Heizkosten-Schock: Energieversorger will 151.000 Euro von uns!
Ingo Straatmann ist sauer – und nicht nur er. Ende Dezember haben er und viele andere Mieter der Neubausiedlung Nienkamp/Grotenkamp in Pinneberg ihre Heizkostenabrechnung bekommen und trauten ihren Augen nicht: 6000 Euro, 7000 Euro sollen für die Fernwärme nachgezahlt werden, bei einem Haushalt sind es sogar an die 12.000 Euro. Auch in Hamburg gibt es Betroffene, wie Christine Müller aus Mümmelmannsberg. . Heizen ist für sie mittlerweile sogar teurer als die Miete.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen //
online kündbarMOPO+ Jahresabo
für 79,00 €Jetzt sichern!Spare 23 Prozent!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach zum gleichen Preis lesen //
online kündbar
Ingo Straatmann ist sauer – und er ist nicht allein. Ende Dezember haben er und viele andere Mieter der Neubausiedlung Nienkamp/Grotenkamp in Pinneberg ihre Heizkostenabrechnung bekommen und trauten ihren Augen nicht: 6000 Euro, 7000 Euro sollen für die Fernwärme nachgezahlt werden, bei einem Haushalt sind es sogar an die 12.000 Euro. Auch in Hamburg gibt es Betroffene, wie Christine Müller aus Mümmelmannsberg. Heizen ist für sie mittlerweile sogar teurer als die Miete.
In Ingo Straatmanns Wohnung am Nienkamp, die er seit Mai 2021 mit seiner Frau Evelyn (73) bewohnt, haben sich neun weitere Nachbarn versammelt. „Wir sind heute aber nur ein Bruchteil der Betroffenen“, betont er. Mitte Dezember bekamen alle 98 Haushalte ihre Jahresabrechnung für das Jahr 2022 von ihrem Energieversorger Getec. „Da mussten wir uns erstmal hinsetzen“, erzählt der 74-Jährige. 2900 Euro sollten sie für die 93 Quadratmeter große Wohnung nachzahlen.
Getec-Nachzahlungen sorgen für Frust bei den Mietern
Gemeinsam mit Nachbarn starteten sie eine Umfrage, bei der 40 von 98 Haushalten antworteten. „Die Nachzahlungen liegen zwischen 1800 und 7000 Euro, in einem extremen Fall sind es sogar 12.000 Euro für eine 130-Quadratmeter-Wohnung. Zusammengerechnet sprechen wir von 151.000 Euro – und das sind ja nicht alle“, sagt Günther Helms (62) kopfschüttelnd. Er wohnt bereits seit 2018 hier. Irgendwie sei bei den Nachzahlungen immer der Wurm drin gewesen, erzählt er. Aber so schlimm sei es noch nie gewesen.
Das könnte Sie auch interessieren: Sozialwohnungs-Mangel: Hamburg verpulvert Millionen für zu hohe Mieten
Auch der 41-jährige Hakan Algan konnte es nicht glauben, als er den Getec-Brief öffnete. „Für das Jahr 2021 wollten sie bereits 1500 Euro für unsere Drei-Zimmer-Wohnung“, erinnert er sich. „Dagegen habe ich bereits Widerspruch eingelegt und seitdem nichts mehr gehört. Jetzt wollten sie für 2022 sogar 3000 Euro.“ Seine Abschläge hätten sich zudem deutlich erhöht, er zahlt inzwischen 350 Euro pro Monat. „Das ist wie ein Sparbuch, nur dass ich nichts zurückbekomme“, sagt er und muss bitter auflachen. Die anderen erzählen ähnliche Geschichten. Die Getec selbst blocke am Telefon ab.
Getec-Fall in Hamburg: Heizkosten höher als Miete
Hohe Nachzahlungsforderungen sorgen zur Zeit auch bei Christine Müller für Kopfzerbrechen. Die 56-Jährige ist Mieterin einer Wohnung an der Edward-Munch-Straße in Mümmelmannsberg – und ebenfalls Getec-Kundin. Das Unternehmen erzeugt im Stadtteil aus Erdgas Fernwärme, an Müllers Adresse hat es dafür eine Monopolstellung.
Für das Jahr 2022 soll die Rentnerin 2849 Euro nachzahlen, ihr monatlicher Abschlag erhöht sich von rund 80 auf 452 Euro. Dabei war der Energieverbrauch für ihre 68-Quadratmeter-Wohnung im Vorjahresvergleich um rund 20 Prozent gesunken. „Damit zahle ich mehr fürs Heizen als für die Miete, die beträgt 420 Euro“, sagt sie. Nach 33 Berufsjahren in der Altenpflege bezieht Christine Müller eine Erwerbsminderungsrente. Weder die Nachzahlung noch die neuen Abschläge kann sie sich nicht leisten – die Mieterin wird so zum Sozialfall.
Das Unternehmen beruft sich auf gestiegene Gaspreise
Getec-Sprecher Stefan Hofmeister widerspricht der Darstellung der Pinneberger Mieter, das Unternehmen blocke ab. „Wir haben stets versucht, die Preisentwicklung transparent zu erklären“, sagt er. Er erklärt die Heizkostenabrechnungen mit den sehr hohen Energiekosten im Jahr 2022. „Der Anstieg der Gaspreise an der Börse hat den European Gas Index auf Rekordhöhe getrieben.“ Dieser habe sich von 2021 zu 2022 um das 3,4-Fache erhöht, im Vergleich zu 2020 sogar um das 14-Fache.
Das könnte Sie auch interessieren: Vonovia verlangt immense Nachzahlungen in Hamburg – was der Mieterverein rät
Auch in Mümmelmannsberg sind der Getec zufolge die Wärmekosten explodiert, um 84 Prozent für die gesamte Liegenschaft. Durchschnittlich ergebe dies eine Mehrbelastung von 1700 Euro pro Kunde, wobei der Verbrauch von Christine Müller leicht über dem Schnitt liege. Dazu gab es offenbar einen Fehler in ihrer Abrechnung, in der eine bereits beglichene Altforderung in Höhe von 822 Euro auftauchte. Abzüglich dieser Position ergebe sich eine Restforderung von 2027 Euro – ein schwacher Trost. Immerhin: Die Abschlagshöhe für 2024 werde derzeit geprüft und solle sich „ab März ungefähr halbieren“.
Verbraucherschützer raten zum Widerspruch
Aber, so betont Hofmeister: Die Getec-Preise seien marktüblich und wichen nicht signifikant von anderen Anbietern ab. Dem widerspricht Ulf Ludwig von der Verbraucherzentrale in Schleswig-Holstein. Laut seiner Einschätzung seien die Preise am Nienkamp sehr wohl überdurchschnittlich, der Preisanstieg sei vom Unternehmen nicht zu rechtfertigen.
Das könnte Sie auch interessieren: Tödliches Gas: Wie Mieter eines Ottenser Hauses nur knapp dem Tod im Schlaf entkamen
Allen Betroffenen vom Nienkamp rät er, zunächst den Preiserhöhungen zu widersprechen und nur noch unter Vorbehalt zu zahlen. „Letztlich stehen betroffene Verbraucher dann vor der Entscheidung, ob sie gegen die Preiserhöhung gerichtlich vorgehen möchten“, ergänzt er. Die Verbraucherzentrale selbst wolle jetzt in einem Gespräch mit der Getec eine Lösung finden. Wenn das nicht klappt, könnte es vor Gericht gehen.