Bei Anruf Koks: Tiefe Einblicke in die Szene der „Drogen-Taxis“
Es ist so leicht, wie Pizza bestellen: Wer in Hamburg Koks, Gras oder Ecstasy konsumieren will, braucht nur die richtige Handynummer. Der Dealer bringt den Stoff wohin der Kunde möchte – wenn gewünscht, dann auch nach Hause. Vor dem Landgericht Hamburg startete jetzt ein Prozess gegen den Drogen-Fahrer Sasan M. (31) wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Die MOPO erklärt, wie das System funktioniert, wie die Polizei ermittelt und was den Tätern droht.
Wer sich einen vorlauten Proll vorgestellt hat, wird enttäuscht: Sasan M. (31) könnte Doktorand sein. Einer, den alle Professoren für seine „ruhige, zurückhaltende Art“ loben. Doch M. sitzt in seinem weinroten Strickpulli mit Zopfmuster nicht in einem Büro der Universität – sondern auf der Anklagebank beim Landgericht Hamburg. Der Vorwurf gegen ihn: bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen. M. soll Fahrer eines „Drogen-Taxis“ sein. Bedeutet: Er liefert seinen Kunden auf Wunsch Koks, Marihuana oder Ecstasy – und das bis vor die Haustür. Die Banden sind gut organisiert. Das System funktioniert wie ein Lieferservice für Essen.
Es ist so leicht, wie Pizza bestellen: Wer in Hamburg Koks, Gras oder Ecstasy konsumieren will, braucht nur die richtige Handynummer. Der Dealer bringt den Stoff wohin der Kunde möchte – wenn gewünscht, dann auch nach Hause. Vor dem Landgericht Hamburg startete jetzt ein Prozess gegen den Drogen-Fahrer Sasan M. (31) wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
Wer sich einen vorlauten Proll vorgestellt hat, wird enttäuscht: Sasan M. (31) könnte Doktorand sein. Einer, den alle Professoren für seine „ruhige, zurückhaltende Art“ loben. Doch M. sitzt in seinem weinroten Strickpulli mit Zopfmuster nicht in einem Büro der Universität – sondern auf der Anklagebank beim Landgericht Hamburg. Der Vorwurf gegen ihn: bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen.
Hamburg: Hat Angeklagter Koks und Ecstasy geliefert?
M. soll Fahrer eines „Drogen-Taxis“ sein. Bedeutet: Er liefert seinen Kunden auf Wunsch Koks, Marihuana oder Ecstasy. „Die Drogen-Taxis funktionieren fast wie ein normaler Pizza-Lieferdienst“, erklärt Liddy Oechtering, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. „Die Kunden bestellen Betäubungsmittel, in der Regel telefonisch oder über Messenger-Dienste. Diese werden von Fahrern dann an die gewünschte Adresse geliefert.“
„Jimmy und Flummi“ heißen die Chefs von M.s Organisation, kommt beim Prozess heraus. Die Kommunikation läuft über Telegram, Signal oder Whatsapp. Die Täter sind als Bande organisiert, jeder hat seine Rolle. Einige sind Fahrer, andere sind für die Kunden-Kommunikation zuständig, wieder andere packen die Drogen ein oder planen die Dienst-Schichten.
Handy von Dealer gefunden – Hausdurchsuchung
Der Angeklagte hört aufmerksam zu, als die Zeugin und LKA-Beamtin Lanz berichtet, wie er über Umwege ins Visier der Ermittler kam: allgemeine Verkehrskontrolle, Drogenfund in einem Auto, Hausdurchsuchung bei dessen Besitzer. Dabei wird ein Handy von M. gefunden. Darauf folgt auch bei ihm eine Hausdurchsuchung. Fund: 300 Gramm Marihuana, ungefähr 1000 Euro in bar und sechs Handys.
Lanz gehört zu dem Team, das die Handys auswertet. Die beschlagnahmten Telefone sind für die Beamten ein „Who is Who“ der bösen Jungs. Welche Nummern sind bekannt? Bei welchen wurden Daten hinterlegt? Wo helfen die Profilbilder weiter? Gibt es in den Chats Verweise auf Geburtstage, Adressen oder sogar Führerscheine? „So konnten wir zusammensetzen, wer die Personen sind,“ erklärt die LKA-Beamtin das Vorgehen. Der Angeklagte M. habe sich dabei als unerfahren gezeigt, bestätigt sie auf Nachfrage der Verteidigung: über seine Handynummern konnten sie seinen Klarnamen herausbekommen.
Kokain: Handel nimmt in Hamburg stark zu
Der Handel mit Kokain hat in Hamburg extrem zugenommen. Nie kam soviel Koks in die Hansestadt wie vergangenes Jahr: Alleine 18 Tonnen wurden sichergestellt. Im Vergleich: 2020 waren es „nur“ acht Tonnen. Natürlich bleibt das nicht alles in Hamburg, aber ein Teil eben schon. Und der Konsum steigt. 2019 gab es in Hamburg 81 Drogentote, zehn mehr als noch im Vorjahr und der höchste Stand seit knapp 20 Jahren. Meist sterben die Menschen nicht an einer einzelnen Droge wie Heroin oder Kokain, sondern am sogenannten Mischkonsum.
Auch die Anzahl der Verfahren gegen die Szene der Drogen-Taxis nimmt zu, so die Staatsanwaltschaft. Die genaue Zahl der Verfahren wird statistisch nicht gesondert erfasst. Die Koks-Taxis passen in die Zeit: flexibel, schnell, immer erreichbar. Alle paar Wochen oder Monate bekommt der Kunde eine SMS. Dann wird eine neue Nummer bekannt gegeben – mit einem Service-Tipp à la „Öffnung auch an den Feiertagen“. Wie bei einem normalen Lieferdienst.
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M. ist nicht der einzige Fahrer, der aufgeflogen ist. Derzeit laufen zwei weitere Hauptverhandlungen, eine vierte startet Ende Januar. Wenn M. verurteilt wird, droht ihm eine Mindeststrafe von fünf Jahren Haft.