Hamburger Hilfskonvoi-Gründer: „Ich habe so viel Elend gesehen“
Er konnte nicht einfach zusehen. Als 2016 die europäischen Grenzen abgeriegelt wurden, saßen viele Geflüchtete in Griechenland fest. „Tausende hausten monatelang unter elenden Bedingungen an der Grenze.“ Christian Großeholz (58) war schockiert von den Bildern und entschied kurzerhand: Sein Frankreich-Urlaub fällt aus. Er fuhr mit seiner Freundin nach Griechenland, um zu helfen. Eine Reise mit Folgen.
Christian ist eher der unkonventionelle Typ. Er hatte schon etliche Jobs, war in etlichen Städten. Seine 20-jährige Tochter ist bei der Mutter aufgewachsen. Er lebt mit einem Mitbewohner in einer WG in Altona. Und macht sich stark für andere. Nachdem er 2015 den Verein „Westwind Hamburg e.V.“ gegründet hat, um Bedürftige mit Fahrrädern zu versorgen, folgte die Reise nach Griechenland. Er war bereits gut vernetzt und hatte Spenden, Fahrzeuge und weitere Helfer organisiert.
Mit einem Zwölftonner von „Hanseatic Help“ und einem 3,5-Tonner voller Hilfsgüter fuhren sie los. Doch noch während sie auf der Anreise waren, wurde das wilde Camp an der Grenze aufgelöst. Die Geflüchteten kamen in provisorischen, überfüllten Unterkünften unter. Viele in alten Industrieanlagen rund um die Stadt Thessaloniki. Eine davon ist Christian besonders in Erinnerung geblieben. Eine stillgelegte Ledergerberei. Der Boden voller Chemikalien. Darauf die Schlaflager. „Es waren Hunderte von Menschen in der Produktionshalle. Ein trauriger Anblick.“ Besonders berührten ihn die Begegnungen mit den Kleinsten. „Die Kinder tollten durchs Lager, spielten und lachten. Für sie war es keine Flucht, sondern ein großes Abenteuer. Sie wussten nicht, was passiert und was auf sie zukommt.“
„Geben, wenn man selber gar nichts hat. Diese Gastfreundschaft hat mich schwer gerührt“
Christian, seine damalige Freundin und die zwei Mitstreiter hatten 1000 Schlafsäcke, Kleidung und Hygieneartikel dabei. Doch das reichte bei weitem nicht. In der Heimat waren die Sachen über – da „Hanseatic Help“ gerade die Kleiderkammer in den Messehallen auflösen musste und die Lager überfüllt waren. Überfluss in Hamburg – große Not in den Camps. Aber wie sollten die Sachen nach Griechenland kommen? Eine Schweizer Hilfsorganisation, die zeitgleich vor Ort war, bot Hilfe an und stellte einen Sattelzug zur Verfügung. „Das war der Kick, der Beginn des Hamburger Hilfskonvois.“
Mehrfach fuhr Christian noch selber, um Hilfsgüter nach Griechenland zu bringen. Am meisten bewegt hat ihn eine Reise ins Camp „Vial“ auf der griechischen Insel Chios. Ausgelegt für 800 Menschen. „Aber es waren bestimmt 3000 da. Überall Müll und Schlamm. Kaum Essen. Kaum sanitäre Anlagen. Ich habe so viel Elend gesehen.“ Er berichtet von Menschen, die sich aus Ästen und Planen notdürftig eine Bleibe im Schlamm gebaut hätten. Wie ein Mann aus Syrien. „In diesem ganzen Dreck hat er versucht, sich etwas aufzubauen.“ Als er Christian sah, winkte er ihn heran. Zu einem Lagerfeuer, auf dem Tee kochte. Er deutete ihm an, sich zu setzen und gab ihm einen Becher. „Da habe ich die Fassung verloren. Geben, wenn man selber gar nichts hat. Diese Gastfreundschaft hat mich schwer gerührt und tut es bis heute“, sagt er mit leiser Stimme.

Immer wieder wurden Spenden in Hamburg gesammelt und in den Camps verteilt. Lange lief die Hilfe unter dem Dach von „Westwind“. „Doch das wurde beides einfach zu groß.“ Deshalb wurde 2020 der „Hamburger Hilfskonvoi e.V.“ gegründet. 130 bis 150 Paletten verschickt der Verein im Jahr. In Hamburg werden die Spenden gesammelt, sortiert und verpackt. Eine Spedition bringt sie zu Partnerorganisationen auf Lesbos, Samos und Chios und in Thessaloniki, die dauerhaft vor Ort sind und die Hilfsgüter dorthin bringen, wo sie gebraucht werden. „Es macht mich fassungslos, dass es in diesen Camps an allem fehlt. Es wäre Aufgabe der Regierung, eine Grundversorgung zu gewährleisten“, sagt der Mitgründer und Vorsitzende des Vereins. Für ihn liegt es auf der Hand. „Die Geflüchteten in Griechenland bekommen nur das Allernötigste, weil es der Abschreckung dient.“ Selbst nach Decken würden sie immer wieder gefragt werden.
„Dass wir überhaupt so viele Decken liefern können, liegt an der Hilfe unserer Nachbarn.“ Der Verein, für den 30 Ehrenamtliche arbeiten, ist seit zweieinhalb Jahren im Zentrum für Soziallogistik. Ein Lagerhallen-Komplex an der Schnackenburgallee (Bahrenfeld), den sich zehn Organisationen, die Bedürftigen und Geflüchteten helfen, teilen. Unter anderem „Hanseatic Help“, der Duschbus „Go Banyo“, der ukrainische Hilfsstab und „Der Hafen Hilft“.
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Zweimal im Monat ist Spendenannahme. Häufig werden Kinder- und Frauenklamotten abgegeben. Es mangelt jedoch an Herrenbekleidung und -Schuhen, neuer Unterwäsche und Hygieneartikeln – insbesondere für Frauen. „Was auch häufig nicht bedacht wird, sind Sonnen- und Moskitoschutz. Ein Camp in Griechenland liegt mitten im Wald an einem See, ein anderes in einem Sumpfgebiet. Da haben die Bewohner richtig Probleme mit Insekten.“
Für die Spendenannahme sucht der „Hamburger Hilfskonvoi“ weitere Ehrenamtliche. Wer Interesse hat, wendet sich per Mail an: Kontakt@Hamburgerhilfskonvoi.de

Die Bessermacher ist eine Aktion von der MOPO und der HASPA.
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Kartons, Paletten und Folie für die Transporte
Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen auch finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung.
Die Haspa hat bereits mehrfach Spenden-Sammelaktionen in den Filialen gestartet und damit Vereine des Zentrums für Soziallogistik unterstützt. Zudem konnte der „Hamburger Hilfskonvoi“ über die Haspa-Spendenplattform „WirWunder“ bereits knapp 200.000 Euro sammeln. „Wir leben hier im Überfluss, während an vielen Ecken Europas das Nötigste fehlt. Der Hamburger Hilfskonvoi bringt das zusammen. Das ist nicht nur dringend nötig, sondern nebenbei auch nachhaltig“, sagt Cigdem Göncü von der Haspa-Filiale Eidelstedt.
Der „Hamburger Hilfskonvoi“ benötigt dringend neues Verpackungsmaterial für die Transporte. Paletten, Kartons und Folie sollen angeschafft werden. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung aus den Mitteln des Haspa-Lotteriesparens.
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