Menschen auf der Straße treffe. Aber mittlerweile versuche ich, mich davon nicht unterkriegen zu lassen. Ich hoffe, der Spruch stimmt: Hunde, die bellen, beißen nicht. Deshalb versuche ich einfach normal weiterzuleben und weiter für meine Überzeugungen zu kämpfen. Aber den Umgang mit diesen Nachrichten musste ich erst lernen.

Wie haben Sie das geschafft?
Am Anfang habe ich noch viel mit den Absendern diskutiert, bin darauf eingegangen, habe es an mich herangelassen und persönlich genommen. Irgendwann wurde mir klar: Ich will diesen Menschen nicht die Macht geben, mir meine Zeit und Energie zu stehlen. Wenn ich jetzt sowas lese, lösche oder ignoriere ich es oder setze klare Grenzen – zum Beispiel durch Anzeigen. Momentan klappt das ganz gut. Aber manchmal gibt es auch Phasen, wo mich diese Kommentare nicht kalt lassen – gerade wenn sie mich sehr persönlich angreifen oder sich gegen meine Familie richten.
Haben die Nachrichten Sie verändert?
Ja, ich fühlte mich eingeengt. Früher habe ich einfach gemacht, was mein Herz mir sagt. Dann kam der Gegenwind und ich fragte mich plötzlich, mache ich etwas falsch? Soll ich lieber anders sein? Wie kann ich es anderen recht machen? Das nahm mir meine Freiheit, ich hatte das Gefühl, ich kann nichts mehr sagen, ohne attackiert zu werden. Aus diesem Gefühl, das einen lähmt, musste ich erstmal wieder ausbrechen.
Was glauben Sie, warum triggert das Thema so?
Ich denke, dass viele Menschen so etwas selber erlebt und verdrängt haben. Oder damit in Berührung kamen und es nicht aufgearbeitet haben. Hinzu kommt, dass sexualisierte Gewalt noch immer ein Tabuthema ist. Viele Menschen scheint es auch zu überfordern, wenn ich mich bei Instagram weiblich zeige oder auf einem Bild am Strand einen Bikini trage. Was ich erlebt habe, hat viel mit meiner eigenen Sexualität zu tun. Ich brauchte jahrelang, um meinen Körper wieder zu finden, habe viele Therapien gemacht. Mein weibliches Auftreten wird in den Kommentaren sexualisiert und mit dem Missbrauch verbunden. Ich habe das Gefühl, dass auch das Zeigen einer gesunden Sexualität noch nicht bei allen angekommen ist.
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Zum Abschluss noch die Frage: Welchen Tipp geben Sie Eltern zur Sensibilisierung?
Es sind vor allem drei Tipps, die ich gebe. Erstens: Missbrauch überhaupt für möglich halten – manche haben bei dem Thema extreme Scheuklappen auf. Zweitens: Wissen aneignen. Täter gibt es in jeder sozialen Schicht. Sie können aus dem familiären oder bekannten Umfeld kommen, also Menschen sein, denen man vertraut. Drittens: Kinder stärken. Das bedeutet, man muss den Kindern beibringen, dass sie Grenzen haben und diese auch einfordern können. Wenn zum Beispiel eine Tante vorbei kommt und das Kind will sie nicht zur Begrüßung küssen, sollten die Eltern diese Grenzen respektieren und das Kind dabei unterstützen. Sonst lernt das Kind, dass andere Menschen über seinen Körper entscheiden.