Eine Stadt, zwei Welten: Wer im reichen Hamburg als arm gilt
Eine Stadt, zwei Welten: Hamburg hat die höchste Dichte von Einkommensmillionären in Deutschland und gleichzeitig sind 340.000 Menschen in unserer Stadt von Armut betroffen. An der Elbchaussee reiht sich Villa neben Villa, in Eppendorf Boutique neben Boutique. Und diese beiden Welten begegnen sich fast nie. Wer sind die Männer und Frauen, bei denen es gerade nur fürs Nötigste reicht?
Hamburg ist eine wohlhabende Stadt: Vielen Hamburgern geht es gut, Vollzeitbeschäftigte verdienen im Schnitt mehr als in anderen Bundesländern. An der Elbchaussee reiht sich Villa neben Villa, in Eppendorf Boutique neben Boutique. Doch es gibt auch Armut – und beide Welten begegnen sich fast nie.
Fast 340.000 Hamburger – so viele Menschen waren laut dem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in unserer Stadt im Jahr 2020 von Armut betroffen. Das heißt: Sie können zwar ihre Grundbedürfnisse nach Essen, Kleidung und einem Dach über dem Kopf stillen, haben aber deutlich weniger Geld als der Großteil der Gesellschaft und sind in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe extrem eingeschränkt. Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens in Deutschland zur Verfügung hat wird zu dieser auch oft als „armutsgefährdet“ bezeichneten Gruppe gezählt. Im Jahr 2020 lag die Schwelle für Singles bei 1126 Euro im Monat, für eine Familie mit zwei kleinen Kindern bei 2364 Euro.
Wer ist arm?
Mit einer Quote von 17,8 Prozent lag Hamburg damit schon über dem Bundesschnitt von 16,1 Prozent. Jedoch ist dieses Bild noch verzerrt, weil es in Städten meist zwar höhere Löhne, aber auch höhere Lebenskosten wie Mieten gibt. Zudem sind etwa Geflüchtete oder die rund 2000 Obdachlosen, die per Definition „absolut arm“ sind, nicht mit eingerechnet.
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Doch wen betrifft Armut eigentlich? Ein überproportional hohes Risiko in relativer Armut zu leben, haben laut dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Familien mit mehr als drei Kindern, Alleinerziehende, Erwerbslose und Menschen mit geringem Bildungsabschluss oder mit Migrationshintergrund. Daraus zu schließen, dass Armut vor allem ein Problem dieser Gruppen ist, wäre aber falsch: Zwar sind bundesweit 40,5 Prozent der Alleinerziehenden arm, insgesamt machen sie aber nur 8,8 Prozent der armen Bevölkerung aus.
Die Hälfte aller Armen haben ein mittleres Qualifikationsniveau, fast drei Viertel von ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit und 54 Prozent keinen Migrationshintergrund. Zudem ist rund ein Drittel erwerbstätig (34,5 Prozent), knapp ein Drittel in Rente (30,4 Prozent) und nur etwa ein Drittel tatsächlich erwerbslos (35,1 Prozent).
Armut in Hamburg: So sieht sie aus
Auch in Hamburg gibt es Geringverdiener – einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung nach waren es 13,7 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im Jahr 2020. Sie verdienten weniger als 2285 Euro brutto. Dabei sind 16 Prozent der Vollzeit arbeitenden Frauen Geringverdienerinnen. Bei den Männern beträgt der Wert 12,4 Prozent.
Ganz ohne Arbeit waren in unserer Stadt laut dem Statistikamt Nord Ende 2020 etwa 82.360 Menschen im erwerbsfähigen Alter (6,4 Prozent). 189.280 Menschen bezogen Hartz IV, also rund einer von zehn Hamburgern. Etwa 28.530 Menschen über 65 Jahren bekamen Grundsicherung, weil sie von der Rente allein nicht leben können. Das sind 8,3 Prozent in dieser Altersgruppe. Auch 52.630 und damit fast 20 Prozent der unter 15-jährigen Hamburger:innen bekamen Mindestsicherung.
Stichwort Wohnen: 339.000 Hamburger Haushalte (rund 35 Prozent) haben so ein niedriges Einkommen, dass sie Anrecht auf eine Sozialwohnung hätten. Es gibt aber insgesamt nur noch 77.869 Sozialwohnungen in der Stadt – und jedes Jahr fallen weitere aus der Sozialbindung heraus.
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Gleichzeitig gibt es in Hamburg aber auch die bundesweit höchste Dichte an Einkommensmillionären: Dem Statistikamt Nord zufolge hatten 2017 zwölf von 10.000 Steuerpflichtigen mehr als eine Million Euro im Jahr verdient.
Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auf
Die Schere zwischen Armut und Reichtum klafft in Deutschland weiter auseinander. Der soziale Status ist von Geburt an fixiert, der Aufstieg schwer. Auch räumlich bleiben arme und reiche Menschen meist unter ihresgleichen – auch in Hamburg: In Billstedt, Steilshoop und auf der Veddel etwa sind mehr als 20 Prozent der Einwohner auf Harzt IV angewiesen, in Wilhelmsburg und Jenfeld nur etwas weniger.

Und während der Durchschnittshamburger 39,1 Quadratmeter Platz zum Wohnen hat, müssen die Bewohner armer Stadtteile mit 28 bis 33 Quadratmetern pro Person klar kommen. Und nur zwischen 20 und 30 Prozent der Schüler:innen besuchen ein Gymnasium. Dabei sind es im Hamburger Schnitt 45,4 Prozent.
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Im Gegensatz dazu stehen etwa die Stadtteile Nienstedten, Blankenese und der Nordwesten der Stadt. Hier beziehen nur ein bis zwei Prozent der Einwohner Hartz IV, die Wohnfläche ist mit 50 bis mehr als 60 Quadratmetern pro Einwohner besonders großzügig und mit 60 bis 78 Prozent geht der Großteil der Schüler:innen auf ein Gymnasium.