Immer mehr Städte wollen Tempo 30 auch auf Hauptstraßen – so denkt Hamburg
Tempo 30 durchgehend auf der Kieler Straße, Eiffestraße oder Alsterkrugchaussee? Kaum vorstellbar. Aber Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordern aktuell ein solches Limit innerorts – und das eben nicht nur auf Nebenstraßen, sondern ausdrücklich auch auf Hauptverkehrsstraßen! In Hamburg sind die Positionen dazu sehr unterschiedlich, doch was kommt auf Autofahrer zu?
Tempo 30 durchgehend auf der Kieler Straße, Eiffestraße oder Alsterkrugchaussee? Kaum vorstellbar. Aber Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordern aktuell ein solches Limit innerorts – und das eben nicht nur auf Nebenstraßen, sondern ausdrücklich auch auf Hauptverkehrsstraßen! In Hamburg sind die Positionen dazu sehr unterschiedlich, doch was kommt auf Autofahrer zu?
„Bisher gibt es in Deutschland auf Hauptverkehrsstraßen nur vereinzelt Tempo-30-Anordnungen und dann auch nur auf kurzen Strecken oder zu bestimmten Zeiten“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. „Das reicht nicht, wir fordern bundesweit Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften!“
Zentrale Argumente für die Tempobremse sieht Resch etwa im deutlich geringeren Lärm an stark befahrenen Straßen. Studien hätten ergeben, dass Tempo 30 wie eine Halbierung der Verkehrsmenge wahrgenommen werde. Was auch für Hamburg ein wichtiger Aspekt ist, denn immerhin liegen laut der Linken-Verkehrsexpertin Heike Sudmann mehr als 200.000 Hamburger Haushalte an Hauptverkehrsstraßen. Durch die SPD-Politik, entlang der Magistralen zu bauen, würden es zudem laufend mehr.
Tempo 30 in Hamburg: Bald auch auf Hauptstraßen?
Laut Umweltbehörde sind in Hamburg tagsüber 107.000 Menschen durch Straßenverkehr Lautstärken von mehr als 65 Dezibel (dB) ausgesetzt, das ist in etwa vergleichbar mit der Lautstärke eines in der Nähe befindlichen laufenden Staubsaugers. „Nachts sind es sogar 130.000 Menschen, die von Lautstärken über 55 dB betroffen sind“, so Umweltsenator Jens Kerstan. Deshalb wurden im vergangenen Jahr in der Stadt 85 neue nächtliche Tempo-30-Zonen geschaffen.
Ein weiteres Argument der DUH: Selbst E-Autos seien nur bei geringen Geschwindigkeiten leiser als Verbrenner. Zudem sind Fußgänger und Radfahrer sicherer unterwegs, wenn Autos nur Tempo 30 fahren. Denn langsamere Autos haben einen kürzeren Bremsweg. Und die Umwelt dankt langsames Fahren auch, denn es werden weniger Stickoxide von Dieselmotoren in die Luft geblasen. Die Dreckschleuderei hatte schon vor Jahren zu bis heute geltenden Durchfahrtsverboten in der Stresemannstraße geführt.
Deutsche Umwelthilfe will Tempo 30 innerorts
Was die DUH nicht gern so laut sagt: Tempo 30 macht zudem das Autofahren unattraktiver – auch das finden die Umweltschützer gut und wichtig. Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Hauptverkehrsstraßen würden in einer Großstadt wie Hamburg aber zu massiven Problemen führen. Deshalb lehnt auch der Bundesverkehrsminister ein grundsätzliches Tempo 30 auf allen Straßen, ob groß oder klein, ab.
Im MOPO-Interview sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vor einigen Monaten: „Bei Durchgangsstraßen, die aus der Stadt herausführen, wollen wir einen guten Verkehrsfluss gewährleisten.“ Denn der solle ja möglichst schnell und fließend durchgeführt werden. „Insofern müssen wir einen Ausgleich finden zwischen den Interessen nach Verkehrsberuhigung und Lärmschutz als auch der Funktion der Durchgangsstraßen.“
Hamburg: Fast 60 Prozent der Straßen mit Tempolimit 30
„In Hamburg gilt auf etwa 58 Prozent des gesamten Straßennetzes die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometer“, so eine Sprecherin der Hamburger Verkehrsbehörde. Allerdings sind Autobahnen und Bundesstraßen rausgerechnet. Jedes Jahr kommen neue Tempo-30-Zonen hinzu. Seit November 2021 müssen Autofahrer zudem nachts auf vielen Durchgangsstraßen eine Maximalgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde beachten.
Der Hamburger Klimabeirat fordert ebenfalls mehr Tempo 30 in der Stadt. Dafür solle auf Bundesebene das Gesetz geändert werden. So dass am Ende die „Regelgeschwindigkeit“ in Städten Tempo 30 beträgt. Derzeit liegt sie bei 50 Kilometern pro Stunde – und für besondere Gefahrenpunkte kann Tempo 30 ausgewiesen werden. Jörg Knieling, Professor an der HafenCity Universität und stellvertretender Vorsitzender des Klimabeirats, erklärt: „Hauptstraßen, auf denen hauptsächlich Autos unterwegs sind, können immer noch für 50 Kilometer pro Stunde ausgeschildert werden.“
Knapp 360 Städte und Gemeinden wollen Tempo 30 – Hamburg bislang nicht
Auch zahlreiche Städte wollen mehr Tempo 30, wegen der Gesetzeslage sind ihnen jedoch enge Grenzen gesetzt. Sieben deutsche Großstädte, darunter Hannover, hatten deshalb die Initiative „Lebenswerte Städte“ gegründet, die den Bund dazu auffordert, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu ändern und den Kommunen bei diesen Fragen mehr Spielraum zuzugestehen. In der Initiative engagieren sich den Angaben nach inzwischen rund 360 Städte, Gemeinden und Landkreise für mehr Entscheidungsfreiheit bei der Anordnung von Tempolimits.
Die Bürgerschaft hatte sich zuletzt im Juni mit dem Thema Tempo 30 beschäftigt. Die Linke hatte beantragt, dass Hamburg sich der Städteinitiative anschließe. SPD und CDU waren dagegen, die Grünen stimmten aus Koalitionsräson ebenfalls dagegen, so dass der Beschluss nicht zustande kam. Aber die genannten Parteien sind sich einig, dass Hamburg mehr Tempo 30 auf den Straßen braucht.