Die dramatische Azubi-Krise – und wie sie Hamburgs Zukunft gefährdet
Friseur, Elektrikerin, Raumausstatter – diese Berufe sind in Hamburg schlichtweg unbeliebt, der Ausbildungsmarkt befindet sich in einer regelrechten Krise. Und das, obwohl deutschlandweit mehr als 2,6 Millionen Menschen keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Wie kann das sein?
Friseur, Elektrikerin, Raumausstatter – diese Berufe sind in Hamburg schlichtweg unbeliebt, der Ausbildungsmarkt befindet sich in einer regelrechten Krise. Und das, obwohl deutschlandweit mehr als 2,6 Millionen Menschen keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Wie kann das sein?
Während der Corona-Krise haben kaum Schulabgänger eine Ausbildung begonnen. Und der Ausbildungsmarkt scheint sich nicht zu erholen, immer noch wollen deutlich weniger junge Menschen eine Ausbildung machen als vor der Pandemie. Das geht aus den Zahlen hervor, die die Arbeitsagentur am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz bei Montblanc vorstellte. Der Hersteller luxuriöser Füllfederhalter ist selbst Ausbildungsbetrieb.
Hamburg: 10.000 Ausbildungsstellen – „vielleicht sogar deutlich mehr“
Demnach gibt es gerade nur knapp 4300 Bewerber für eine Ausbildung ab kommenden Oktober – und das, obwohl die Arbeitsagentur für kommenden September mit mehr als 10.000 freien Ausbildungsstellen rechnet, „vielleicht sogar deutlich mehr“, so Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock zur MOPO. Es ist also absehbar, dass Tausende Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben werden. „Mehr junge Leute für die betriebliche Ausbildung in Hamburg zu begeistern, das ist uns noch nicht gelungen“, sagte Fock bei der Pressekonferenz.
Auch die Wirtschaft mache sich große Sorgen, so Norbert Aust von der Hamburger Handelskammer: „Wenn wir es nicht hinbekommen, viele junge Leute in eine Berufsausbildung zu bekommen, dann werden wir unsere Zukunftsaufgaben in der Stadt nicht lösen können.“

Schulsenator Ties Rabe betonte die Relevanz einer Ausbildung für die Gesellschaft: „Es geht darum, die Zukunft unserer Stadt, die Zukunft unserer Wirtschaft, die Zukunft unserer Gesellschaft zu sichern“, sagte der SPD-Politiker.
Auffällig ist: Die Zahl junger Menschen ohne Berufsabschluss ist in Deutschland auf ein Rekordhoch gestiegen, wie das „Handelsblatt“ berichtete. Im Jahr 2021 hatten demnach erstmals mehr als 2,5 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss, die Quote erreichte einen „historisch hohen Wert von 17 Prozent“. Konkrete Zahlen für Hamburg gibt es nicht, aber erfahrungsgemäß sind die Werte in den Stadtstaaten noch drastischer.
Dass es derzeit so viele Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung gibt, hinge unter anderem mit der Flüchtlingskrise 2015/ 2016 zusammen, erklärt Arbeitsagentur-Chef Fock gegenüber der MOPO: „Die vor allem aus Syrien stammenden Männer haben damals, als sie nach Deutschland gekommen sind, abgewogen, ob sie in eine Ausbildung gehen oder direkt anfangen zu arbeiten. Und weil sie in einer Ausbildung weniger verdienen würden, haben sie sich aus rein ökonomischen Gründen gegen eine Ausbildung entschieden.“ Diese Menschen seien aber auch unter den ersten gewesen, die in der Corona-Pandemie gekündigt worden seien und jetzt ohne Ausbildung dastünden, so Fock weiter.
Arbeitsagentur-Chef: „Generation Z“ will sich Zeit lassen
Außerdem würde sich die „Generation Z“ – also die Generation der zwischen den Jahren 1995 und 2010 Geborenen – dadurch auszeichnen, dass sie sich so viele Optionen wie möglich für ihr späteres Berufsleben offen halten wolle – und deshalb ihre Ausbildung so lange wie möglich hinauszögere.
„Junge Menschen tun sich schwer, lückenlos von der Schule überzugehen in die Berufswelt“, sagt auch Senator Rabe. Gleichzeitig sei zu beobachten, dass viele junge Menschen dann den Weg in die Ausbildung nicht finden, wenn sie sich nach der Schule eine Auszeit genommen haben.
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Aber natürlich gibt es auch andere Beispiele: Azubi Toni Ahmels ist 21 und im dritten Lehrjahr: „Für mich war sofort klar, dass ich eine Ausbildung machen möchte, ich wollte direkt anfangen zu arbeiten“, sagt sie der MOPO. Sie macht ihre Ausbildung zur Werkzeugmechanikerin bei Montblanc.
Sie wird nach dem Ende ihrer Ausbildung im Januar 2024 für mindestens ein Jahr übernommen. Sie empfiehlt auch anderen Jugendlichen, eine Ausbildung zu machen: „Dann hat man was in der Tasche!“