Ausgestorbene Arten gefunden – aber Hamburg will Biotop für Container opfern
Ein bisher unberührtes Biotop in Altenwerder soll Logistikflächen, Schienen und Windrädern weichen. Bevor die Hamburger Hafenverwaltung HPA die Bagger losschicken darf, musste sie ein Gutachten erstellen lassen. Nun liegt das Papier vor – und schlägt ein wie eine Bombe: Unbemerkt hat sich das Gebiet zu einem in Hamburg einmaligen Naturjuwel entwickelt, sogar ausgestorben geglaubte Arten haben die Gutachter entdeckt. Umweltschützer könnten jubeln, tatsächlich ist ihnen zum Heulen. Aber auch die HPA hat nun ein Problem.
Ein bisher unberührtes Biotop in Altenwerder soll Logistikflächen, Schienen und Windrädern weichen. Bevor die Hamburger Hafenverwaltung HPA die Bagger losschicken darf, musste sie ein Gutachten erstellen lassen. Nun liegt das Papier vor – und schlägt ein wie eine Bombe: Unbemerkt hat sich das Gebiet zu einem in Hamburg einmaligen Naturjuwel entwickelt, sogar ausgestorben geglaubte Arten haben die Gutachter entdeckt. Umweltschützer könnten jubeln, tatsächlich ist ihnen zum Heulen. Aber auch die HPA hat nun ein Problem.
Dort, wo nach dem Willen der Hafenbehörde bald Container gestapelt werden sollen, gibt es seit Jahren ein Vogelleben, wie sonst nirgends in Hamburg. Selbst in den Naturschutzgebieten der Stadt tummeln sich nicht mehr brütende Arten.
So singen etwa Nachtigallen, Gartengrasmücken und Gelbspötter im Frühjahr in großer Zahl: „Alle diese Arten kommen im Untersuchungsgebiet in zehnfacher Dichte vor“, heißt es in dem Gutachten, das die HPA im Februar 2022 in Auftrag gegeben hat. Insgesamt wurden 53 Brutvogelarten mit 672 Brutrevieren gezählt. Eine Zahl, die diese Flächen in Altenwerder zu einem der „am dichtesten durch Brutvögel besiedelten Gebiete Hamburgs“ macht.

Auch für bedrohte Wildbienen sind die Biotope offenbar ein Paradies von „herausragender Bedeutung“. Einige seltene Arten schwirren in so hoher Zahl umher, dass das Gebiet sogar deutschlandweit einmalig sei, schreiben die Wissenschaftler.
Hafen Altenwerder: Gutachten weist hohe Vogeldichte auf
So heißt es im Gutachten: Dieser Artenreichtum an Bienen und Wespen (280 Arten!) werde in „keinem anderen vergleichsweise kleinflächigen Gebiet in Hamburg erreicht.“ Allein 36 davon stehen auf der Roten Liste. Und: „Das Gesamtartenspektrum ist höchst bemerkenswert und zeichnet die Fläche als einen der wertvollsten Stechimmen-Lebensräume in Hamburg aus.“ Stechimmen sind fliegende Insekten mit Stachel, etwa Wespen, Hornissen, Wildbienen.
Bei Heuschrecken und Käfern wurden sogar ausgestorbene und als verschollen geltende Arten in dem Gebiet entdeckt. Von den 283 Käferarten dort werden 59 in den Roten Listen geführt, „das entspricht 20,8 Prozent der erfassten Arten“. Eine davon gilt als ausgestorben, acht als gefährdet und fünf als extrem selten.
Biotope in Hamburg: Viele Tiere auf der Roten Liste
Das Fazit der Gutachter: „Mit Blick auf die Artenvielfalt ist dem Untersuchungsgebiet ein hoher naturschutzfachlicher Wert zuzusprechen, sowohl als eigenständiger Lebensraum, als auch als Teil des Verbundsystems in Hamburg.“

Wie konnte sich – weitgehend unbemerkt – so ein Naturschatz entwickeln? Das grüne Paradies besteht aus zwei unberührten, mit Wasserläufen durchzogenen Biotop-Inseln rund um die Kirche des vor Jahrzehnten geräumten Dorfes Altenwerder. Während der Osten des früheren Dorfgebietes geprägt ist vom Containerterminal, von zahllosen Rangiergleisen und der A7, blieben hier riesige Eschen, Weiden und Buchen stehen. Zudem verwilderten die Apfelplantagen der umgesiedelten Altenwerder Familien, und die Natur eroberte sich die einstigen Marschflächen an der Süderelbe Stück für Stück zurück.
Das Gutachten bringt die Verantwortlichen bei der HPA nun in erhebliche Erklärungsnöte, wie sie es rechtfertigen können, ein so wertvolles Biotop für so mindere Zwecke wie die Lagerung von Containern zu opfern.
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Hamburgs Naturschützer wollen den Lebensraum von Nachtigall und Wildbiene nicht kampflos aufgeben: „Acht Nachtigallen auf engstem Raum, eine gewaltige Käfervielfalt, das ist wirklich außergewöhnlich“, schwärmt Gisela Bertram vom BUND. Das dürfe die HPA nicht einfach durch Hafenflächen ersetzen. Bertram, die auch die Stiftung für den Ausgleich des alten Dorfes Altenwerder leitet, zur MOPO: „Wir als BUND werden uns für den Erhalt dieser Flächen einsetzen.“