Ausgerechnet jetzt: Hamburgs Tafeln geht das Essen aus
„Wenn das so weiter geht, haben wir bald keine Lebensmittel mehr“, sagt Julia Bauer, die im Vorstand der Hamburger Tafel sitzt. In vielen Fächern der deckenhohen Regale der Tafel-Lagerhalle herrscht gähnende Leere. Während angesichts steigender Preise immer mehr Menschen auf die Tafel angewiesen sind, bekommt die immer weniger Lebensmittelspenden. Und Bauer ist sich sicher: „Das dicke Ende kommt erst noch!“
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„Wenn das so weiter geht, haben wir bald keine Lebensmittel mehr“, sagt Julia Bauer, die im Vorstand der Hamburger Tafel sitzt. In vielen Fächern der deckenhohen Regale der Tafel-Lagerhalle herrscht gähnende Leere. Während angesichts steigender Preise immer mehr Menschen auf die Tafel angewiesen sind, bekommt die immer weniger Lebensmittelspenden. Und Bauer ist sich sicher: „Das dicke Ende kommt erst noch!“
Bis zu 20 Stunden die Woche arbeitet die Selbstständige Julia Bauer ehrenamtlich für die Hamburger Tafel, einen Großteil davon verbringt sie in der Zentrale in der Schimmelmannstraße 123 (Jenfeld). Hier kommen die Lebensmittel an und werden in hohen Regalen und Kühlzellen – das sind quasi begehbare Kühlschränke – gelagert, bevor sie an die 31 größeren und 60 bis 70 kleineren Ausgabestellen in der Stadt verteilt werden. Rund 45.000 Menschen versorgt die Tafel jede Woche. 2019 waren es noch 40.000 Menschen. Die Tendenz steigt weiter.
Hamburger Tafel: Vor allem die Milchprodukte fehlen
Draußen vor dem Gebäude belädt Vorstand Frank Hinrichs gerade einen der weißen Sprinter mit grünen Kisten voll Obst und Gemüse. „Zum Glück ist heute ein bisschen was davon da“, sagt er. „Aber wie immer mangelt es uns besonders an Milchprodukten.“ Er hat Glück und treibt im Lager noch eine Stiege Naturjoghurt auf. Selbstverständlich ist das schon lange nicht mehr.
Ein grundsätzlich positiver Trend bei Supermärkten und Discountern — den wichtigsten Lebensmittelspendern für die Hamburger Tafel – bereitet Bauer gerade Sorge. „Sie versuchen angesichts steigender Preise an allen Ecken und Enden zu sparen. Die Nachfrage wird noch besser dokumentiert, um Überproduktion zu vermeiden. Lidl verkauft beispielsweise eine mit nicht mehr ganz so frischem Obst und Gemüse gefüllte „Rettertüte“ für drei Euro. Schöne Idee, aber die Produkte wären normalerweise bei uns gelandet.“ Das dementiert der Discounter zwar – für die Tafeln sei man „weiterhin ein verlässlicher Partner“ und führe „selbstverständlich die seit fast 15 Jahren gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit weiter“, heißt es. „Aber die Fahrer spiegeln uns ja, dass sie immer weniger bekommen“, sagt Bauer.
Im Kühlhaus ist gerade viel los: Eine Stiege Sahne wird in eine ansonsten leere Kühlzelle geschoben, Fahrer gehen auf der Suche nach passenden Lebensmitteln für die ihnen zugewiesenen Ausgabestellen durch die Gänge. Ein Mitarbeiter vom Arbeiter-Samariter-Bund kommt herein und ruft halb scherzhaft, halb ernst: „Das wird ja immer leerer, nächstes Mal bringe ich selbst was mit!“
Die Tafel braucht dringend Unterstützung
Bauer deutet besorgt auf die Kühlzellen. „Diese Dinger laufen durchgängig und fressen viel Strom“, sagt sie. „Da haben wir angesichts der steigenden Energiepreise schon große Angst vor der nächsten Rechnung. Das dicke Ende kommt erst noch.“
Die Tafel braucht dringend Unterstützung. Supermärkte, Discounter und Bäcker werden um großzügige Lebensmittelspenden gebeten. Privatpersonen können Fördermitglied werden und die Tafel finanziell unterstützen. Außerdem werden dringend mindestens 120 Quadratmeter große Erdgeschossflächen für neue Ausgabestellen sowie ehrenamtliche Mitarbeiter gesucht.
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Die nächsten Sprinter kommen an. Und wie immer hoffen alle, dass noch genug Lebensmittel da sind, um alle Ausgabestellen zu versorgen.