• Rund 55 Mitarbeiter des Gesundheitsamts Wandsbek haben gemeinsam einen offenen Brief unterzeichnet (Symbolbild).
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Aufstand im Gesundheitsamt: Chefin geht – Mitarbeiter sind empört und bitten um Hilfe

Wandsbek –

Es ist ein beispielloser Vorgang: Mitten in der Corona-Pandemie kündigt die Chefin des Gesundheitsamts Wandsbek. Ihre Mitarbeiter sind entsetzt, bitten sogar Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) um Hilfe. Sie wünschen sich ihre Chefin zurück – und kritisieren massive Fehlentscheidungen, die ihren Rücktritt ausgelöst haben sollen. Von falschen Quarantäne-Entscheidungen, unqualifizierten Sachbearbeitern und unsinnigen Bürokratie-Vorschriften ist die Rede. Die Linke fordert den Senat zum Handeln auf.

Anfang Januar 2021 erfahren die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamts Wandsbek, dass Amtsleiterin Frauke Ishorst-Witte nach etwa fünf Jahren zum Ende des Monats geht. „Eine Nachricht, die uns alle schockiert zurückgelassen hat“, schreiben rund 55 Mitarbeiter Mitte Januar in einem offenen Brief an Hamburgs Bürgermeister.

Hamburg: Chefin vom Gesundheitsamt Wandsbek geht

Gemeinsam setzten sie sich für ihre Chefin ein, die das Team auch in Zeiten der Pandemie immer motiviert und den Zusammenhalt gestärkt habe. Der MOPO gegenüber vermuten einige Mitarbeiter, dass Änderungen der Verwaltungsstrukturen durch das Bezirksamt das Fass für die Ärztin zum Überlaufen brachten.

Gesundheitsamt Wandsbek: Mitarbeiter werden auf Standorte verteilt

Anfang Januar sei beschlossen worden, das Gesundheitsamt Wandsbek auf verschiedene Standorte zu verteilen. Teilweise wären diese Standorte fußläufig nicht vom Hauptstandort im Bezirksamt am Wandsbeker Markt erreichbar gewesen. Es hätte den regelmäßigen Austausch über die aktuelle Pandemie-Lage erheblich erschwert. „Manche Ausbrüche fallen eben auch erst dann auf, wenn man sich darüber austauscht“, sagt ein Mitarbeiter der MOPO.

Das Bezirksamt Wandsbek hat seinen Sitz im Wandsbeker Rathaus (Archivbild).

Das Bezirksamt Wandsbek hat seinen Sitz im Wandsbeker Rathaus (Archivbild).

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Sun

Vor wenigen Tagen sollten plötzlich die Dienstzeiten des Teams streng nach Vorschrift verändert werden. Dazu muss man wissen: Im Gesundheitsamt Wandsbek arbeiten viele Ärzte und Ärztinnen, Medizinstudenten und anderes Fachpersonal, das in der täglichen Planung auf Flexibilität angewiesen ist. „In einer Pandemie muss man kurzfristig reagieren können und flexibel sein, aber so geht es nicht“, sagt ein Mitarbeiter der MOPO. Die Unterzeichner des offenen Briefs befürchten, dass nun weitere Kollegen gehen.

Kritik an Zentrale zur Kontaktnachverfolgung

Hinzu kommen Schwierigkeiten mit der neuen Zentrale Unterstützung Kontaktnachverfolgung (ZUK). Hier arbeiten Angestellte der öffentlichen Verwaltung aus verschiedenen Bereichen wie dem Polizeiorchester, um die Stadt bei der Kontaktnachverfolgung zu unterstützen. „Die Idee des ZUKs ist ja nicht schlecht. Aber wenn man dort Leute einstellt, die nicht richtig geschult sind, dann hat man das Problem nicht gelöst, sondern nur verschoben“, so ein Mitarbeiter des Gesundheitsamts zur MOPO.

Das ZUK soll die Hamburger Gesundheitsämter bei der Kontaktnachverfolgung unterstützen.

Das ZUK soll die Hamburger Gesundheitsämter bei der Kontaktnachverfolgung unterstützen.

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imago images/Chris Emil Janßen

So sollen schon Personen zu früh aus der Quarantäne entlassen worden sein oder Zusammenhänge von Infektionsgeschehen wurden verkannt. Wenn es Beschwerden über die ZUK gibt, laufen die wiederum beim Gesundheitsamt Wandsbek ein. Ein eigenes Beschwerdemanagement gibt es trotz verschiedener Schulungen und Kontrollmechanismen beim ZUK nicht.

Hamburg: Das sagt das Gesundheitsamt Wandsbek

Die MOPO fragt beim Bezirksamt Wandsbek nach, warum die Chefin des Gesundheitsamts geht und wer ihr nachfolgt. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird von einem Sprecher bestätigt. Weiter heißt es: „Zu den Gründen oder Einzelheiten der Kündigung darf das Bezirksamt keine Auskunft geben. Wir bedauern diesen Schritt sehr.“

Das Bezirksamt verliere eine sehr kompetente Ärztin, die sich mit hohem Einsatz der Bekämpfung der Pandemie und auch allen anderen Aufgaben gewidmet habe. Die Stelle werde ausgeschrieben und für die Zeit bis zur Wiederbesetzung übernehme wie üblich die Vertretung.

Das sagt das Gesundheitsamt zu Standorten und Dienstplänen

Zur räumlichen Verteilung der Mitarbeiter sagte der Sprecher, dass das Gesundheitsamt seit dem Frühjahr 2020 personell stark angewachsen sei: „Da eine Unterbringung in den bisher genutzten Objekten nicht mehr möglich ist und auch die anderen Fachbereiche arbeitsfähig bleiben müssen, werden einige Bereiche des Gesundheitsamtes in zwei weiteren fußläufig erreichbaren Gebäuden rund um den Standort Wandsbek Markt untergebracht.“

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Diese Lösung habe es erst nach dem Erscheinen des offenen Briefes gegeben, wie eine Mitarbeiterin der MOPO mitteilt. Dienstpläne würden sich „turnusmäßig ändern“, sagt der Sprecher des Bezirksamts weiter. Das Ziel sei es für alle Seiten „Planbarkeit und Verlässlichkeit aufrecht zu erhalten.“

Linke: Senat soll Pandemie-Bekämpfung sicherstellen

Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Hamburger Linksfraktion

Deniz Celik, gesundheits- und gewerkschaftspolitischer Sprecher der Hamburger Linksfraktion

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imago images/Andre Lenthe

„Es ist ein alarmierendes Zeichen, wenn die Amtsleiterin hinschmeißt und weitere Fachkräfte, die kaum zu ersetzen sind, ihr womöglich folgen werden“, sagt Deniz Celik, gesundheits- und gewerkschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion. Er finde es unbegreiflich, dass der Senat die Expertise und Warnungen des Personals in den Gesundheitsämtern links liegen lasse und in Folge mangelnder Fachlichkeit vermehrt unzureichende oder falsche Quarantäneverordnungen erfolgen und Kontaktpersonen nicht getestet werden. „Wir erwarten vom Senat, dass er unverzüglich die Expertise des Fachpersonals einbezieht und die Verbesserungsvorschläge aufgreift, um eine effektive Pandemiebekämpfung sicherzustellen“.

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Aus der Sozialbehörde hieß es am Montag „offene Briefe kommentiert der Senat in ständiger Praxis nicht“. Hamburgs Bürgermeister soll sich laut der Unterzeichner des Briefs bisher nicht gemeldet haben.

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