Hamburger Restaurants und Läden haben keinen Bock mehr auf Bargeld
Die häufig kolportierte Liebe der Deutschen zu ihrem Bargeld wird auf die Probe gestellt: Seit Beginn der Corona-Pandemie wünschen sich Einzelhändler und Gastwirte vermehrt eine kontaktlose Zahlung ohne Bargeld. Doch in manchen Läden bleibt es nicht bei Wünschen, regelrechte „Bargeldverbote“ werden ausgesprochen. Steht uns eine Zukunft ohne Bares bevor?
- Deutsch (Deutschland)
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Die häufig kolportierte Liebe der Deutschen zu ihrem Bargeld wird auf die Probe gestellt: Seit Beginn der Corona-Pandemie wünschen sich Einzelhändler und Gastwirte vermehrt eine kontaktlose Zahlung ohne Bargeld. Doch in manchen Läden bleibt es nicht bei Wünschen, regelrechte „Bargeldverbote“ werden ausgesprochen. Steht uns eine Zukunft ohne Bares bevor?
Eine Handbewegung vor dem Lesegerät, ein heller Ton – und es ist getan: Bargeldloses Zahlen hat in den vergangenen Jahren deutlich an Popularität gewonnen. Auch in Hamburg stößt man beim Einkaufen immer häufiger auf den Hinweis „Nur Kartenzahlung möglich“. Die Corona-Pandemie beschleunigte den Trend merklich: Münzen und Scheine werden seitdem immer öfter in den Taschen gelassen – und das, obwohl die Deutschen lange regelrecht als bargeldverliebt galten.
Technikhändler „Gravis“ verbannt Bargeld aus Filialen
Der Technikhändler „Gravis“ verkündete am Montag, dass ab sofort in allen Filialen bundesweit die Bargeldzahlung abgeschafft ist. „Barzahlungen sind schon seit rund zwei Jahren bei ‚Gravis‘ zu vernachlässigen. Nur ein kleiner einstelliger Prozentanteil zahlt heute noch bar bei uns“, erklärt „Gravis“-Sprecherin Pia Northoff der MOPO. Die Hamburger „Gravis“-Filiale in der Grindelallee bestätigt: „Mit der Einführung der ausschließlich bargeldlosen Zahlung hat sich für uns nicht viel verändert – es wurde sowieso schon meist mit Karte gezahlt.“
Zunächst wurde in ausgewählten Filialen eine Testphase durchgeführt – mit überwiegend positiven Rückmeldungen der Kunden, so Northoff.
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Ausschließlich bargeldloses Zahlen spare den Händlern Zeit und biete mehr Sicherheit, da unter anderem der tägliche Bargeldtransport zur Bank entfalle. Northoff ergänzt: „Für uns Händler ist bargeldloses Zahlen kostengünstiger, einfacher und es ermöglicht schnellere Prozesse.“
Bargeld weiterhin beliebtestes Zahlungsmittel in Deutschland
Doch wie realistisch ist eine bargeldlose Zukunft in Deutschland? Schließlich wird Deutschen gerne eine tiefere Bindung zu ihrem Bargeld nachgesagt. Und so bestätigt auch eine Studie der Deutschen Bundesbank von Juli 2022, dass Bargeld weiterhin das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel in Deutschland ist. Etwa 58 Prozent aller täglichen Zahlungen in Deutschland sind demnach Barzahlungen.
Davon gänzlich unbeeindruckt ist die vegane Fast-Food-Kette „Vincent Vegan“. Seit knapp drei Jahren können Gäste in allen Filialen nur noch mit Karte zahlen – so auch am Altonaer Standort im Einkaufszentrum „Mercado“. Um die wenigen Tische des Stands herrscht zur Mittagszeit ein reges Treiben: „Die bargeldlose Zahlung läuft eigentlich super! Manchmal reagieren die Leute ein wenig verwundert, aber mehr auch nicht“, erzählt der Store-Manager Pedro Merchel der MOPO. „Eingeführt wurde die ausschließliche Kartenzahlung wegen Corona“, so Merchel. Gerade bei der Arbeit mit Lebensmitteln sei das kontaktlose Bezahlen einfach hygienischer.
Ein Bedürfnis, das sich offenbar auch bei Kunden im Einzelhandel entwickelte: Dem Haspa-Trendbarometer 2022 zufolge zahlen 26 Prozent der Hamburger aufgrund der Pandemie häufiger mit Karte.
Skandinavier gelten als Vorreiter in Sachen Kartenzahlung
Auch Prof. Jürgen Beyer bestätigt, dass die Pandemie das Zahlungsverhalten der Menschen verändert hat. Der Soziologe forscht an der Uni Hamburg zu Finanz- und Wirtschaftsthemen. Dass Bargeld bis vor Kurzem des Deutschen liebstes Zahlungsmittel war, hat für ihn ganz praktische Gründe: Dazu zähle zum Beispiel die im europäischen Vergleich hohe Dichte an Bankfilialen, die das Abheben und somit die Verfügbarkeit von Bargeld erleichtern.
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Die skandinavischen Länder hingegen gelten im Bezug auf die Umstellung zum bargeldlosen Bezahlen als Vorreiter. Für den Soziologieprofessor keine Frage der Mentalität: „Meines Wissens nach ging die Initiative zum bargeldlosen Zahlen in den skandinavischen Ländern auch sehr stark von den Unternehmen des Einzelhandels aus“, erklärt Beyer. „Wenn in vielen Geschäften überhaupt nicht mehr mit Bargeld bezahlt werden kann, dann wechseln Kunden zwangsläufig zum bargeldlosen Zahlungsverkehr.“
In diesem Sinne versucht auch das „Café by Dokuwa“ im Karoviertel seine Gäste umzugewöhnen. Seit etwa zwei Monaten kann hier nur noch mit Karte gezahlt werden. Jedoch befände sich das Café hierbei noch in einer „Übergangsphase“ und erlaube kleinere Ausnahmen von Barzahlungen, heißt es dort.
Der vollständige Abschied vom Bargeld fällt schwer
Ähnlich handhabt es der Beachclub „StrandPauli“ – auch hier arbeitet man an der Umstellung zum bargeldlosen Bezahlen, verabschiedet sich aber noch nicht vollends vom Bargeld. So sind Bargeldzahlungen nur noch beim eigenständigen Bestellen an der Bar, jedoch nicht mehr beim Bezahlen am Platz durch Servicekräfte möglich. Was den Beachclub von der kompletten Umstellung abhält: Der große Zulauf von Touristen, die erfahrungsgemäß lieber weiterhin mit Bargeld bezahlen.
Und wie sieht die Zukunft im Einzelhandel aus? Mit „Hoody“ öffnete im August 2022 der erste autonome Markt in Hamburg. Einkauf und Bezahlen finden in diesem Bio-Laden in Eppendorf per App statt — somit wird hier nicht nur auf Bargeld, sondern auch direkt auf Kassen verzichtet.
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Prof. Beyer spricht sich für eine bargeldlose Zukunft Deutschlands aus: Die hohe Bankfilialdichte in Deutschland nehme immer mehr ab und gerade jüngere Menschen tendierten zum bargeldlosen Zahlen.