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Stefanie Engelbrecht (45), Gründerin von Minitopia.
  • Stefanie Engelbrecht (45), Gründerin von Minitopia.
  • Foto: Florian Quandt

Wie eine Hamburgerin im Industriegebiet eine eigene kleine Welt schuf

Besonders sozial aufgewachsen ist Stefanie „Stevie“ Engelbrecht (45) eigentlich nicht. Auch waren ihre Eltern nicht im Umweltschutz aktiv. Woher ihre Berufung kommt? Die Frau mit dem herzlichen Lachen zuckt mit den Schultern. Eigentlich ist sie Juristin. Menschenrechtsanwältin bei der UNO – das war ihr Traum. Heute lebt Stevie einen anderen. Sie ist Gründerin von „Minitopia“ – einer eigenen kleinen Welt inmitten von Fabriken und Lagerhallen im Industriegebiet von Wilhelmsburg.

Das erste Mal mit sozialer Arbeit in Kontakt gekommen ist Stevie zwischen erstem Staatsexamen und Referendariat. Sie hatte einen Job beim Quartiersmanagement, das Gelder an Vereine und Initiativen vergibt. Stevie half bei den Anträgen. „Wenn man nach dem zehnten Mal Lesen noch immer nicht weiß, was die eigentlich machen – ganz schlecht.“ Denen Geld geben, die es brauchen. Und es denen nehmen, die es haben. Das wurde zu ihrer Berufung. Stevie gründete den Verein „Alternation“, in dem mehrere Initiativen aktiv sind. Auch „Minitopia“. Ein soziales, nachhaltiges Projekt, bei dem es um Selbstversorgung und gemeinsames Gestalten geht.

Die Bessermacher – eine Aktion von MOPO und Haspa MOPO
Bessermacher

Ein Grundstück mit Halle, großem Garten und Nebengebäuden

Zwischen gigantischen Fabriken und Pferdewiesen liegt das Gelände an der Georg-Wilhelm-Straße. Ein Grundstück mit Halle, großem Garten und mehreren Nebengebäuden. Vor dem weißen Haupthaus steht eine Frau mit dicker Wollmütze, Schal und gemusterter Strumpfhose. Sie telefoniert – wie so oft. Als Projektleiterin ist sie schwer gefragt. Stevie, wie sie von allen nur genannt wird, hat gemeinsam mit ihrer Freundin Käthe Schäfer-Spang diese kleine Welt vor knapp fünf Jahren ins Leben gerufen.

Das Gelände liegt an der Georg-Wilhelm-Straße – mitten im Industriegebiet. Florian Quandt
Das Gelände liegt an der Georg-Wilhelm-Straße.
Das Gelände liegt an der Georg-Wilhelm-Straße – mitten im Industriegebiet.

Harte Arbeit. Die Halle war vorher eine Lasterwerkstatt. Der Garten: ein Schrottplatz. Wenig einladend. „Aber genau so was habe ich gesucht. Es ging um Urban Gardening.“ Erst einmal standen aber drei Monate Müll beseitigen, putzen und Elektrik erneuern an. Mit vielen Helfern, die „Minitopia“ mitgestalten wollten. „Jeder, der sich die aktuelle Lage anschaut, kann sich entweder die Kugel geben, wegschauen oder selber aktiv werden. An den großen Schrauben drehen können wir nicht. Aber an den kleinen“, sagt Stevie entschieden.

Hier wurde ein Nachhaltigkeitsort geschaffen

Und das haben sie geschafft. Heute ist aus zahlreichen Ideen ein vielfältiger Nachhaltigkeitsort geworden. Mit Projektküche, in der gemeinsam gekocht wird. Upcycling-Atelier, in dem mal Schönes, mal Nützliches entsteht. Selbstversorgerbeeten, die pro Saison von einem festen Team gepflegt werden. Und nachhaltigen Projekten für Schulen. Dazu noch Kindertheater, Lesungen und mehrere Vereine, die auf dem Gelände aktiv sind. „Wir sind da offen für alles. Hier kann jeder gegen eine geringe Miete seine Ideen verwirklichen. Platz genug haben wir.“ Allerdings. Die Werkstatt ist eine große Halle, die manchmal für Hochzeiten, Betriebsfeiern oder Seminare vermietet wird. Damit finanziert der Verein die Miete.


