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Juliana Knopp am heimischen Schreibtisch
  • Juliana Knopp war nach Bremen gezogen um zu studieren, vom typischen Studentenleben bekam sie nicht viel mit.
  • Foto: MOPO

Fertig mit der Schule – und jetzt? Wie Corona die Perspektiven nimmt

Abi in der Tasche – und nun? Wer noch keinen genauen Plan für seine Zukunft hat, nimmt sich erstmal eine Auszeit: Reisen, Praktika, Aupair. Auch Juliana Knopp hätte die Zeit gebraucht, sich zu orientieren. Doch in einer Pandemie ist das kaum möglich. Mangels Alternativen entschied sie sich 2020 wie viele junge Menschen für ein Studium – ein Entschluss, den sie nun bereut.

Juliana Knopp aus Sasel war im Sommer 2020 mit der Schule fertig und zunächst total aufgeschmissen. Eigentlich wollte sie ein Überbrückungsjahr machen und die Welt bereisen – doch die Pandemie machte ihr einen Strich durch die Rechnung. „Als klar war, dass mir sonst nicht viel blieb, habe ich mich kurzerhand für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre in Bremen entschieden.“

Was die 19-Jährige damals noch nicht wusste: Sie würde die Universität nur ein einziges Mal betreten – und dann ein ganzes Jahr nicht. Eine kurze Tour über den Campus gab es noch, danach nur noch Online-Vorlesungen in ihrem kleinen WG-Zimmer. „Das war eine schwierige Zeit, ich hab mich verloren und hilflos gefühlt.“

Juliana freute sich aufs Studentenleben – und wurde bitter enttäuscht

Petra Cämmerer, Berufs- und Studienberaterin bei der Agentur für Arbeit in Hamburg, erlebt viele solcher Schicksale. Sie spürt vor allem Verunsicherung bei den jungen Leuten: „Die Berufswahl fällt schwerer. Es ist alles noch undurchsichtiger geworden. Viele fragen sich, welche Branchen Zukunft haben und welche nicht.“ Seit der Pandemie stellt sie fest, dass sich vermehrt Schulabgänger in ein Studium stürzen, nur um etwas Sicheres zu haben. Nicht selten geht das schief.


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So war es auch bei Juliana. Die Mischung aus Online-Lehre und einem Studiengang, der sie nicht begeisterte, führte zu Frust. Lange versuchte sie noch, die Motivation wiederzufinden, nach einem Jahr brach sie ab. „Wenn ich vorher mehr Zeit gehabt hätte, mich zu orientieren, hätte ich mich vielleicht gleich für ein Studium entschieden, das besser zu mir passt“, sagt sie.

Kein Bock auf Online-Uni: Viele junge Menschen orientieren sich neu

Wie ihr geht es vielen: 2020 haben laut dem Statistischen Bundesamt so viele Abiturient:innen wie noch nie direkt nach der Schule ein Studium begonnen. 185.000 junge Menschen waren es, etwa fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Petra Cämmerer: „Bei mir rufen viele an, die dann mit der Online-Uni nicht klarkommen. Diejenigen brechen oft das Studium ab, um etwas Praktisches, wie eine Ausbildung zu machen.“

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Doch auch da sorgt die Pandemie für Probleme. Dario Schramm, ehemaliger Bundesschülersprecher, erklärt: „Aus Erfahrung kann man sagen, dass viele Schüler:innen ihren späteren Ausbildungsplatz in den schulischen Pflichtpraktika finden.“ Wenn diese Praktika pandemiebedingt nicht stattfinden können, führt das zu echten Problemen. Durch Kurzarbeit und Homeoffice konnten viele Unternehmen zudem keine Ausbildungsplätze mehr anbieten.

Junge Menschen müssen besser auf ihre Zukunft vorbereitet werden

In Zeiten, in denen Berufsmessen und Schnuppertage nicht möglich sind, würde sich Schramm eine nachhaltigere Talentförderung in den Schulen wünschen, ein Thema, dass er auch in seinem neuen Buch erklärt. „Wenn man die Schule verlässt muss man wissen, was sind meine Stärken und Schwächen, wo liegen meine Interessen?“ sagt er.

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Genaue Zahlen zu Studierenden, die wie Juliana wegen fehlender Orientierung ihr Studium abbrechen, gibt es laut Universität Hamburg noch nicht. „Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden unter Umständen erst zu einem späteren Zeitpunkt sichtbar“, so ein Sprecher.

Juliana jedenfalls will jetzt ihren Traum vom Reisen nachholen, bevor sie anfängt, im Oktober Architektur zu studieren. Diesmal geht sie auf Nummer sicher und macht vorher noch ein Praktikum. Die Hoffnung auf einen Neuanfang ist groß.

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