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  • 1901-1903: Ausbau des Osterbekkanals bis zum Löschplatz am Lämmersieth zur gewerblichen und industriellen Erschließung Barmbeks auf dem Wasserweg. Hinten ist die Hufnerstraßen-Brücke und rechts die New York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie AG zu sehen.
  • Foto: Sutton Verlag

Beeindruckende Bilder: Sie glauben nicht, wie es früher im Hamburger Norden aussah

Vor 200 Jahren befand sich dort, wo heute Barmbek ist, nichts. Nichts außer einem Dörfchen mit zwölf größeren und ein paar kleineren Bauernhöfen und ausgedehnten Wiesen drumherum, auf denen Kühe weideten. Aber dann ging mit einem Mal alles ganz schnell. 1867 lebten noch 6000 Menschen in Barmbek, 13 Jahre später schon 22.000, zu Beginn des Ersten Weltkrieges 100.000 und als der Zweite Weltkrieg ausbrach sogar 223.000. Eine Explosion. 

„Barmbek-Nord. Einst & Jetzt“ heißt ein toller Bildband, den der Sutton-Verlag soeben herausgebracht hat, und der sich der städtebaulichen Entwicklung des Stadtteils widmet.

Buch

Silke Rückner/Katja Krumm: Barmbek-Nord – einst & jetzt, Sutton-Verlag, 19,99 Euro

Foto:

Olaf Wunder

Auf 120 Seiten zeigen die Autorinnen Silke Rückner und Katja Krumm Fotos davon, wie der Stadtteil um die Jahrhundertwende aussah – und stellen aktuelle Ansichten dagegen. Nicht nur für Barmbeker ein verblüffendes, ein faszinierendes Buch. Einige der Bilder dürfen wir hier bereits zeigen.

Hamburg: Aus einem kleinen Bauerndorf ist Barmbek entstanden

Wissen Sie, woher der Name Barmbek (übrigens bis 1946 mit „ck“ geschrieben) kommt? Nein? Von dem Bach Bernebeke, an dem das Dorf vor rund 800 Jahren entstand. Als es für 150 lübische Mark im Jahr 1355 an das Heilig-Geist-Hospital zu Hamburg verkauft wurde, rückte es politisch schon etwas näher an die Stadt heran.

Dorf Barmbek

Dorfstraße in Barmbek: So ländlich sah es in dem Stadtteil früher aus.

Foto:

Sutton Verlag

Doch es sollten noch einmal mehr als 500 Jahre vergehen, bis Barmbek im Jahr der Reichsgründung 1871 offiziell ein „Vorort“ der Hansestadt wurde. In den Rang eines Stadtteils wurde Barmbek-Nord zusammen mit Barmbek-Süd und Dulsberg am 1. Juli 1894 erhoben.

Dorf Barmbek

Stand noch bis zum Bombenangriff 1943: der Lembecksche Bauernhaus an der Hufnerstraße.

Foto:

Sutton Verlag

Schon Anfang des 19. Jahrhunderts begann nach und nach die Verstädterung des Dorfes. Barmbeker Bauern verkauften ihren Grund und Boden an Privat- und Geschäftsleute, die dort Wohnhäuser bauten oder Gewerbe ansiedelten. Dennoch behielt das Dorf bis weit ins 19. Jahrhundert seinen ländlichen Charakter bei.

Hamburg: Städter siedelten zunehmend ab 1860 in Barmbek an  

Erst nach Aufhebung der sogenannten Hamburger Torsperre 1860 wurde Barmbek zunehmend von Städtern besiedelt. Um 1900 kaufte die Stadt Hamburg elf der zwölf sogenannten Hufen, also landwirtschaftlichen Besitztümer, sowie die meisten verbliebenen Ländereien auf.

Barmbeker Bahnhof

Damals: Der Barmbeker Bahnhof von Süden. Das 1905/06 errichtete Bahnhofsgebäude musste schon nach zehn Jahren einer Erweiterung der Bahnhofsanlage um zwei weitere Gleise für die Walddörferbahn weichen.

Foto:

Sutton Verlag

Bahnhof Barmbek heute

Heute: Nach Jahren der Stagnation wurde der Bahnhof Barmbek ab 2009 umgebaut und modernisiert.

