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Belastendes Gutachten: Hamburger Erzbischof soll Missbrauchsfälle vertuscht haben

Hat der Hamburger Erzbischof Stefan Heße bei seiner früheren Tätigkeit in Köln geholfen, Kindesmissbrauch durch Kleriker zu vertuschen? Ein vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in Auftrag gegebenes anwaltliches Gutachten belastet Heße: Er sei gleichgültig und ihm fehle Problembewusstsein. Der Erzbischof weist das zurück.

Bei den Vorwürfen geht es um Heßes frühere Tätigkeiten als Personalchef und Generalvikar im Kölner Erzbistum. Laut Zeit-Beilage „Christ & Welt“ heißt es in dem bislang unveröffentlichten Gutachten: „Dieser Befund gestattet die Schlussfolgerung, dass es sich bei den Unzulänglichkeiten, einschließlich fehlender Opferfürsorge, nicht um Einzelfälle handelt, sondern um regelmäßig wiederkehrende, durchgängig festzustellende Mängel in der Sachbehandlung von Missbrauchsfällen basierend auf einer indifferenten, von fehlendem Problembewusstsein geprägten Haltung des Dr. Heße gegenüber Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker.“

Gutachten: Hamburger Erzbischof soll Missbrauchsfälle vertuscht haben

Das Gutachten der Münchner Anwälte kritisiert Heßes Verhalten in sechs Fällen. Darunter ist auch ein Fall, in dem sich ein Betroffener von Missbrauch 2011 meldete. Die Glaubwürdigkeit seiner Aussage wurde angezweifelt. Schließlich zog der Betroffene die Aussage zurück. 

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Gab das Gutachten in Auftrag: Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln und früherer Vorgesetzter von Stefan Heße.

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Im Interview mit „Christ & Welt“ lässt Heße durchblicken, dass es sich bei den sechs kritisierten Fällen gar nicht um Kindesmissbrauch gehandelt habe: „In einem Fall war der mutmaßliche Betroffene zum Beispiel bereits erwachsen.“ Warum er den Hilfesuchenden die Glaubwürdigkeit absprach, wollte Heße mit Verweis auf den Datenschutz nicht erläutern.

Es sei schwierig gewesen, mit solchen Fällen umzugehen. „Wir sind nun mal nicht die Polizei oder Staatsanwaltschaft. Unsere Möglichkeiten, die Wahrheit zu recherchieren, sind begrenzt“, so Heße: „Ich sehe darin kein fehlendes Problembewusstsein, ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.“

Erzbistum Hamburg gegen Veröffentlichung des Gutachtens

Im März 2020 sollte die Studie in Köln vorgestellt werden. Die Pressekonferenz wurde jedoch abgesagt, nachdem das Erzbistum Hamburg eingeschritten war: Der Justiziar des Erzbischofs hatte die Studie, die Heße belastet, für rechtswidrig erklärt, unter anderem, weil sie das Persönlichkeitsrecht des Erzbischofs verletze.

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Stefan Heße, Erzbischof von Hamburg, predigt bei einem Fronleichnamsgottesdienst.

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„Ich habe auf datenschutzrechtliche und persönlichkeitsrechtliche Aspekte hingewiesen“, bestätigt Heße gegenüber „Christ & Welt“. Er habe sich als Personalchef in seine Aufgabe gestürzt. „Für mich kann ich ausschließen, dass ich jemals versucht hätte, Täter zu schützen oder Taten zu vertuschen.“

Hamburger Erzbischof Heße: 3000 Euro für Missbrauchsopfer der Kirche

Einem Missbrauchsopfer sprach Heße als Personalverantwortlicher in Köln magere 3000 Euro als „Anerkennungsleistung“ zu. Die Summe sei nicht angemessen, räumt der Geistliche gegenüber „Christ & Welt“ ein. Er habe sich dabei an die Empfehlung der Zentralen Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz gehalten. Außerdem sei „Fürsorge für die Betroffenen mehr als Geld“.

Heße war von 2006 bis 2012 Hauptabteilungsleiter Personal Seelsorge, von 2012 bis 2014 Generalvikar in Köln und damit einer der wichtigsten Mitarbeiter des damaligen Kardinals Joachim Meisner. Er habe jeden Missbrauchsfall direkt Meisner vorgelegt und ihn immer auf dem aktuellen Stand gehalten, so Heße. „Die Letztentscheidung lag bei Kardinal Meisner.“ 

Erzbischof Heße: „Gutachten hat keine Grundlage“

Auf MOPO-Nachfrage erklärt der Erzbischof: „Ich habe von Anfang an eng mit der Münchner Kanzlei Westphal, Spilker, Wastl, die für das Erzbistum Köln die Untersuchung erarbeitet, kooperiert. Ich bin der Auffassung, dass ich in den Fällen, die dort aufgeführt werden, mit guten Argumenten und Hinweisen auf handwerkliche Unzulänglichkeiten in der Recherche eine vollkommen gegenteilige Sicht der Dinge aufgemacht habe: Wir haben die Fälle, mit denen dieser Befund von den Münchner Anwälten begründet wurde, anhand der Akten überprüft, die uns allerdings erst nach mehrmaligem Drängen zur Verfügung gestellt wurden. Danach hat dieser Befund der Münchner Kanzlei keinerlei Grundlage.“

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