Mieter entsetzt: Wie diese Bruchbude für Investor zur Goldgrube wird
In St. Georg soll ein Altbau abgerissen werden, obwohl die Mieter eigentlich durch die soziale Erhaltungsverordnung geschützt sind. Sieben zumeist ältere und ärmere Mieter verlieren dann ihre Wohnungen, in denen viele seit fast 40 Jahren wohnen. Der Bezirk Mitte hatte sich zunächst jahrelang geweigert, den Abriss zu genehmigen – doch nun sieht alles danach aus, als würde der Eigentümer siegen. Politiker und Experten sind entsetzt: Ist dieser „Skandal“ noch abzuwenden?
In St. Georg soll ein Altbau abgerissen werden, obwohl die Mieter eigentlich durch die soziale Erhaltungsverordnung geschützt sind. Sieben zumeist ältere und ärmere Mieter verlieren dann ihre Wohnungen, in denen viele seit fast 40 Jahren wohnen. Der Bezirk Mitte hatte sich zunächst jahrelang geweigert, den Abriss zu genehmigen – doch nun sieht alles danach aus, als würde der Eigentümer siegen. Politiker und Experten sind entsetzt: Ist dieser „Skandal“ noch abzuwenden?
An der Fassade bröckelt der Putz, über den Stuck ziehen sich hässliche Risse. Das etwa 100 Jahre alte Wohnhaus in der Brennerstraße hat schon bessere Zeiten gesehen. Offenbar wurde dort seit sehr vielen Jahren nichts instandgesetzt. „Die Wohnungen haben nicht einmal Bäder, die Duschen haben sich viele Mieter einmal selbst in der Küche eingebaut“, erzählt Stefan Budig (66).
Der Erzieher wohnt seit fast 40 Jahren in der Brennerstraße und hat es sich dort auf eigene Kosten nett gemacht. „Ich hab die Wohnung damals von einem Klassenkameraden übernommen“, erinnert er sich. Heute ist er im Stadtteil fest verwurzelt und hat schon an vielen umliegenden Schulen gearbeitet.
Mieter in St. Georg: Hausabriss – sie müssen ausziehen
Auch die meisten anderen Mietparteien leben dort seit 30 bis 40 Jahren, man kennt sich und hat eine gute Hausgemeinschaft. Den völlig veralteten Standard haben sie in Kauf genommen, weil die Mieten vergleichsweise niedrig waren und St. Georg ihre Heimat ist. Jeder hat eine andere Heizung, teils Kohleöfen, Gas oder elektrisch. „Gemacht wurde am Haus fast nie etwas“, sagt Budig.
Er erinnert sich, dass irgendwann in den 90ern mal die Fenster erneuert wurden. „Wir hatten zuletzt angeboten, das Treppenhaus selbst zu streichen und wollten nur die Farbe bezahlt bekommen“, erinnert er sich. „Aber selbst das wurde vom Eigentümer sofort abgelehnt.“ Seine Nachbarn haben teils kaum Geld, leben von einer Hartz-IV-Rente und sind schon 75 bis 83 Jahre alt.
„Wenn das Gebäude wirklich abgerissen wird, dann drohen einige dieser Menschen in Unterkünften zu landen“, fürchtet Michael Joho vom Einwohnerverein St. Georg. Eine bezahlbare Wohnung würden sie kaum finden.
In St. Georg soll ein Wohnhaus abgerissen werden
Laut der Senatsantwort auf eine Anfrage der Linken versucht der Eigentümer seit Jahren, das Haus abreißen zu lassen. So hatte er 2019 einen ersten Vorstoß gewagt, doch der Bezirk setzte einen Sachverständigen ein und lehnte dann den Antrag mit Verweis auf die soziale Erhaltungsverordnung ab. Deren Aufgabe ist es laut Vorgaben der Stadt Hamburg: „Verdrängungseffekten entgegenzuwirken und weitere Verluste von noch verbliebenem günstigem Wohnraum einzudämmen, um die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in diesen Quartieren zu erhalten. Insbesondere Menschen mit niedrigem Einkommen sind von Verdrängung in andere Gebiete bedroht.“
Doch der Hamburger Eigentümer ließ nicht locker, er legte im August 2022 eine Untersuchung der Bausubstanz vor. Der Bezirk prüfte erneut per Sachverständiger und attestierte dann letztendlich die „wirtschaftliche Unzumutbarkeit“ von Erhaltungsmaßnahmen.