Foto:

Sutton Verlag

Als letzter Landwirt gab der Bauer Heinrich Lembcke 1923 die Landwirtschaft auf. Seine Hofstelle mit dem 1623 erbauten Bauernhaus an der Hufnerstraße fiel in der Nacht vom 29. auf den 30. Juli 1943 einem alliierten Bombenangriff zum Opfer.

Das letzte Bauernhaus wurde 1943 zerstört

Die Entwicklung Barmbeks steht in engem Zusammenhang mit dem Bau der Speicherstadt. Denn um den modernsten und größten Lagerhauskomplex der Welt zu schafften, musste das dicht besiedelte Arbeiterviertel auf der Kehrwieder- und der Wandrahminsel abgerissen und die 22.000 Menschen, die dort wohnten, zwangsumgesiedelt werden. Wohin? Richtig! In die neuen, in Windeseile hochgezogenen Wohnquartiere in Barmbek und Hammerbrook. 

Margarinefabrik Voss

An der Ecke Habichtstraße/Bramfelder Straße wurde 1925/26 der Hauptsitz der 1904 gegründeten Margarinefabrik Voss errichtet. 

Foto:

Sutton Verlag

Margarinefabrik Voss

Heute befindet sich dort das Gebäude der Techniker Krankenkasse – nur das expressionistische Eingangsgebäude ist erhalten. Plastiken und Ornamente von Richard Kuöhl.

Foto:

Sutton Verlag

Aber nun gab es ein neues Problem zu lösen: das Transportproblem. Wie sollten die Arbeiter jeden Morgen pünktlich den weiten Weg bis zur Arbeit im Hafen überwinden? Also musste der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut werden. Ab 1867 fuhr die Pferdeeisenbahn bis Endstation Bramfelder Brücke. 1895 folgte die „Elektrische“, die bis Ohlsdorf fuhr. 1906 wurde die S-Bahnstrecke von Blankenese über Barmbek bis nach Ohlsdorf in Betrieb genommen, 1912 der Hochbahnring. 

Fritz Schumacher drückte dem Stadtteil seinen Stempel auf

Fritz Schumacher, der berühmte Oberbaudirektor, hat die Entwicklung Barmbeks stark geprägt. Während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik schuf er Wohngebäude im Stile der „Neuen Sachlichkeit“. Getragen von den sozialen Leitgedanken der frühen Moderne entwickelte er Backsteinquartiere, die von Grünachsen und Parks durchzogen waren.

Vogel's Eck

Auf dem Weg zum Stadtpark machten die Menschen in den 1920er Jahren gerne Rast in der Gaststätte „Vogel’s  Eck“, das von Marie Vogel und später von ihrer Tochter Alwine und deren  Ehemann Walter Kahl weiter betrieben wurde. 

Foto:

Sutton Verlag

Vogel's Eck heute

Heute: In dem Gebäude an der Ecke Rübenkamp/Hellbrookstraße befindet sich immer noch eine Gaststätte.

Foto:

Sutton Verlag

Den Menschen, die zuvor in den engen, dunklen Altbauten der Gängeviertel gelebt und dort unter furchtbaren hygienischen Verhältnissen gelitten hatten, wollte Schumacher Wohnungen mit Licht und Luft bieten. Allerdings fehlte ab der Weltwirtschaftskrise 1931 das Geld für solche Projekte – und die Idee blieb an vielen Stellen in den Ansätzen stecken.

In Barmbek wählte fast jeder KPD oder SPD

Schon um die Jahrhundertwende hatte Barmbek-Süd den Charakter eines Arbeiterwohnquartiers. Ähnlich wie Rothenburgsort und Hammerbrook hatte der Stadtteil den Ruf weg, „Klein-Moskau“ zu sein, denn hier wählte die überwiegende Zahl der Menschen sozialistisch, machte bei SPD oder KPD ihr Kreuz. 

AK Barmbek

Damals: Das Allgemeine Krankenhaus Barmbek – hiermit der Festwiese – wurde 1913 eröffnet. Es bestand aus über 60 Einzelgebäuden in Pavillonbauweise und hatte über 2000 Betten. 

