• Jan Marquardt ist der neue Leiter des CaFée mit Herz in Hamburg St. Pauli.
  • Foto: Patrick Sun

Auf dem Kiez: Topmanager wirft alles hin – um armen Hamburgern zu helfen

St. Pauli –

Von der Business Class ins CaFée mit Herz! Früher war er ein gut bezahlter internationaler Manager – jetzt leitet Jan Marquardt (58) das Obdachlosen-Café auf St. Pauli. Dankbarkeit war der wesentliche Grund für den Schritt in eine komplett neue Welt.

Der Neue ist gebürtiger Hamburger – und obwohl er in jungen Jahren nicht gerade ein Kiezgänger war, erkennen ihn die Menschen jetzt auf der Straße. In seinem neuen Arbeitsumfeld fühlt sich Jan Marquardt sichtlich wohl: „Ich wurde hier von allen toll aufgenommen.“

St. Pauli: Das CaFée mit Herz ist Hamburgs sozialer Anlaufpunkt

Das CaFée mit Herz ist der soziale Anlaufpunkt für Obdachlose und Menschen mit einem geringen Einkommen. Es gibt Frühstück und Mittagessen im Warmen, sie können sich Kleidung geben lassen und den Ärzten einen Besuch abstatten.

Marquardts Sprung in den neuen Job scheint wie ein Welten-Wechsel: „Die Welt der Obdachlosen ist eine komplett andere und schwer zu durchschauen.“ In seinem alten Leben habe er im Flugzeug gelebt: „Ich wusste Montag nicht, wo ich Dienstag bin.“

Bereits vor fünf Jahren nahm Marquardt sich Urlaub, um in der Bahnhofsmission in Elmshorn ehrenamtlich mitzuwirken – niemals hätte er gedacht, wie aufreibend und gleichzeitig erfüllend diese Arbeit sein kann.

Top Manager als Ehrenamtler im Hamburger Hafen

„Mein altes Leben war auch toll“, sagt er. Er hat eine gute Ausbildung genossen, geheiratet und eine Familie gegründet. Er hat so viele Länder gesehen wie kaum ein zweiter, auch an Geld mangelte es ihm nie. Doch irgendwas schien zu fehlen. Im Juli 2018 kündigte er seinen Job. Der Plan: ein Sabbatjahr. Doch was als Auszeit gedacht war, führte überraschend zu einem Ehrenamt im Duckdalben, dem Ankerplatz für Seemänner aus aller Welt im Hamburger Hafen.

Im Duckdalben machte es Klick

Da machte es Klick: Die Dankbarkeit eines Seemannes, wenn er es schaffte, nachts noch einen Arzt für den pochenden Zahn aufzutreiben war überwältigend, sagt Marquardt. „Auch wenn das abgedroschen klingt, aber ich durfte in diesem Land in Frieden und Freiheit leben und wollte der Gesellschaft etwas zurück geben.“

Sechs Monate ist Jan Marquardt jetzt im CaFèe mit Herz und bereut keine einzige Minute. „Hinter jedem Menschen hier steckt ein Schicksal“, sagt er. Immer öfter schenken ihm Gäste und Mitstreiter ihr Vertrauen und erzählen ihre Geschichten. „Da ist bei vielen mal irgendwann was passiert im Leben, was sie aus der Bahn geworfen hat“, sagt er.

Hamburgs CaFée mit Herz: Die Versorgung der Rentner soll fokussiert werden

„Unsere Sache hier ist dafür da, dass wir an die Menschen ran kommen“, sagt Marquardt. Seine Zukunftsvision: Die Versorgung der älteren Mitbürger in der Nachbarschaft soll stärker in Fokus rücken.

Marquardts neuste Mission: Er möchte drei Wohnungen in Harburg mieten und drei Obdachlosen die Chance geben, wieder die Sicherheit von vier eigenen Wänden zu spüren. Seine Hoffnung ist, dass sie sich fangen und wieder in einen strukturierten Alltag finden, unter engmaschiger Betreuung der Sozialarbeiter.

Cafée mit Herz feiert 20jähriges Bestehen

Dieses Jahr feiert das CaFée mit Herz 20-jähriges Bestehen: „Schön, dass es das gibt. Traurig, dass es das geben muss“, sagt Marquardt. Auch an diesem Abend wird er erschöpft nach Hause fahren, aber im Gegensatz zu früher steigt er zufrieden und mit einem Lächeln in sein Auto. 

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