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Für Stevie ein echter Knochenjob. Vorher muss alles raus und ordentlich sauber gemacht werden. Putzen, das sei der eigentliche Schwerpunkt ihrer Arbeit. „Das muss ich durchgehend. Und den Jungs in den Hintern treten, weil wieder alles in der Werkstatt verstreut ist.“ Nervig. Ihren Job liebt sie trotzdem. Wegen der kleinen Momente. Wenn Gundula vorbeikommt. Eine Seniorin, die ein „Fan der ersten Stunde“ ist. „Sie kann kaum noch laufen, bringt uns aber regelmäßig Bastelsachen. Bei Veranstaltungen ist sie die Fee im Hintergrund. Schnippelt Gemüse, spült das Geschirr“, sagt Stevie.

„Was daraus entsteht, ist wie Magie“

Diese vielen kleinen Gespräche, kleinen Gesten – das ist für Stevie das Besondere an dem Projekt. „Wir können hier Angebote machen. Was dann aber daraus entsteht, ist wie Magie. Das kann man nicht planen.“ Wichtig ist ihr, offen für alle zu sein. „Hier darf nur mitmachen, wer Fahrrad fährt, Vegetarier ist oder Linke gewählt hat – das will ich nicht. Mir ist wichtig, dass sich die Leute Minitopia einfach nehmen. Das ist hier kein exklusiver Club“, sagt die braunhaarige Frau und dreht sich eine Zigarette. Das Telefon klingelt. Stevie fällt es schwer, nicht ranzugehen. Abschalten? Puh, das könne sie nicht gut. „Ich arbeite gerade dran, mich mal ein bisschen zu bremsen.“ Mal „Nein“ sagen. Wenigstens sonntags freimachen.

„Hier darf nur mitmachen, wer Fahrrad fährt, Vegetarier ist oder Linke gewählt hat – das will ich nicht. Mir ist wichtig, dass sich die Leute Minitopia einfach nehmen. Das ist hier kein exklusiver Club“, so Stevie. Florian Quandt
„Hier darf nur mitmachen, wer Fahrrad fährt, Vegetarier ist oder Linke gewählt hat – das will ich nicht. Mir ist wichtig, dass sich die Leute Minitopia einfach nehmen. Das ist hier kein exklusiver Club“, so Stevie.
„Hier darf nur mitmachen, wer Fahrrad fährt, Vegetarier ist oder Linke gewählt hat – das will ich nicht. Mir ist wichtig, dass sich die Leute Minitopia einfach nehmen. Das ist hier kein exklusiver Club“, so Stefanie „Stevie“ Engelbrecht.

Häufig ist Stevie sieben Tage die Woche in Wilhelmsburg. Dabei lebt sie nicht gerade um die Ecke. Mit Freunden, ihrem Bruder und der Mutter hat sie einen ehemaligen Landgasthof in Königsmoor bei Tostedt gemietet. Eigentlich auch der Nachhaltigkeit wegen.

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In der Nähe hat sie eine Solidarische Landwirtschaft gegründet – mit mittlerweile 650 Mitgliedern. Gemeinsam wird ein Bauernhof mit Gemüsegärtnerei betrieben. Ein „Mutterbetrieb“ steuert Fleisch und Getreide bei. Menschen zusammenbringen, Netzwerke aufbauen – das kann Stevie. Sie fühle sich berufen, über ihren eigenen Kosmos hinauszugehen. „Ich will anderen helfen. Weil ich es kann“, sagt sie und fügt direkt hinzu: „Und weil es nötig ist.“

So wird „Minitopia“ nun geholfen

Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen auch finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung.

„Minitopia“ braucht Unterstützung. Florian Quandt
„Minitopia“ braucht Unterstützung.
„Minitopia“ braucht Unterstützung.

„Minitopia“ wünscht sich eine Infrarot-Heizung mit Strahlern, die einzelne Arbeitsplätze in der Werkstatt beheizen. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung durch Fördermittel aus dem „Haspa LotterieSparen“. Zudem werden die Haspa Mannesallee und Neuenfelder Straße die Patenschaft für das Projekt übernehmen. „Wir werden Minitopia als Projektpate tatkräftig unterstützen. Wenn es die Pandemie wieder zulässt, werden wir an unseren beiden Standorten mit Kollegen und Kunden helfen, den Verein voranzubringen“, sagt Ergün Yurdakan, Leiter der Haspa Mannesallee.

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Wie es durch die Hilfe mit dem Projekt vorangegangen ist, erfahren Sie im „Bessermacher“-Recall. Die MOPO bleibt dran und berichtet.

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