Hamburger Back-Guru erklärt: So finden Sie das beste Brötchen
Was macht ein gutes Brötchen aus? Warum erinnert vieles, was man bei Hamburger Bäckern kaufen kann, nach wenigen Stunden an eine Art Dämmstoff? Wie kriegt man das hin, mit Geschmack und guter Konsistenz und Haltbarkeit? Und kann eigentlich auch Aufbackware eine Alternative sein? Die MOPO sprach darüber mit Lutz Geißler (37), Back-Influencer, Bestseller-Autor und nach eigener Definition „Brot-Pädagoge“: Der gebürtige Sachse hat mehr als 350.000 Bücher verkauft und lebt in Hamburg.
Wie erkennt man ein schlechtes Brötchen, Herr Geißler?
Was macht ein gutes Brötchen aus? Warum erinnert vieles, was man bei Hamburger Bäckern kaufen kann, nach wenigen Stunden an eine Art Dämmstoff? Wie kriegt man das hin, mit Geschmack und guter Konsistenz und Haltbarkeit? Und kann eigentlich auch Aufbackware eine Alternative sein? Die MOPO sprach darüber mit Lutz Geißler (37), Back-Influencer, Bestseller-Autor und nach eigener Definition „Brot-Pädagoge“: Der gebürtige Sachse hat mehr als 350.000 Bücher verkauft und lebt in Hamburg.
Wie erkennt man ein schlechtes Brötchen, Herr Geißler?
Lutz Geißler: Im Wesentlichen über den Geruch und den Geschmack. Man muss einfach mal tief die Nase reinhalten und das Brötchen zusammendrücken. Wenn man dann nicht wegziehen will, sondern nochmal schnuppern, dann ist es ein gutes Brötchen.
Wie riecht es denn, wenn es nicht gut riecht?
Es gibt Brötchen, die riechen nach nichts. Das wäre schon ungünstig. Manchmal riecht‘s muffig. Kein angenehmes Aroma feststellbar, nicht fruchtig, nicht sonstwie. Im schlimmsten Fall riecht es sehr gärig und hefig.

Zur Person: Lutz Geißler ist eigentlich Geologe, mischt aber seit 2014 die Back-Szene auf. Seine Bücher verkauften sich mehr als 350.000 mal, tausende besuchten schon seine Kurse. Seine Philosophie: Tradition und Zeit statt Zusatzstoffe und industrielle Fertigung. Seit neuestem hat er auch eine Backstube. Zusammen mit seiner Partnerin führt er in Sasel die „Brotkumpels“, eine Bäckerei mit ungewöhnlichem Konzept. Backwaren gibt es nur gelegentlich von 17 bis 19 Uhr – und ausschließlich auf Vorbestellung: „Wir wollen nichts wegwerfen müssen.“
Lässt sich optisch erkennen, was gut schmeckt? Toll aussehen tun die Brötchen ja oft …
Schwer. Da ist vor allem das Volumen ein Indiz. Wenn es riesengroß ist und fast nichts wiegt, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es kein gutes Brötchen ist.
Und was ist mit dem Innenleben und der Kruste?
Da kann man einen Test machen. Die Krume, also das helle Innenleben, herauspulen und fest zusammendrücken. Wenn fast nichts übrig bleibt, ist es ein schlechtes Brötchen. Allzu kompakt darf es auch nicht sein. Das Mittelmaß ist wichtig. Man muss was zum Kauen haben, und eine gewisse Sättigung sollte es nach ein bis eineinhalb Brötchen schon geben. Locker-fluffig, aber keine Watte. Es darf sich nicht im Mund in nichts auflösen.
„Je luftiger das Brötchen, desto schneller trocknet es aus“
Und die Kruste?
Die muss relativ dünn sein und leicht splittern, also knuspern und Risse bilden in der Kruste. Das schaffen die meisten Bäcker. Das Problem ist eher das Innenleben.
Ist auch die Haltbarkeit ein Qualitätsmerkmal? Oder ist das Brötchen eben dafür gemacht, dass man es innerhalb von einigen Stunden isst und nachmittags wird es dann zu einem drögen Klumpen?
Es ist zwar meist so, aber das ist nicht normal. Das hat mit dem Luft/Konsistenz-Thema zu tun. Je luftiger das Brötchen, desto schneller trocknet es auch aus. Ein gutes Brötchen sollte schon ein bis zwei Tage frisch bleiben. Die Kruste lässt natürlich immer nach, das ist leider so. Das muss man dann nochmal kurz aufbacken oder auf den Toaster legen, wenn es wieder knuspern soll. Aber das Innenleben muss saftig bleiben. So angenehm feucht, dass man es auch am zweiten Tag noch essen mag. Wir wiegen 90 Gramm Teig ein für ein Brötchen. Ein normaler Bäcker nimmt 60 Gramm. Und dessen Brötchen sind dann größer als unsere. Das geht halt nur mit den entsprechenden Backmitteln, also Emulgatoren oder technischen Enzymen. Der Kunde greift dann gern zum größeren Brötchen, aber er hat dann weniger Freude, weil es erstens nicht schmeckt und zweitens schnell austrocknet.
Bei mir um die Ecke gibt es einen Bäcker, dessen Brötchen dem entsprechen, was Sie kritisch sehen. Und trotzdem sind da jeden Sonntagmorgen lange Schlangen vor der Tür. Wollen die Kunden am Ende doch den luftigen Kram?
