Legen Radikale mit Anzeigen den „Apparat“ lahm? Da ist selbst die Polizei skeptisch
Es ist auffällig: Die Zahl der Strafanzeigen gegen Hamburger Polizisten ist seit 2017 stark gestiegen. Der CDU-Politiker Richard Seelmaecker sieht dahinter eine Strategie von „Extremisten jeglicher Couleur“. Doch wie sehen das die Sicherheitsbehörden? Dort hat man eine andere Erklärung.
Es ist auffällig: Die Zahl der Strafanzeigen gegen Hamburger Polizisten ist seit 2017 stark gestiegen. Der CDU-Politiker Richard Seelmaecker sieht dahinter eine Strategie von „Extremisten jeglicher Couleur“. Doch wie sehen das die Sicherheitsbehörden? Dort hat man eine andere Erklärung.
Die Anzeigen gegen Hamburgs Polizeibeamte sind in den vergangenen Jahren merklich gestiegen. Waren es 2017 noch 39 Anzeigen wegen „Zwang und Amtsmissbrauch“, liegt die Zahl 2021 bei 98. Im Bereich „Gewaltausübung und Aussetzung durch Polizeibedienstete“ ist die Zahl von 159 (2017) auf 226 (2021) gestiegen. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des CDU-Politikers Richard Seelmaecker hervor (MOPO berichtete).
Seelmaecker vermutet hinter den steigenden Zahlen eine Strategie: „Dies liegt auch am veränderten Anzeigeverhalten insbesondere von Radikalen und Extremisten jeglicher Couleur, die genau wissen, was sie polizeiintern auslösen, wenn sie selbst eine vollkommen haltlose Strafanzeige gegen Polizeibeamte stellen.“
Auch unberechtigte Anzeigen haben für Polizisten Folgen
Für die betroffenen Polizeikräfte stellen diese Anzeigen tatsächlich ein erhebliches Ärgernis dar. Denn egal ob die Anzeige berechtigt oder an den Haaren herbeigezogen ist, der betroffene Polizist kann bis zum Abschluss des Verfahrens nicht befördert werden – was aufgrund von Personalmangel bei der Staatsanwaltschaft Monate und manchmal sogar Jahre dauern kann.
Denn obwohl die Zahl der Anzeigen von 2017 bis heute deutlich gestiegen ist, hat sich die personelle Situation in der für Polizeiangelegenheiten zuständigen Abteilung 73 der Staatsanwaltschaft nicht verändert: Derzeit sind nur 3,4 Planstellen besetzt. 2017 brauchte die Staatsanwaltschaft im Schnitt 3,7 Monate, um einen mutmaßlichen Fall von „Amtsmissbrauch“ auszuermitteln, 2021 waren es bereits 6,5 Monate. Die durchschnittliche Verfahrensdauer wegen „Gewaltausübung“ hat sich von 5,1 Monate (2017) auf 8,9 Monate (2021) erhöht.
Das habe fatale Folgen für die Motivation der Einsatzkräfte, sagt Horst Niens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Hamburg. „Wenn die Kolleginnen und Kollegen bei jedem Einschreiten um die nächste Beförderung bangen müssen, werden sie nicht mehr einschreiten.“ Die GdP kritisiert diesbezüglich ebenfalls den fehlenden Rückhalt in der Politik, insbesondere der Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Für die Gewerkschaft ist klar: „Wer eine handlungsfähige Polizei erhalten will, muss den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten den Rücken stärken und vernünftige Rahmenbedingungen schaffen.“
Anzeigen: Das sagen Staatsanwaltschaft und GdP
Doch wie ist es mit der Vermutung des CDU-Politikers, dass Radikale diese Folgen einer Anzeige strategisch nutzen, um den Polizeiapparat wie auch den der Staatsanwaltschaft lahm zu legen? Die Staatsanwaltschaft hält das nicht für plausibel. „Strafanzeigen gegen Polizeibeamte beruhen auf unterschiedlichem Anlass“, so die Sprecherin Liddy Oechtering. „Eine dahinter steckende Strategie wäre schon deshalb eher fernliegend.“
Auch Horst Niens von der GdP sieht hierin keine Strategie innerhalb einer bestimmten Gruppe. „Eine organisierte Aktion von Radikalen oder extremistischen Gruppierungen nehmen wir so nicht wahr und können es aus unserem Alltag heraus nicht bestätigen. Was jedoch vorkommt, sind Anzeigen gegen Beamte als Rache für polizeiliche Maßnahmen.“
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Darunter seien auch Fälle, bei denen Betrunkene vorläufig festgenommen werden und aus Wut darüber Anzeige gegen den Beamten erstatten. Und selbst wenn sich die Person am nächsten Tag ausgenüchtert gar nicht mehr für das Thema interessiert, bleibt die Anzeige als offenes Verfahren zurück.