Armutsfalle Rente: Wenn man nicht mehr kocht, um Strom zu sparen
Viele fürchten sie, andere strecken schon mittendrin: Altersarmut. Wer im Laufe seines Arbeitslebens nicht genug Geld in die Rentenversicherung einzahlen konnte, kommt im Alter kaum über die Runden – und das, obwohl Betroffene oft lange Jahre gearbeitet haben. Die Zahl der Rentner, die wegen ihres geringen Einkommens als „relativ arm“ gelten, ist erschreckend hoch – auch in Hamburg.
Wolfgang Holz, 73, isst meistens eine Scheibe Brot mit Käse. Das ist seine Hauptmahlzeit, ein „typisches Essen“, sagt er der MOPO. Denn der gelernte Lebensmittelkaufmann muss sparen. Er lebt in einer Senioren-Wohnanlage, doch für das Essen im Speisesaal müsste er zehn Euro am Tag ausgeben – und das kann er sich kaum leisten.
Viele fürchten sie, andere strecken schon mittendrin: Altersarmut. Wer im Laufe seines Arbeitslebens nicht genug Geld in die Rentenversicherung einzahlen konnte, kommt im Alter kaum über die Runden – und das, obwohl Betroffene oft lange Jahre gearbeitet haben. Knapp ein Drittel aller Deutschen, die wegen ihres geringen Einkommens als „relativ arm“ gelten, sind Rentner. Auch in Hamburg sind tausende Senior:innen betroffen.
Wolfgang Holz, 73, isst meistens eine Scheibe Brot mit Käse. Das ist seine Hauptmahlzeit, ein „typisches Essen“, sagt er der MOPO. Denn der gelernte Lebensmittelkaufmann muss sparen. Er lebt in einer Senioren-Wohnanlage, doch für das Essen im Speisesaal müsste er zehn Euro am Tag ausgeben – und das kann er sich kaum leisten. Holz lebt von rund 400 Euro im Monat, Kosten wie für Strom und Telefon gehen davon noch ab. Und auch diesen Betrag hat er nur, weil er seine kleine Rente mit Grundsicherung aufstockt, und so die Miete übernommen wird.
Altersarmut in Hamburg: Etwa 28.500 Renter:innen bekommen Grundsicherung
Wolfgang Holz ist einer von mehr als 28.500 Rentner:innen in Hamburg, die von ihrer Rente allein nicht leben können. Und so spart er, wo er kann: Für Lebensmittel gibt er etwa 150 Euro im Monat aus. Kleidung holt er sich aus einem Tauschladen. Er kocht nur selten – um Strom zu sparen. So schafft er es, noch etwas Geld für sein liebstes Hobby zu erübrigen: Das Malen. Es war Teil seiner Therapie, die Holz aus der Obdachlosigkeit und Alkoholsucht half. 15 Jahre lang lebte er auf der Straße, nachdem sein letzter Arbeitgeber Insolvenz meldete. Da war er 40 Jahre alt. Heute ist Holz seit 17 Jahren trocken.

Menschen, die lange arbeitslos waren, sind besonders oft von Altersarmut betroffen. Doch auch wer Jahrzehnte lang arbeitet, kann es im Alter schwer haben, sagt Klaus Wicher, Hamburger Landesvorsitzender Sozialverband SoVD. „Menschen, die im Niedriglohnsektor wie im Einzelhandel oder Gastronomie arbeiten, erwerben oft keine hohen Rentenansprüche“, erläutert er. „Und selbst wenn sie mehr als die Grundsicherung haben – viel leisten können sie sich nicht.“ Für zumindest einige bringt die neue Grundrente etwas Entlastung. Um sich dafür zu qualifizieren, muss man aber mindestens 33 Jahre lang gearbeitet haben. Und das schaffen schon aus gesundheitlichen Gründen nicht alle.
An den Rand gedrängt: Altersarmut ist im Stadtbild kaum sichtbar
So geht es auch Brigitte Müller (Name geändert). Die 71-Jährige hat nach Abzug der Miete und anderer Fixkosten etwa 200 Euro übrig, sagt sie der MOPO. Die Hamburgerin arbeitete 24 Jahre lang als Bürokraft und Verkäuferin im Einzelhandel. Viel verdiente sie zwar nicht, konnte aber stets von ihrem Einkommen leben. Doch mit Ende 50 fiel sie wegen Krankheit aus. Sie verlor ihre Stelle – und fand keine neue mehr. Einmal wurde ihr sogar gesagt, man suche jüngere Mitarbeiter. Brigitte M. rutschte in Hartz IV, dann bezog sie Erwerbsminderungsrente.
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Heute liegt ihre Rente knapp über der Grenze zur Grundsicherung. Sie bekommt zwar Wohngeld, doch weil sie so mehr Kosten selbst trägt, hat sie insgesamt 70 Euro weniger als mit der Hilfe, erläutert sie. Sie geht regelmäßig zur Tafel. Kleidung holt sie sich aus der Kleiderkammer. Am Ende des Monats rutscht sie auch mal ins Minus.

„Armut ist stigmatisiert und viele verschweigen es lieber“, sagt Wicher. „Einige gehen am Ende des Monats gar nicht mehr raus, weil sie Angst haben, jemanden zu treffen, der mit ihnen zum Beispiel einen Kaffee trinken möchte, und das können sie sich dann nicht leisten.“ Die Folge: Betroffene isolieren sich und werden einsam. Zudem ist Altersarmut nur selten im Stadtbild sichtbar – auch, weil die Senioren oft nicht mehr mobil sind und ihre gesellschaftliche Teilhabe extrem eingeschränkt ist.
Sozialverband fordert: Hin zu einer seniorengerechten Stadt
Städtische Kultur- und Sportangebote und der ÖPNV sollten für Bedürftige kostenlos sein, fordert deshalb der SoVD Hamburg. Zudem sollte die Stadt die Grundsicherung wie in München aufstocken, so Wicher, und mehr Sozialwohnungen bauen. Die Sozialbehörde wollte auf MOPO-Nachfrage allerdings keine Rückmeldung zu den Forderungen geben.
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Besonders bitter: Einige Betroffene verdienen sich zwar durch Nebenjobs oder das Sammeln von Flaschen etwas dazu – zumindest außerhalb der Pandemie. Doch für die meisten ist Altersarmut eine Sackgasse. „Deshalb muss verhindert werden, dass Menschen da überhaupt reinrutschen“, sagt Wicher. Besonders gefährdet seien Geringverdiener und Menschen in atypischen Beschäftigungen, wie Mini- oder Teilzeitjobs.
Also besser privat vorsorgen? „Das können sich viele Menschen gar nicht leisten“, sagt Wicher. „Der einzig vernünftige Weg sind höhere Einkommen und eine ordentliche Rente.“