Mittes Bezirkssprecherin Sorina Weiland versichert: „Wir haben wirklich all unsere Möglichkeiten ausgeschöpft.“ Noch gibt es keine Abrissgenehmigung, aber sie scheint nur noch eine Formalie zu sein. Offenbar gibt es nicht einmal die Möglichkeit, dem Eigentümer Auflagen zu machen. Er muss den Mietern weder Ersatzwohnungen besorgen noch ihnen ein Rückkehrrecht einräumen.
Einwohnerverein: Eigentümer hat nicht instandgehalten
„Warum muss der Eigentümer nicht einmal vorlegen, ob er in all den Jahren überhaupt irgendetwas instandgehalten hat?“, ärgert sich Michael Joho vom Einwohnerverein St. Georg. In diesen Fall ist die Immobilie noch nicht einmal durch viele Hände gegangen, sondern nur innerhalb der Familie vererbt worden – die Schuldigen sind also leicht auszumachen.
Heike Sudmann, Wohnexpertin der Linken, fordert mehr Engagement vom Bezirk: „Hier wird günstiger Wohnraum vernichtet, ohne dass der Bezirk versucht, sich mit allen Mitteln dagegen zu stemmen.“ Es sei weder für den Bezirk noch den Senat hinnehmbar, dass ein Abbruchantrag genehmigt werden solle, ohne dass Eigentümer nachweisen müssen, dass sie genug für Instandsetzung und Sanierung getan haben.
Mieterverein Hamburg: Das ist ein Skandal
Der Mieterverein zu Hamburg findet den Vorfall skandalös. „Die Instandhaltung zu unterlassen, darf sich für Eigentümer einfach nicht lohnen“, sagt der Vorsitzende des Mietervereins, Rolf Bosse. Dass das Haus wirklich nicht gerettet werden könne, glaubt er zudem gar nicht. Das sieht auch Mieter Budig so: „Wenn die Eigentümer jetzt jahrzehntelang Geld aus Mieteinnahmen bekommen haben ohne zu sanieren, dann müssen sie diese Summe dann eben jetzt für die Sanierung nachschießen.“
Die MOPO hatte mehrfach versucht, die Hamburger Eigentümer des Hauses für eine Stellungnahme zu erreichen, doch vergebens. Auch über die Hausverwaltung gelang das nicht.
Das könnte Sie auch interessieren: Strompreise steigen kräftig. Aber sollen Hamburger kündigen?
St. Georg ist ein lohnenswerter Stadtteil, um dort Wohnungen zu bauen. Die ärmere Bevölkerung wird immer mehr verdrängt zugunsten von wohlhabenderen Mietern und Käufern. Die Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen steigen jährlich um hunderte Euro und liegen dort mittlerweile bei 7716 Euro, der stadtweite Durchschnitt liegt bei 6400 Euro.
Dabei wohnen im Stadtteil mit 18 Prozent noch besonders viele ältere Menschen, die von Grundsicherung leben, in ganz Hamburg sind es nur acht Prozent. Es gibt auch bisher noch überdurchschnittlich viele Sozialwohnungen, doch viele laufen langsam aus der Sozialbindung und dürfen danach normal vermietet werden. Aber neue Sozialwohnungen werden in St. Georg kaum gebaut.
Die MOPO berichtete zuletzt über Mieter in der Danziger Straße in St. Georg, denen gekündigt wurde. Laut Michael Joho konnte für sie auch noch keine Lösung für eine neue Bleibe gefunden werden.