Foto:

Sutton Verlag

AK Barmbek heute

Das Asklepios Klinikum Barmbek heute. Nach dem Verkauf von 13,8 Hektar durch die Stadt Hamburg im Jahre 2006 entstanden auf dem Gelände im sogenannten „Quartier 21“ 475 neue Wohnungen sowie Flächen für Gastronomie, Einzelhandel und Büros.

Foto:

Sutton Verlag

Als 1923 Hamburgs Kommunisten einen Aufstand anzettelten mit dem Ziel, die Weimarer Republik zu stürzen und aus Deutschland eine Räterepublik nach sowjetischem Vorbild zu machen, wurden die Revolutionäre überall in der Stadt schon nach wenigen Stunden besiegt und entwaffnet – nur in Barmbek nicht.

Auch als Industriestandort war Barmbek bedeutend

Zwei Tage herrschte Krieg in den Straßen, und viele Einwohner unterstützten die Aufständischen gegen die Polizei. 100 Menschenleben kostete das.

Torhaus AK Barmbek

Damals: Das ehemalige Torhaus des Allgemeinen Krankenhauses Barmbek, das 1913 eröffnet wurde.

Foto:

Sutton Verlag

AK Barmbek

Hier stand einst das Torhaus des Allgemeinen Krankenhauses Barmbek. Nach dem Verkauf von 13,8 Hektar Krankenhausgelände entstanden ab 2006 im sogenannten „Quartier 21“ neue Wohnungen, Gastronomie, Einzelhandel und Büros.

Foto:

Sutton Verlag

Wenn auch in erster Linie ein Wohnquartier, so war Barmbek-Nord auch als Industriestandort nicht unbedeutend. Längs des zwischen 1863 und 1912 schrittweise ausgebauten Osterbekkanals – er diente zum Transport der Waren – siedelten sich bedeutende Unternehmen an: die „New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie“ (NYH) beispielsweise war 1910 mit 1100 Beschäftigten der größte Arbeitgeber im Stadtteil. 

Barmbek ist cooler als Winterhude

Im Zweiten Weltkrieg wurden 93 Prozent der Wohnhäuser im heutigen Gebiet von Barmbek-Nord zerstört. Ab 1951 wurde der Stadtteil jedoch fast unverändert wiederaufgebaut.

Gummi-waaren

Damals: An der Ecke Hufner-/Poppenhusenstraße stand das 1908 im Gründerzeitstil errichtete Verwaltungsgebäude der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie (NYH).

Foto:

Sutton Verlag

Gummi-Waaren

Heute: Im Neubau aus den 1990er Jahren ist eine Sozialberatungsstelle untergebracht.

Foto:

Sutton Verlag

Anders sieht es in Barmbek-Süd aus. Auch sein Zentrum, nördlich der Hochbahn-Haltestelle Mundsburg, wurde während der Bombenangriffe 1943 fast vollständig zerstört, allerdings nicht nach altem Vorbild wiedererrichtet.

Barmbek mit seinen beiden Stadtteilen Nord und Süd befindet sich mehr denn je im Wandel. Stadtplaner und junge Menschen haben zwar das Potenzial dieser Wohngegend längst erkannt und frischen Wind in die ehemalige Arbeitervorstadt gebracht. 

New York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie

Damals: Blick vom Bahn- über den Wiesendamm hinweg auf das Gelände der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie. Eine Aufnahme von 1912.

Foto:

Sutton Verlag

Neuer Inhalt (21)

Heute: Auf dem Gelände befindet sich heute das Museum der Arbeit, Outdoor-Ausrüster „Globetrotter“, das Kulturzentrum „Zinnschmelze“ und das Kundenzentrum Barmbek-Uhlenhorst.

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Sutton Verlag

Ihren ursprünglichen Charakter und leicht verruchte Bodenständigkeit hat Barmbek aber nicht verloren. Rau, eckig, hier und da etwas laut ist Barmbek, aufmüpfig, widersprüchlich, dann aber auch bunt, vielfältig, kulturbegeistert und grün. Kurz: das „coolere Winterhude“, wie Katja Krumm findet, eine der Autorinnen des neuen Buches.

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