• Einsatzkräfte und Polizeiautos stehen am Sonntagabend vor der Synagoge in Hamburg. Hier wurde am Nachmittag ein jüdischer Student angegriffen.

Attacke vor Synagoge: Experte erklärt: Darum verfallen psychisch Kranke dem Hass

Grigoriy K. war bei der Bundeswehr, ist ein ausgebildeter Sanitätssoldat und seit Jahren in psychiatrischer Behandlung. Diagnose: paranoide Schizophrenie. Eins der Symptome: schwere Halluzinationen. Der 29-Jährige soll laut Polizei und Generalstaatsanwaltschaft einen jüdischen Studenten vor der Synagoge an der Hohen Weide in Hamburg mit einem Spaten attackiert haben – offenbar in Tötungsabsicht. Doch warum verfallen psychisch labile Menschen fragwürdigen Ideologien? Und: Bei wem artet der Hass in Gewalt aus?

„Ganz häufig sind es sozial Benachteiligte und Einzelgänger. Sie versuchen, ihre Frustrationen zu kanalisieren. Ihre Ängste lösen sich ihrer Meinung nach nur auf, wenn sie einen äußeren Feind ausgemacht haben“, erklärt Claas-Hinrich Lammers, ärztlicher Direktor der Psychiatrie im Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll, der MOPO. „In manchen Fällen sind es Juden.“

Angriff vor Hamburger Synagoge: Warum verlieren sich Menschen in Hass?

Dass es mehr Antisemiten unter den psychisch Kranken gibt, glaubt Lammers allerdings nicht. Die Krankheit könne in Kombination mit einer bestimmten Ideologie aber zu stärkeren Ausbrüchen führen: „Weil es mir schlecht geht, liegt es an den Juden. Das ist ein zutiefst irrationales Denken und für andere nicht nachvollziehbar.“

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Professor Claas-Hinrich Lammers, ärztlicher Direktor der Psychiatrie im Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll.

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Asklepios

Diesen Mechanismus nennt man in der Psychoanalyse Projektion: Innere Nöte und Persönlichkeits-Probleme werden durch äußere Feinde kompensiert. „Die emotionale Erleichterung, endlich eine Lösung gefunden zu haben, ist so groß, dass Betroffenen nur sehr selten mit schlüssigen und rationalen Argumenten gegen ihr Denken beizukommen ist“, so Lammers. Es sei überaus unwahrscheinlich, dass Erkrankte jemals selbst zu der Erkenntnis kämen, sich in Wahrheit zu irren oder falsch zu liegen.

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Betroffene bildeten häufig auch Gruppen, in denen sie sich gegenseitig bestärkten und in denen sich extreme Meinungen erhärteten. „Das schafft ein Sicherheitsgefühl, das Miteinander in der Gruppe“, sagt Lammers. „Oft geht es für Betroffene auch darum, endlich verstanden zu werden. Sie fühlen sich besonders, weil sie denken, einer der wenigen Menschen zu sein, die das absolut Richtige glauben. Damit stabilisieren sie auch ihren Selbstwert.“ Ob Grigoriy K. sich in einer Gruppe Gleichgesinnter aufhielt, ist bisher noch unklar. Momentan befindet er sich in der Psychiatrie.

Synagoge Hamburg Angriff Spurensicherung

Angriff vor der Synagoge in Hamburg: Die Spurensicherung am Sonntagabend am Tatort.

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Röer

Wird eine Psychose, eine wahnhafte Erkrankung mit Halluzinationen, nicht medikamentös behandelt, kann sie Betroffene zu Straftaten treiben. Erst durch die Einnahme starker Psychopharmaka könne dem Wahn in einigen Fällen entgegengewirkt werden. Lammers: „Dann steht in erster Linie eine psychiatrische Behandlung an.“

Psychose: Das sind Alarmsignale, das können Freunde und Familien tun

Doch was tun, wenn sich bei einem Bekannten solche extremen Anzeichen andeuten? Laut Lammers sind typische Alarmsignale soziales Abkapseln und schwindender Kontakt. „Oft geht es um Verschwörungstheorien, bald sind dann keine vernünftigen Gespräche mehr möglich. Wichtig ist, dem Betroffenen zu signalisieren, dass man da ist und seine Hilfe anbietet. Ihm das Gefühl zu geben, weiter zur Mannschaft zu gehören.“ 

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