Das tägliche Elend am ZOB: „Einer pisst, einer kackt, der andere klaut“
Auf der einen Seite der Hamburger Hauptbahnhof, auf der anderen der Steindamm, nebenan die Drogenberatungsstelle Drob Inn. Mittendrin: der Zentrale Omnibusbahnhof, kurz ZOB. Tausende Menschen, Touristen und Einheimische kommen hier täglich an oder fahren ab – begrüßt von berauschten Junkies, Dealern und der Polizei. 2003 wurde das Areal umgebaut und sollte ein Platz zum Wohlfühlen werden. Doch das scheint nur mäßig funktioniert zu haben.
Freitagnachmittag, 14.15 Uhr. Ein Mann macht artistenartige Tanzbewegungen. Die Augen sind geschlossen, der Kopf kreist. Er trägt eine Cargohose und ein dunkles T-Shirt, über die Schultern hängt ein Rucksack. