Bewährung für den Amokfahrer: Warum ist das Urteil so milde?
Er fuhr bedröhnt und im Suff in eine Gruppe Menschen, verletzte einen jungen Mann so schwer, dass der vermutlich lebenslang einen Gehstock braucht, zeigt vor Gericht keine Reue – und kommt doch mit einer Bewährungsstrafe davon. Das Urteil gegen den Amokfahrer Misel H. (32) sorgt für Diskussionen. Warum wird so jemand nicht härter bestraft? Die MOPO sprach mit der Anwältin des Unfallopfers.
Er fuhr ohne Führerschein, bedröhnt und im Suff in eine Gruppe Menschen, verletzte einen jungen Mann so schwer, dass der sein Bein nicht mehr nutzen kann, zeigt vor Gericht keine Reue – und kommt doch mit einer Bewährungsstrafe davon. Das Urteil gegen den Amokfahrer Misel H. (32) sorgt für Diskussionen. Warum wird so jemand nicht härter bestraft? Die MOPO sprach mit der Anwältin des Opfers.
Rechtsanwältin Rochina Anssari hat in dem Prozess den Sicherheitsmann Mamer G. (31) vertreten, dessen rechtes Bein bei der Amokfahrt im November 2017 vor einem Tonndorfer Bordell zertrümmert wurde und der in dem Prozess als Nebenkläger auftrat. Sie forderte fünf Jahre Haft, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung. Das Urteil am Donnerstag stattdessen: zwei Jahre auf Bewährung.

„Mein Mandant leidet extrem, auch fünf Jahre nach dem Vorfall“, sagt Anssari zur MOPO: „Und dann vertieft der Angeklagte das Unrecht noch durch sein Nachtatverhalten.“
Misel H., Vater von acht oder neun Kindern, so genau kann er sich nicht festlegen, saß gleichgültig und Kaugummi kauend im Gerichtssaal, äußerte weder Reue noch Einsicht: „Statt einer Entschuldigung wurde das Geschehen von dem Angeklagten auch noch bespöttelt. Das hätte das Gericht als strafschärfend werten können.“
Anwältin: „Urteil ist zu milde“
Das Urteil, sagt die Anwältin, sei zu milde: „Das Gericht hat die lange Dauer des Verfahrens und den Umstand, dass der Angeklagte sich in diesem Zeitraum nichts ,Neues‘ hat zuschulden kommen lassen, großzügig zu seinen Gunsten berücksichtigt, die stumpfe Schilderung des Geschehens und die abwegigen Erklärungsversuche des Angeklagten hingegen nicht strafschärfend berücksichtigt.“
Tatsächlich haben der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Wandsbek und zwei Schöffinnen dem Vielfach-Vater zugute gehalten, dass er bislang unbestraft war und die Amokfahrt, die auf Video aufgenommen wurde, „gestanden“ hat. Außerdem sei er durch Alkohol und Kokain enthemmt gewesen, was laut Gesetz auch strafmildernd wirkt. Die schlimmen Folgen für das Opfer und die nicht vorhandene Reue wurden dagegen weniger stark gewichtet.
Staatsanwaltschaft kündigt Berufung an
Die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre und zwei Monate gefordert, ohne Bewährung. Die Ankläger wollen Misel H., der weder Ausbildung noch Arbeit hat, hinter Gitter sehen: „Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt, das Rechtsmittel der Berufung einzulegen“, so eine Sprecherin auf MOPO-Nachfrage.
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Rochina Anssari wird das Urteil nicht anfechten, auch wenn sie es für ungerecht hält: „Mein Mandant möchte einen Schlussstrich ziehen und nicht noch einen weiteren Prozess durchstehen. Er hat dafür keine Kraft.“
Im Gerichtssaal hatte der große, kräftige Mann bei seiner Aussage mit den Tränen gekämpft. Der Amokfahrer hingegen verließ den Saal nach dem Urteil mit einem gut gelaunten „Ich danke allen.“ In seiner Begleitung: Seine Freundin, schwanger mit Zwillingen.