Nach 55 Jahren: Aus für Hamburger Werkstatt-Legende
Drei Generationen der Familie Stern haben hier geschraubt, doch nun ist nach 55 Jahren Schluss. Die Traditionswerkstatt „Auto Stern“ an der Poolstraße macht dicht. Sie befindet sich auf einem verwunschenen Hinterhofgrundstück, auf dem auch die Reste des 180 Jahre alten jüdischen Tempels stehen.
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Drei Generationen der Familie Stern haben hier geschraubt, doch nun ist nach 55 Jahren Schluss. Die Traditionswerkstatt „Auto Stern“ an der Poolstraße macht dicht. Sie befindet sich auf einem verwunschenen Hinterhofgrundstück, auf dem auch die Reste des 180 Jahre alten jüdischen Tempels stehen.
Werkstattchef Thorben Stern (35) war nie ein Mann vieler Worte. Doch in diesen Tagen fällt es ihm noch schwerer zu reden: „Ja, ist schon traurig. Aber es ging nicht mehr.“ Sein Opa Theodor Stern hatte den Betrieb 1967 zunächst am Schaarmarkt unweit des Michels gegründet. Doch schon 1971 wechselte er in die Poolstraße 12, und schnell war die Werkstatt gut ausgelastet. Erst übernahm dessen Sohn den Betrieb, dann sein Enkel Thorben.
„Auto Stern“ in Hamburg: Trabi und Rolls-Royce auf der Hebebühne
Egal ob Trabi oder Rolls-Royce – das engagierte kleine Team fand eigentlich für jedes technische Problem eine Lösung. Manchmal gab es auch tröstende Worte, zum Beispiel dann, wenn die Schrauber einer alten Dame beibringen mussten, dass ihr verrosteter Uralt-Käfer leider nicht mehr durch den TÜV kommt.
Doch der Traditionsbetrieb hat ein Problem: Die Werkstatt befindet sich auf einem Grundstück, auf dem ein denkmalgeschütztes Bauwerk steht, das als Wiege des weltweiten liberalen Judentums gilt. Dieser Tempel war 1843 eingeweiht worden. Mitfinanziert hatte ihn der Bankier Salomon Heine, damals der reichste Hamburger und Onkel des Dichters Heinrich Heine. Der Poet reimte etwas spöttisch: „Die Juden teilen sich wieder ein – in zwei verschiedene Partein. Die Alten gehen in die Synagog, und in den Tempel die Neuen.“
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Nach 1933 wurde der prächtige Bau vermutlich nur deshalb von den Nazis nicht in Brand gesetzt und zerstört, weil er sich mitten in einem eng bebauten Wohngebiet befand. Doch 1944 trafen Fliegerbomben das Gebäude, zerstörten es beinahe vollständig. Die Reste sind dann 2003 unter Denkmalschutz gestellt worden. Doch wie das so oft in Hamburg ist, verfielen die Mauerteile immer mehr. Der Eigentümer kümmerte sich kaum.
Jüdischer Tempel: Unklar, was auf dem Grundstück an der Poolstraße geschieht
Erst nachdem die MOPO seit 2017 immer wieder auf den traurigen Zustand dieses für das Judentum so wichtige Denkmal hingewiesen hatte, tat sich etwas. Die Stadt kaufte das Grundstück. Vorher hatte der Eigentümer „Auto Stern“ gekündigt. Allen war auch klar: Wenn die Reste des jüdischen Tempels gerettet und würdig neu gestaltet werden sollten, müsste die Werkstatt einen neuen Standort bekommen.
Doch der Stadt gelang es nicht, einen neuen Platz für die Traditionswerkstatt zu finden. Nicht nur für Wohnungsmieter, auch für kleine Gewerbebetriebe wird Hamburg zunehmend unbezahlbar. Drei bewährte Mechaniker kündigten schließlich wegen der schlechten Zukunftsaussichten. So blieb Thorben Stern keine Wahl mehr: Er muss zumachen.
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Und was genau nun aus den Tempel-Resten wird, ist weiter unklar. Auf MOPO-Anfrage erklärte die Finanzbehörde, dass ein „umfassender Meinungsbildungsprozess mit städtischen Akteuren und den Strömungen des jüdischen Glaubens“ im Gang sei.