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  • Friedhof für Covid-19-Tote in Indonesien. Hier wird gerade Barbara Ossenkopp bestattet.
  • Foto: hfr

Auf St. Pauli war sie eine Legende: Hamburger Nackt-Tänzerin in Massengrab bestattet

Jakarta/St. Pauli –

Im Alter von 78 Jahren ist in Jakarta eine Frau an einer Covid-19-Infektion gestorben, die vor einem halben Jahrhundert in Hamburg bekannt war wie ein bunter Hund: die Striptease-Tänzerin Barbara Ossenkopp. Sie trat im legendären Sex-Theater „Salambo“ auf und spielte in Kinofilmen mit. Wegen ihrer hohen Wangenknochen wurde sie „Chinesen-Babs“ gerufen. Kiez-Fotograf Günter Zint (79) erinnert sich in der MOPO an die Frau, die seine beste Freundin war:

Günter Zint mit einer Kamera.

Günter Zint

Foto:

dpa

In den 1960er und 1970er Jahren war „Chinesen-Babs“ eine Legende auf St.Pauli. Sie hat an einigen Filmen mitgewirkt und arbeitete als Striptease-Tänzerin im „Salambo“. Auf St. Pauli wurde der Film „Dorotheas Rache“ gedreht. Das Produktionsbüro war in der ApoPress-Kommune bei Panfoto an der Annenstraße.

Hamburger Film: Mädchen sucht Liebe auf St. Pauli

Babs und Anna Henkel (später Anna Grönemeyer) spielten die Hauptrollen. Es ging um ein Mädchen aus einem Millionärshaushalt in Blankenese, das die Liebe suchte. Da sie in den Medien immer das Wort Liebe mit St.Pauli verbunden fand, ging sie nach St.Pauli um die Liebe zu finden. Doch sie fand nur Zuhälter, Ganoven und Prostituierte.

Szenenfotos aus dem Kinofilm „Dorotheas Rache“ 1974. Da spielte sie eine Domina.

Szenenfotos aus dem Kinofilm „Dorotheas Rache“ 1974. Da spielte sie eine Domina.

Foto:

Zint/Panfoto

Völlig enttäuscht suchte sie Freunde, mit denen sie eine Landkommune bei Stade gründete. Der komplette Film wurde mit Laiendarstellern, die ich mit Peter Fleischmann gemeinsam gefunden habe, gedreht.

Film soll in Hamburger Kino gezeigt werden

Ich übernahm die Aufnahmeleitung, das Casting, die Drehortsuche und teilweise auch die Regieassistenz. Der Dreh 1973 hat großen Spaß gemacht. 2020 ist der Film von Peter Fleischmann als Director’s Cut neu bearbeitet und digitalisiert worden. Sobald es geht, werde ich den Film im „Metropolis Kino“ zusammen mit Peter Fleischmann neu zeigen. Damit verbunden möchte ich eine Gedenkfeier für Barbara Ossenkopp machen.

In den 1970er Jahren hat Babs dann als Striptease-Tänzerin im „Salambo“ gearbeitet. Anita Berber, die in den 20er Jahren als Feministin große Skandale durch Nackttänze verursachte, war ihr Vorbild. Wenn sie durch das Publikum tanzte und jemand sie anfasste, bekam derjenige von ihr eine Ohrfeige. Nicht mit der Hand, sondern mit einem Busenschwenker. Das Publikum grölte jedes Mal vor Vergnügen.

Hamburg: „Chinesen-Babs“ brachte Menschen zum Lachen

Auf den großen Betriebsfesten meiner „St. Pauli Nachrichten“ im Haus der Großen Freiheit 36 und im „Zigeunerkeller“ an der Reeperbahn sorgte Babs stets für witzige Tanzeinlagen und brachte sogar den sonst so ernsten Stefan Aust zum Lachen. Ihre herausragende Charaktereigenschaft war der Humor, den sie auch in den Geschlechterkampf einbrachte. Sie war keine der damaligen Lila-Latzhosen-Feministinnen, sondern ging die Probleme kampfbereit, aber mit Humor an.

Barbara Ossenkopps Herz gehörte den Orang-Utans.

Barbara Ossenkopps Herz gehörte den Orang-Utans. Seit 20 Jahren kämpfte sie in Indonesien für die Tiere. 

Foto:

hfr

In den 1980er Jahren lebte Babs in Österreich mit dem Filmregisseur Heinz Hajek zusammen und machte einige Filme mit ihm. Ende der 1980er Jahre wanderte sie nach Indonesien aus und arbeitet seitdem in einer Auffangstation für kranke Affen und Orang-Utans, die von einer Deutschen Adelsdame „Ulla“ finanziert wurde. Nebenbei machte Babs Kinderbücher.

Hamburg: „Chinesen-Babs“ erkrankte an Corona

Ulla starb 2020 kurz vor ihrem 100. Geburtstag in den Armen von Babs. Leider wurde Babs 2021 selbst sehr krank, und der Arzt Jörg Sasse von der deutschen Botschaft in Jakarta kümmerte sich glücklicherweise um sie. Mit einem Spendenaufruf im März 2021 konnte ich in wenigen Tagen über 8000 Euro für die Behandlung in einer guten Klinik in Jakarta sammeln. Es waren mehr als hundert Einzelspenden. Udo Lindenberg, mit dem Babs in den 70ern bei der Revue „Andrea Doria“ auf der Bühne gestanden hat, steuerte 5000 Euro bei.

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Nun ist Babs am 28. Mai 2021 an Corona gestorben. Eigentlich wollte ich mit dem Spendengeld für eine anständige Beerdigung sorgen. Doch das geht nicht: Im Moment werden die Corona-Toten in Jakarta in Massengräbern beigesetzt. Ich werde nun das Geld verwenden und ein Buch über Babs machen. Das ist wichtiger und nachhaltiger als ein Grabstein. Die Spenden haben bewiesen, dass Babs dauerhafte Spuren in Hamburg hinterlassen hat.

R.I.P., liebe Babs – wir sind sehr traurig und werden Dich vermissen. So wie wir Dich kennen, wirst Du den lieben Gott, falls es den gibt, zum Feministen machen.

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