Die haben keinen Vergleich. Wenn man die Leute zwei Brötchen blind verkosten lassen würde, dann würden sie mehrheitlich zum kleineren Brötchen greifen, das besser schmeckt. Aber ohne Vergleich sieht man nur die Auslage. Und: Wenn es frisch aus dem Ofen kommt, schmeckt fast jedes Brötchen. Dann sind die flüchtigen Aromen da, aus der Kruste. Nach ein paar Stunden zeigt sich dann das wahre Gesicht und das isst dann niemand mehr freiwillig. Wenn man einem Kind einen kleinen und einen großen Apfel hinlegt, dann greift jedes Kind zum großen. Das ist so in uns angelegt. Und deswegen geht jeder Kunde auf das größere Gebäck, weil er denkt, da kriegt er mehr fürs Geld.
War früher alles besser?
Jein. Ich bin in der DDR aufgewachsen. Da hat man bis zur Wende gar keine Zusatzstoffe zur Verfügung gehabt und schon deswegen rein handwerklich arbeiten müssen. Im Westen war das bis Ende der 50er, Anfang der 60er so, bis die Backmittler kamen und man versucht hat, auf Volumen zu gehen.
Sie verwenden gar keine Zusatzstoffe?
Mehl, Wasser, Salz, Hefe, ein bisschen Butter und Sauerteig.
„Selbst in Bio-Bäckereien pusht man mit Backmitteln das Volumen“
Sind Sie damit in Hamburg allein?
Ich kenne nicht die Brötchen aller Hamburger Bäcker, aber ich habe noch keins entdeckt, das diesen Maßstäben gerecht werden würde. Selbst in Bio-Bäckereien verwendet man oft Backmittel, um das Volumen zu pushen. Das sind dann natürlich Bio-Backmittel. Aber je nach Bio-Siegel, sind da auch Stoffe erlaubt, die ich eigentlich nicht im Brötchen haben will.
Ich habe schon vieles gekauft, was ich unbefriedigend fand, aber immer mal gute Treffer mit Baguette-Brötchen gehabt. Haltbarer, mehr Substanz, leckerer, kann man gut aufbacken: Ist das eine andere Art Teig, liegt das daran?
Könnte sein. In vielen Fällen ist der Baguettebrötchen-Teig ein bisschen weicher. Also: Mehr Wasser drin. Das bleibt dann automatisch bisschen länger frisch.
Und es ist auch teurer. Ist die Qualität auch eine Preisfrage?
Ja, das schon. Handarbeit kostet. Und beim Baguette-Brötchen kommt noch ein Handgriff dazu.
Den Preis treiben also nicht die Zutaten, sondern die Arbeit?
Auf jeden Fall. Da geht es vor allem um Zeit. Wir lassen viele Teige etliche Stunden stehen, wir bearbeiten ihn in zahlreichen Schritten und das kostet Zeit und Geld.
Gibt es in punkto Qualität eine höhere Trefferquote bei dunkleren Brötchen? Hilft Vollkorn zum Beispiel?
Nee, man hat die gleiche Chance. Die Herstellung ist gleich. Die gleichen Backmittel werden verwendet.
So frischt man Brötchen am besten wieder auf
Haben Sie einen Tipp, wie man ein Brötchen wieder zum Leben erwecken kann für den nächsten Tag?
Man sollte es auf jeden Fall in einem geschlossenen Gefäß lagern. Für eine Nacht zum Beispiel in einem Gefrierbeutel. Aber nicht einfrieren! Oder in einen Keramiktopf mit Deckel, damit keine Feuchtigkeit rausgeht. Und dann am nächsten Morgen kurz in den heißen Ofen, fünf Minuten bei 180 Grad, gern Umluft. Ich halte mein Brötchen vorher oft mal kurz unter den Wasserhahn, denn die Feuchtigkeit ist ganz entscheidend.
Gibt es gute Aufback-Brötchen im Handel oder ist das immer Mist?
Nee, da gibt es gute Sachen. Da gab‘s auch Tests, in denen zum Beispiel die „Goldstücke“ von „Coppenrath & Wiese“ sehr gut abgeschnitten haben. Selbst im Supermarkt bekommen Sie bei No-Name-Marken manchmal etwas Besseres als im Bäckerhandel. Das Problem mit den Inhaltsstoffen bleibt allerdings.
Viele sagen ja: Bei Bäcker XY werden ja nur angelieferte Teiglinge aufgebacken. Das muss ja Schrott sein. Stimmt das eigentlich?
Nein, gar nicht. Der Eindruck hat sich mal festgesetzt, wahrscheinlich als die Supermärkte angefangen haben Teiglinge zu backen. Im handwerklichen Betrieb ist aber die Qualität der Teiglinge das entscheidende: Was ist drin und wie viel Zeit hat man ihnen gegeben? Man kann sie dann „kalt gehen“ lassen. Wenn man das richtig macht, ist das kein Problem.
Ist selber Brötchen backen auch für Anfänger eine Alternative?
Wenn wir über das klassische Weizenbrötchen reden: Das ist nicht ganz trivial. Wenn es wirklich gut werden soll, muss man viele Kleinigkeiten beachten. Was einfacher geht: Weiche Teige, die man einfach auf den Tisch kippt und eckig absticht und dann backen kann. Das kriegt man gut hin.