Bankraub mit Stöckelschuhen: Hamburgs berühmteste Gangsterin
Eine Serie von Banküberfällen sorgt Mitte der 1960er Jahre für Aufregung in Norddeutschland. Doch das eigentlich Sensationelle an diesen Raubzügen ist nicht die Dreistigkeit der Gangster, sondern etwas anderes: Eine der beiden Personen hinter der Waffe trägt eine blonde Perücke, eine modische Sonnenbrille und Stöckelschuhe. Es ist eine Frau! Wer ist sie?
Eine Serie von Banküberfällen sorgt Mitte der 1960er Jahre für Aufregung in Norddeutschland. Doch das eigentlich Sensationelle an diesen Raubzügen ist nicht die Dreistigkeit der Gangster, sondern etwas anderes: Eine der beiden Personen hinter der Waffe trägt eine blonde Perücke, eine modische Sonnenbrille und Stöckelschuhe. Es ist eine Frau! Wer ist sie?
Der 15. Dezember 1967 ist ein trüber, verregneter Wintertag in Norddeutschland. Die Kunden der Kreissparkasse Bad Segeberg sind froh, beim Geldabheben kurz im Trockenen sein zu können. Da hält vor der Tür ein heller VW Käfer. Ein Mann und eine Frau klettern heraus. Gemeinsam betreten sie die Filiale und begeben sich direkt zum Schalter.
Der Coup in Bad Segeberg sollte der letzte sein. Doch er ging schief
„Ich möchte einen Scheck einlösen“, sagt der Mann, öffnet seinen Mantel und zeigt dem Kassierer die Maschinenpistolen, die darunter verborgen sind. Seine Komplizin lächelt und bittet höflich: „Würden Sie bitte das Geld einpacken?“

100.000 D-Mark will das Pärchen haben. Der Coup in Bad Segeberg soll der letzte nach einer Serie von 19 Überfällen in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sein, bei denen die beiden über zwei Jahre hinweg bereits 400.000 D–Mark erbeutet haben. Doch dann geht alles schief.
Das verkleidete Duo ahnt nicht, dass die Filiale erst kürzlich mit einem Alarmknopf ausgestattet wurde. Es flüchtet über den Hintereingang auf den Parkplatz. Die Bank-Angestellten laufen den beiden hinterher. Dann fallen Schüsse.
An einer Bahnschranke wird das Gangster-Pärchen geschnappt
Vier Bank-Leute werden getroffen und sinken verletzt zu Boden. Das Pärchen flieht. Doch weit kommt es nicht. Die wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei endet an einer geschlossenen Bahnschranke. Die Flüchtigen werden festgenommen.
Erst jetzt stellt sich heraus, wer das lange gesuchte „Räubermädchen“, über das die Zeitungen seit zwei Jahren schrieben, und ihr Komplize wirklich sind: Die 33-jährige Hamburgerin Gisela Werler und ihr Geliebter, der Taxiunternehmer Hermann Wittorff, hatten die Behörden jahrelang an der Nase herumführt und waren immer wieder unerkannt entkommen.
Schon bald wird der ersten Bankräuberin der Bundesrepublik und ihrem Partner der Prozess gemacht. Vor dem Landgericht Kiel wird auch das bisherige Leben Gisela Werlers beleuchtet, die als eine von drei Töchtern eines Bauschlossers aus Altona in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Dass diese unauffällige, höfliche Frau, die noch bei ihren Eltern lebt und in einer Tapetenfabrik arbeitet, ein Doppelleben als Gangsterin führte, ahnten weder ihre Kollegen noch ihre Familie.
Im Gefängnis heiratet die „Banklady“ ihren Komplizen
Auch das Gericht traut der „Banklady“ entsprechend dem damaligen Frauenbild keine kriminelle Ader zu, sondern begründet das Urteil von neuneinhalb Jahren Zuchthaus damit, dass Gisela Werler „nicht aus Geldgier, sondern aus Liebe“ gehandelt habe. Hermann Wittorff dagegen erhält dreizehneinhalb Jahre.
Im Gefängnis zeigen Werler und Wittorf, dass nicht einmal ein Zellengitter sie trennen kann: In der Knast-Kapelle geben sie sich das Ja-Wort und schließen den Bund fürs Leben. „Sie hat mich angelächelt, geküsst und gesagt: ,Natürlich warte ich auf dich.‘ Also, das war wirklich Liebe“, erzählt Hermann Wittorf später einmal im Interview.
Gleich nach der Haft-Entlassung überfällt Hermann Wittorf wieder eine Bank
Er selbst wird jedoch weder durch Heirat noch durch die Haftstrafe zu einem besseren Menschen: Gleich nach der Entlassung überfällt Hermann Wittorf am 5. Dezember 1985 die Elmshorner Bank für Gemeinwirtschaft – um sich seine Altersversorgung zu sichern, wie er später vor Gericht aussagt.
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Der „Banklady“ kann eine Beteiligung nicht nachgewiesen werden. Sie lebt bis zuletzt in bescheidenen Verhältnissen, ein Großteil der Beute bleibt für immer verschwunden. Gisela Werler stirbt 2003 im Alter von 69 Jahren, ihr Mann Hermann Wittorf sechs Jahre später.

2014 erobert die „Banklady“ die Leinwände. Der Film von Regisseur Christian Alvart erzählt die Geschichte der Arbeitertochter, die zu Deutschlands berühmtester Bankräuberin wurde, mit Nadeshda Brennicke und Charly Hübner in den Hauptrollen.