Tränen-Geständnis des Biomarkt-Räubers: „Ich beklaute sogar meine Kinder“
„Ich sitze hier richtig, ich bin der Täter“, sagt Jan B. (44) einsichtig zum Richter am Hamburger Landgericht. Der grauhaarige Mann sitzt neben seiner Verteidigerin und wird gleich in Tränen ausbrechen. Sechsmal soll er Filialen der Biomarkt-Kette „Tjadens“ überfallen haben, fünfmal allein den Markt an der Fruchtallee, dazu einen Pizzaladen. Wie er zum Räuber wurde? Vor Gericht kommt eine unglaubliche Geschichte über einen toten Koks-Kurier, die Mafia, Schläge, Erpressung und den brutalen Absturz eines Familienvaters ans Licht.
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„Ich sitze hier richtig, ich bin der Täter“, sagt Jan B. (44) einsichtig zum Richter am Hamburger Landgericht. Der grauhaarige Mann sitzt neben seiner Verteidigerin und wird gleich in Tränen ausbrechen. Sechsmal soll er Filialen der Biomarkt-Kette „Tjadens“ überfallen haben, fünfmal allein den Markt an der Fruchtallee, dazu einen Pizzaladen. Wie er zum Räuber wurde? Vor Gericht kommt eine unglaubliche Geschichte über einen toten Koks-Kurier, die Mafia, Schläge, Erpressung und den brutalen Absturz eines Familienvaters ans Licht.
Ein unscheinbarer 44-Jähriger sitzt auf der Anklagebank beim Landgericht. Seit über 20 Jahren sei Jan B. mit seiner Frau verheiratet, dreifacher Familienvater und nicht vorbestraft. Seit zwei Jahrzehnten arbeitet er im gleichen Job. Kaum vorzustellen, dass dieser Mann ein Serientäter sein soll. Die Anklage wirft ihm Raub in sechs Fällen vor – davon fünf in besonders schwerem Fall – sowie versuchte schwere räuberische Erpressung in einem Fall. Er soll zwischen 24. August 2021 und 6. Mai 2022 die Filialen einer Biomarkt-Kette überfallen haben.
Familienvater überfällt Biomarkt in Hamburg
Mit einer Soft-Air-Waffe in der Hand hatte der Täter im August den Biomarkt in Eimsbüttel betreten und Geld gefordert. Sein Aussehen verbarg er hinter einer Latex-Maske, die das Gesicht eines alten Mannes darstellt. Insgesamt fünf Mal überfiel er in dieser Aufmachung noch den gleichen Markt. Am 6. Mai 2022 überfällt er dann die „Tjaden´s“-Filiale an der Martinistraße. Sein letzter Überfall. Kurz darauf gelingt es Fahndern des mobilen Einsatzkommandos ihn zu stellen. Nun sitzt er hier vor Gericht. Erbeutet hatte er mickrige 4100 Euro.
Sichtlich bewegt schilderte der Mann vor Gericht, wie es so weit habe kommen können. Ein Freund habe Drogen im Körper geschmuggelt und sei irgendwann dabei gestorben. An dem Schmuggel hätten auch andere Leute verdient, Männer mit denen der Angeklagte auch in der Vergangenheit gelegentlich zu tun hatte. Er selbst habe sich aber geändert, eine Familie gegründet und nur noch selten Kokain genommen.
Bis Silvester 2011. Als er sich Stoff besorgen wollte, geriet er an einen Laden in dem er die Männer traf, mit denen auch sein verstorbener Freund gehandelt habe. Nach kurzem Smalltalk sei das Gespräch allerdings umgeschlagen, die Männer hätten ihn bedroht. Sie forderten, dass er für den finanziellen Schaden aufkomme, der ihnen durch den Tod seines Freundes und den damit verbundenen Verlust des Kokains entstanden sei.
Gericht: Angeklagter wurde in Hamburg bedroht
Mit einer Pistole am Knie sei diese Drohung noch einmal unterstrichen worden – 5000 Euro seien verlangt worden. Der Angeklagte nahm einen Kredit auf und zahlte. Bis zum Jahr 2018 sei dann Ruhe gewesen. Allerdings hätten die Männer dem Angeklagten dann an einer U-Bahn-Station aufgelauert. Mit einem Totschläger hätten sie den Angeklagten geschlagen, berichtet dieser: „Ich hatte in der Folge Panikattacken und fuhr nicht mehr mit der U-Bahn – aus Angst, dass mir die Männer wieder auflauern würden.“
Sie forderten wieder Geld – der Angeklagte zahlte. Diesmal aber in Raten. Jan B. nahm eigenen Angaben zufolge Kredite auf, lieh sich Geld von Freunden und Kollegen, stahl Wertvolles von Familienmitgliedern. „Ich bin sogar an die Spardose meiner Kinder gegangen“, sagte er schluchzend.
Überfall mit Alten-Maske und Soft-Air-Pistole
2020 sei Jan B. wieder U-Bahn gefahren, wieder wären die Männer dort gewesen und hätten auf ihn gewartet. Diesmal seien sie zu viert gewesen, hätten ihn verprügelt und erneut Geld gefordert. Zum zweiten Mal habe er einen Kredit aufgenommen. Auch seinen Ehering habe er ins Pfandhaus bringen müssen, zu groß sei der Druck der Männer gewesen. Der Angeklagte bricht zwischendurch immer wieder in Tränen aus. „Meine Familie habe ich belogen, niemand wusste warum ich immer blank war.“ Auch zu Trinken habe er wieder angefangen.
2021 habe er den Männern nicht mehr so viel zahlen können. Da sei der Druck erhöht worden. Der Angeklagte berichtet unter Tränen von seiner Sorge um die Kinder und um seine Frau: „Ich habe immer noch Angst vor denen, möchte eigentlich nicht einmal sagen wer sie sind, aber ich muss. Ich bin erleichtert, wenn es vorbei ist.“ Die Männer hätten ihm geraten „einen Raub zu machen“, währenddessen habe er eine Waffe am Knie gehabt.
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könne sich an die Überfälle kaum erinnern, wohl weil er auch getrunken hatte, sagt der 44-Jährige. Als er die Aufnahmen sieht, sei er schockiert gewesen. Er habe nach seiner Verhaftung einen Entzug gemacht und wolle sich nun entschuldigen – zunächst im Rahmen seines Geständnisses, später auch beim ersten Zeugen – einem Kassierer, den er überfiel.
Das Landgericht hat insgesamt zehn Verhandlungstage bis Mitte Dezember angesetzt. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.