Als die Hamburger „Tagesschau“-Legende bizarre Häschenwitze machte
Schallplatten sind langlebig – und so bleibt der bizarrste Beitrag des „Tagesschau“-Sprechers Jo Brauner wohl ewig erhalten. Brauner sprach in den 70er Jahren in seriösem Tonfall auf einer Platte mit albernen Häschenwitzen die Worte „Hier ist das aktuelle Langohrstudio von Radio Kohlfunk“. Dieser klitzekleine Ausflug in die Welt der Unterhaltung ändert nichts daran, dass Brauner, der am Dienstag 85 Jahre alt wird, der Idealtyp eines Nachrichtensprechers war. Dabei kam er erst über mehrere Umwege zum Fernsehen.
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Schallplatten sind langlebig – und so bleibt der bizarrste Beitrag des „Tagesschau“-Sprechers Jo Brauner wohl ewig erhalten. Brauner sprach in den 70er Jahren in seriösem Tonfall auf einer Platte mit albernen Häschenwitzen die Worte „Hier ist das aktuelle Langohrstudio von Radio Kohlfunk“. Dieser klitzekleine Ausflug in die Welt der Unterhaltung ändert nichts daran, dass Brauner, der am Dienstag 85 Jahre alt wird, der Idealtyp eines Nachrichtensprechers war. Dabei kam er erst über mehrere Umwege zum Fernsehen.
Sonore Stimme, tadellose Kleidung, keine erkennbare Gefühlsregung – so begleitete der am 29. November 1937 geborene Brauner 30 Jahre lang, bis zum Jahr 2004, das deutsche Fernsehpublikum. Zum Schluss war er Chefsprecher der „Tagesschau“. Die 20-Uhr-Ausgabe der Nachrichtensendung schaue er bis heute täglich, verriet Brauner vor einigen Wochen der „Apotheken Umschau“. „Und ich werde immer noch sauer, wenn dann das Telefon klingelt.“
Hamburg: Ex-Chefsprecher der „Tagesschau“ wird 85 Jahre alt
Einmal Nachrichtenmann, immer Nachrichtenmann – das ist das Motto Brauners. Noch nach seiner Pensionierung rief er über Jahre in der Redaktion an, um auf grammatikalische oder inhaltliche Fehler aufmerksam zu machen, damit diese nicht in den später laufenden „Tagesthemen“ wiederholt würden.
Seine Nachfolgerinnen und Nachfolger sind bis heute für ihn Kollegen – und bei einem peinlichen Versprecher „leide ich mit“. „Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug stolz sein, in die ,Tagesschau‘ involviert gewesen zu sein, die nach wie vor bedeutendste und größte Nachrichtensendung.“
Hamburg: Jo Brauner flieht aus der DDR und arbeitet bei Versicherung
Brauner kam in Schlesien zur Welt. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs flüchtete die Mutter mit Joachim – so sein voller Vorname – und den drei Geschwistern nach Thüringen. In der DDR machte Brauner das Examen als Grundschullehrer, doch mit Anfang 20 hatte er genug vom Sozialismus: Über West-Berlin floh er in die Bundesrepublik, während Eltern und Geschwister in der DDR blieben.
Zunächst arbeitete Brauner in einer Versicherung. Doch bald bewarb er sich beim Norddeutschen Rundfunk (NDR), machte eine Sprecherausbildung und las im Frühjahr 1965 erstmals Hörfunknachrichten auf NDR 2. Dort und auf NDR 1 sprach der Fußballfan bald auch Sportnachrichten. Nachdem er zunächst nur freiberuflich als Sprecher arbeitete, wechselte Brauner nur einige Monate später ganz ins Sprecherteam.
Mehrere Jahre blieb der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Töchtern beim Radio, 1974 holte ihn dann Karl-Heinz Köpcke zur „Tagesschau“. Gut ein Vierteljahrhundert später wurde er dort im Jahr 2000 Chefsprecher als Nachfolger von Dagmar Berghoff.
Nahe an der Perfektion arbeitete der stets akkurate Brauner. Einer der wenigen peinlichen Versprecher war, als er in der RAF-Krise von einem „Hummerstreik“ der Terroristen statt von einem „Hungerstreik“ sprach.
„Tagesschau“: Das waren die emotionalsten Momente für den Sprecher
Der für seine sachliche Distanz bekannte Brauner ließ sich nach eigener Darstellung von zwei Themen emotional bewegen. Als im Jahr 2000 eine Concorde in Paris in Flammen aufging und 113 Menschen starben, bewegte ihn das. Er hatte damals selbst erst kurz zuvor, wie die gestorbenen Passagiere, eine Kombination aus Kreuzfahrt und Flug beendet.
Und auch der Mauerfall ging Brauner nah, allein schon wegen der eigenen Familiengeschichte. Hier konnte und wollte er im Jahr 1989 die Freude in seiner Stimme nicht unterdrücken.
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In seiner Heimatstadt Hamburg ist Brauner als Fußballfan bekannt. Parallel zur „Tagesschau“-Zeit war er bis 1991 Stadionsprecher des damals noch zu den Spitzenmannschaften im deutschen Fußball zählenden HSV. Den Nebenjob dort gab er nach 17 Jahren auf, weil von ihm zu viel Show verlangt wurde. Die Episode mit den Häschenwitzen reichte Brauner offenbar. (mp/dpa)