Affenpocken: Warum ein Hamburger Arzt gegen die lange Quarantänezeit ist
Erst Corona, jetzt Affenpocken: Mit der neuen Viruserkrankung ist die Unsicherheit zurück. Wie gefährlich ist eine Infektion? Wie wird die Krankheit übertragen? Und wie kann das Virus zurückgedrängt werden? In Hamburg sollen Infizierte derzeit in dreiwöchige Quarantäne. Der Hamburger HIV-Schwerpunktarzt, Christian Hoffmann, hält diese Regel für kontraproduktiv.
Die dreiwöchige Quarantäne nach einer Affenpocken-Infektion sei für viele Betroffene ein Problem, berichtet der Hamburger HIV-Schwerpunktarzt Christian Hoffmann. Denn die Patienten kommen ihren Arbeitgebern gegenüber aufgrund des langen Ausfalls in Erklärungsnot. „Ich weiß von einigen Fällen, wo Menschen mit Affenpocken infiziert waren und nicht zum Arzt gegangen sind, weil sie Sorge hatten, drei Wochen in Quarantäne zu müssen“, berichtet Hoffmann.
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Erst Corona, jetzt Affenpocken: Mit der neuen Viruserkrankung ist die Unsicherheit zurück. Wie gefährlich ist eine Infektion? Wie wird die Krankheit übertragen? Und wie kann das Virus zurückgedrängt werden? In Hamburg sollen Infizierte derzeit in dreiwöchige Quarantäne. Der Hamburger HIV-Schwerpunktarzt, Christian Hoffmann, hält diese Regel für kontraproduktiv.
Die dreiwöchige Quarantäne nach einer Affenpocken-Infektion sei für viele Betroffene ein Problem, berichtet der Hamburger HIV-Schwerpunktarzt Christian Hoffmann. Denn die Patienten kommen ihren Arbeitgebern gegenüber aufgrund des langen Ausfalls in Erklärungsnot. „Ich weiß von einigen Fällen, wo Menschen mit Affenpocken infiziert waren und nicht zum Arzt gegangen sind, weil sie Sorge hatten, drei Wochen in Quarantäne zu müssen“, berichtet Hoffmann.
Die Scham steht im Zusammenhang mit dem Übertragungsweg. Derzeit infizieren sich vor allem Männer, die Sex mit Männern hatten. „Im Moment sieht es so aus, als wären Affenpocken eine Geschlechtskrankheit. Wir wissen noch nicht alles über die Übertragungswege – enger Kontakt reicht wahrscheinlich auch, Tröpfcheninfektion wird noch diskutiert – aber die weitaus meisten Fälle werden derzeit sexuell übertragen.“
Hamburger HIV-Arzt spricht sich gegen dreiwöchige Quarantäne bei Affenpocken aus
Eine aktuelle Modellrechnung der London School of Hygiene and Tropical Medicine unterstützt die These des HIV-Experten, dass derzeit vor allem intensive Sexualkontakte unter Männern den Ausbruch vorantreiben und andere Ansteckungswege eher eine Nebenrolle spielen. Die Wissenschaftler errechneten, dass die Reproduktionszahl R – also die Zahl von Menschen, die ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt – bei sexuellen Kontakten in dieser Szene deutlich größer als 1 sein könnte, was die Zahl der Erkrankten steigen lässt.
Gerade um eine Stigmatisierung zu vermeiden, brauche es bessere Lösungen und mehr Augenmaß bei den Regeln für Infizierte, so Hoffman. Er ergänzt: „Jemand mit einer anderen sexuell übertragbaren Krankheit – wie beispielsweise Syphilis – wird auch nicht weggesperrt.“
Das bedeute jedoch nicht, dass die Krankheit harmlos sei. Im Gegenteil: Auch wenn für die Allgemeinbevölkerung das Risiko, sich mit Affenpocken anzustecken, derzeit nicht besonders groß ist, kann es für die Betroffenen ernst werden – einige müssen sogar ins Krankenhaus. „Das sind ungefähr fünf bis zehn Prozent – was nicht wirklich wenig ist“, sagt Hoffmann.
Affenpocken: 2887 Fälle deutschlandweit
In die Praxis von ihm und seinen Kollegen kamen bis Freitag (5. August 2022) 103 Patienten mit einer Affenpocken-Infektion – überwiegend Männer zwischen 30 und 50 Jahren. Deutschlandweit wurden bis Freitag 2887 Fälle aus allen 16 Bundesländern ans RKI gemeldet.
In den meisten Fällen verläuft eine Infektion eher mild, der Betroffene hat ein paar Tage lang Fieber, Gliederschmerzen und eben die Bläschen, die manchmal an Pickel, manchmal an Windpocken erinnern. 90 Prozent der Affenpocken befinden sich dabei im Intimbereich, berichtet der HIV-Experte. Oft sind die Affenpocken – selbst bei einem milden Verlauf – jedoch mit starken Schmerzen verbunden, da teilweise das Gewebe durch die Pocken zerstört wird. Bei einem schweren Verlauf kann es zu starken Entzündungen, geschwollenen Genitalien oder extremen Schluckbeschwerden durch eine Schwellung der Lymphknoten kommen.
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Das Problem ist, dass es derzeit kein wirksames Mittel gegen die Infektion gibt. Ein Kondom könne zwar ein bisschen helfen, biete aber keinen verlässlichen Schutz, so Hoffmann. Eine richtige Behandlung der Affenpocken sei ebenfalls nicht möglich – nur die Symptome wie Schmerzen und Fieber könne man derzeit bekämpfen. Zwar gebe es ein Medikament, das sei jedoch nur lebensbedrohlichen Fällen vorbehalten. Der Einsatz werde vorher von einer Kommission geprüft. Doch wie gut es wirklich helfe, wisse man nicht genau – denn letztendlich ist es ein Medikament gegen Pocken und nicht gegen die neue Virusvariante Affenpocken.
Bei der Impfung sei die Lage ähnlich. „Wir wissen nicht genau, wie gut die Impfung wirkt“, sagt Hoffmann. Es gebe derzeit keine Studie am Menschen, die eine Wirksamkeit dieser Pockenimpfung bestätige und zeige, wie gut die Impfung tatsächlich ist. Es sei wie bei Corona: Im Zweifel schütze die Impfung vor einem schweren Verlauf, jedoch nicht unbedingt vor einer Infektion und der Quarantäne. Hinzu komme: „Wir sind blank und haben keine Impfdosen mehr verfügbar. Das wird auch die nächsten zwei Monate so bleiben.“
Man müsse deshalb unbedingt dafür sorgen, die Verbreitung des Virus einzudämmen. Dafür sei eine zumindest vorübergehende Verhaltensänderung notwendig, so der Arzt. „Weniger Sexualpartner und auch keine unbekannten Partner – und wenn, dann soll man Kontaktdaten tauschen, um einander über eine Infektion informieren zu können. Das sagt nicht der Papst, sondern die WHO.“