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  • Der Zettel, der zufällig bei einer Razzia gefunden wurde. Darauf: Treumanns Daten.
  • Foto: Marius Roeer

Anschlag auf Hamburger Polizisten: Ein Zettel brachte den alten Fall wieder ins Rollen

Am 23. September 2016 gab es einen Anschlag auf einen der ranghöchsten Polizisten Hamburgs. Die Autos von Enno Treumann und seiner Frau wurden dabei offenbar von linksextremen Tätern abgefackelt, ein kurz darauf publiziertes Bekennerschreiben stützte diese These. Doch die Ermittlungen führten zunächst in Leere – bis jetzt. Die MOPO sprach mit einem Staatsschutz-Ermittler, der erzählt, wie durch Zufall die Arbeiten neue Fahrt aufnahmen. Der Fall wurde am Mittwochabend in der Sendung „Aktenzeichen XY …“  noch einmal unter die Lupe genommen.

Enno Treumann kommt am Abend des 22. September nach Hause, zu seiner Familie in Lemsahl-Mellingstedt. Als er aus seinem Auto, einem Nissan Pathfinder, steigt, begrüßt ihn seine Tochter, die sich auf ihr Fahrrad setzt. „Hallo Papa, ich fahre zu Astrid.“ Treumann: „Okay. Prüfungsvorbereitungen?“ Seine Tochter nickt. „Na, dann mal viel Erfolg!“

Drinnen begrüßt er seine Frau mit einem Kuss. Sie hat Abendessen vorbereitet. Das Radio läuft. Ein Nachrichtensprecher berichtet von einer Drogenrazzia auf St. Pauli.

„Da war ja einiges los bei euch gestern“, sagt seine Frau.

„Kann man sagen.“

„Gab es Haftbefehle?“

„Drei.“

„Immerhin.“

„Ja.“

„Nicht zufrieden?“

„Doch.“

Enno Treumann ist zu diesem Zeitpunkt Leiter der einige Monate zuvor gegründeten Task Force „Drogen“, die Dealern in der ganzen Stadt den Kampf angesagt hat, verantwortlich für etliche Festnahmen. Am besagten Abend erzählt er seiner Ehefrau, dass die Angriffe im Internet immer heftiger werden.

„Gegen die Task Force?“

„Überhaupt gegen die Polizei“, sagt Treumann. „Und nächstes Jahr ist G20-Gipfel.“

Enno Treumann ist Polizist durch und durch – er leitete unter anderem die Task Force „Drogen“.

Enno Treumann ist Polizist durch und durch – er leitete unter anderem die Task Force „Drogen“.

Foto:

Rüga

3.10 Uhr. Treumann wacht auf. Gleißendes Licht fällt ins Schlafzimmer. Er steht auf, guckt aus dem Fenster – und sieht aus seinem Carport Flammen schlagen. Die Autos seiner Familie wurden angezündet. „Schatz, wach auf“, sagt er. „Ruf die Feuerwehr. Ich versuche zu löschen.“

Enno Treumann wurde Ziel eines linken Anschlags

„Unmittelbar nach der Tat haben wir mit einem relativ hohen Ansatz die Ermittlungen begonnen“, so der Staatsschutz-Ermittler im MOPO-Gespräch. Er möchte anonym bleiben. „Die Dimension der Tat in Verbindung mit dem Bekennerschreiben, das ergab für uns in der Bewertung eine Steigerung der Intensität.“

Das Schreiben geht auch in der MOPO-Redaktion ein. „10.000 mal kontrolliert, 10.000 mal ist nichts passiert – aber heute Nacht hat es Buuum gemacht“, so lautet der Titel der anonym verschickten E-Mail. Man habe in der Nacht zu Freitag den „Menschenjäger“ Enno Treumann gezielt attackiert, da dieser „eine Hetzjagd auf vermeintliche Dealer_innen“ durchführe, so die Verfasser, die sich namentlich nicht zu erkennen geben. Weiter heißt es: „Die Häuser und Autos der Polizeiführer sind für uns legitime Ziele.“

Der Carport und die Autos der Familie Treumann wurden von Unbekannten angezündet.

Der Carport und die Autos der Familie Treumann wurden von Unbekannten angezündet.

Foto:

Rüga

Die Ermittlungsansätze führen ins Leere, Täter kann die Polizei nicht ausfindig machen. Das Problem: Linksextreme, die, die auch wirklich bereit sind, Gewalt auszuüben, sind bestens organisierte Verbrecher – inklusive perfekter Arbeitsteilung. Dazu gehören: Ausspähen, Recherche, Planung, Durchführung. „Von der Professionalität der Vorgehensweise gibt es kaum ein Unterschied zur organisierten Kriminalität“, erklärt der Ermittler.

Fall Enno Treumann galt als ungelöst – nun gibt es eine neue Spur

Der Fall Enno Treumann – er wandert daraufhin ungelöst zur Staatsanwaltschaft. Doch in einem anderen Verfahren, einem Brandanschlag auf die Messehallen, stößt die Polizei auf ein anonymisiertes Zeitungsinterview in der „taz“, das sie schließlich zu mehreren verdächtigen Männern führt – allesamt Mitglieder der linksextremen und vom Hamburger Verfassungsschutz als „gewaltorientiert“ und „totalitär“ eingestuften Gruppierung „Roter Aufbau Hamburg“.

Am 29. Juni 2017 – rund eine Woche vor dem G20-Gipfel – durchsucht die Polizei diverse Objekte. In einer Wohnung finden die Kripo-Ermittler in einer Dose mit anderen Notizen einen kleinen Zettel. Darauf gekritzelt: Adresse, Geburtsdatum, Handynummer, Autokennzeichen und ein Name. Er gehört dem Mann, zu dem die anderen auf dem Zettel angegebenen Daten exakt passen: Polizist und Anschlagsopfer Enno Treumann.

Eine Spurenanalyse ergibt, dass der Mieter der Wohnung, in der der Zettel gefunden wurde, nicht der Verfasser ist – „genau den wollen wir aber ermitteln. Um die Entstehungshistorie zu verstehen“, so der Ermittler. Dabei werde ergebnisoffen ermittelt, der Verfasser könne sowohl Tatverdächtiger als auch nur Unbeteiligter sein. „Es kann sein, dass er unter einem Vorwand benutzt wurde, die Daten aus einem ihm vorhandenen System zu entnehmen. Möglich, dass er gar nicht wusste, welche Dimension das annehmen kann.“

Mehr als 100 Hinweise zur Brandstiftung bei Polizeidirektor

Daher richte sich die Polizei nun auch an die Öffentlichkeit, unter anderem mit einem Beitrag in der Sendung „Aktenzeichen XY …“. „Wir hoffen, dass sich der Zettelschreiber meldet und wir neue Hinweise generieren.“ Hinweise an die Polizei unter: Tel. 428 65 6789.

Nach der Sendung sind bereits mehr als 100 Hinweise bei den Beamten eingegangen. Die müssten nun ausgewertet werden, erklärte ein Polizeisprecher am Donnerstag.

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