Ayoub droht Abschiebung: Wieso nicht alle Ukraine-Flüchtlinge in Hamburg gleich sind
Ayoub Modni hat in der Ukraine Maschinenbau studiert. Es fehlten nur noch wenige Monate bis zum seinem Bachelorabschluss. Doch dann kam der Krieg und der 25-Jährige musste fliehen. So wie Tausende andere Flüchtlinge, die in Hamburg aufgenommen wurden. Anders als seine Leidensgenossen hat Modni nun aber eine Ausreise-Aufforderung erhalten – weil er Marokkaner ist.
Den Brief, der nur ein halbes Jahr nach seiner Flucht alles erneut auf den Kopf stellt, hat Ayoub Modni immer bei sich. Er zeigt das Schreiben der Hamburger Ausländerbehörde von Ende Juli, das ihn mit zweiwöchiger Frist nicht nur zur Ausreise auffordert, sondern zudem akute Not verheißt. Denn Modni soll auch sein Zimmer in der Zentralen Erstaufnahme räumen. Dort wurde ihm vorsorglich eine Wegbeschreibung zum „PikAs“ beigelegt – der Übernachtungsstätte für Obdachlose!
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Ayoub Modni hat in der Ukraine Maschinenbau studiert. Es fehlten nur noch wenige Monate bis zum seinem Bachelorabschluss. Doch dann kam der Krieg und der 25-Jährige musste fliehen. So wie Tausende andere Flüchtlinge, die in Hamburg aufgenommen wurden. Anders als seine Leidensgenossen hat Modni nun aber eine Ausreise-Aufforderung erhalten – weil er Marokkaner ist.
Den Brief, der nur ein halbes Jahr nach seiner Flucht alles erneut auf den Kopf stellt, hat Ayoub Modni immer bei sich. Er zeigt das Schreiben der Hamburger Ausländerbehörde von Ende Juli, das ihn mit zweiwöchiger Frist nicht nur zur Ausreise auffordert, sondern zudem akute Not verheißt. Denn Modni soll auch sein Zimmer in der Zentralen Erstaufnahme räumen. Dort wurde ihm vorsorglich eine Wegbeschreibung zum „PikAs“ beigelegt – der Übernachtungsstätte für Obdachlose!
Hamburg: Demonstranten fordern Gleichbehandlung von Flüchtlingen aus der Ukraine
Mehr als 800 Hamburger haben sich gestern vor dem Hauptgebäude der Universität an der Edmund-Siemers-Allee versammelt, um gegen diese Vorgänge zu protestieren. Denn Ayoub Modni ist nicht der einzige, den es betrifft. Genaue Zahlen darüber, wie viele Menschen aus Drittstaaten ihre Unterkünfte räumen sollen, gibt es nicht. Klar ist jedoch: Es trifft besonders viele Studenten.
Während Geflüchtete mit ukrainischem Pass nach ihrer Ankunft einen zweijährigen Aufenthaltstitel bekommen, fand Hamburg für geflohene Studierende ohne ukrainischem Pass im April eine Zwischenlösung: Rund 859 Personen erhielten laut Innenbehörde eine sogenannte Fiktionsbescheinigung. Sie gilt für sechs Monate. In dieser Zeit sollten die jungen Leute Deutsch lernen und sich um einen Studienplatz kümmern, so die Bedingung. Diese Zeit läuft nun aus.
Kirchen-Vertreter und Linke empört: „Menschen werden in die Obdachlosigkeit geschickt“
„Für die Zulassung an einer deutschen Universität braucht man das Sprachniveau C1. Es ist unmöglich, das in einem halben Jahr zu erreichen“, kritisiert Katherine Braun, Referentin der Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche. Aus Sicht der Nordkirche hat das Problem mit einer nicht gut abgestimmten Zusammenarbeit der Behörden zu tun. „Die Bildungsbehörde bemüht sich, Perspektiven für die Studierenden zu schaffen“, sagt Braun. Doch das Amt für Migration handle entgegen der gemachten Zusagen.
Besonders empört sind die kirchlichen Flüchtlingshelfer:innen darüber, dass die Studenten die Unterkünfte verlassen sollen. „Sie bekommen kein Dach über dem Kopf, keinerlei Leistungen, sind von einem Tag auf den anderen mittel- und obdachlos. So kann man mit Menschen, die gerade einem Krieg entkommen sind, nicht umgehen“, kritisiert Heiko Habbe von Fluchtpunkt.
Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion Carola Ensslen ergänzt: „Ich bin fassungslos, dass die Stadt jetzt die Studierenden aus der Ukraine in die Obdachlosigkeit schickt. Fördern & Wohnen muss sie umgehend wieder aufnehmen.“
Student aus Marokko: „Ich kann nicht ohne Diplom nach Hause kommen“
Auch für Anass Assman, der am 26. Februar Odessa verließ, ist mit der Behörden-Post eine Welt zusammen gebrochen. Der 26-Jährige kam 2017 aus Marokko in die Ukraine, um dort Zahnmedizin zu studieren. Weil das Studium in seiner Heimat und in Frankreich teuer ist, machte er es wie rund 25.000 junge Menschen aus Marokko, lernte Russisch und entschied sich für ein Studium in dem osteuropäischen Land.
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Assman befand sich im dritten Studienjahr an der Uni Odessa, als der Krieg ausbrach. „Ich kann nicht zurück nach Marokko. Meine bisher erreichten Zertifikate würden dort nicht anerkannt. Es wäre alles umsonst gewesen – drei Jahre Studium“, sagt der angehende Zahnarzt. Außerdem habe sich seine Familie hoch verschuldet, um ihm das Auslandsstudium zu finanzieren. „Ich kann nicht ohne Diplom nach Hause kommen“, sagt er fast ängstlich.
Assman hat es aufgegeben, Zukunftspläne zu machen. Er weiß nicht, wo er in einem, zwei oder zehn Jahren leben wird. „Ich will einfach nur mein Studium fortsetzen und Zahnarzt werden.“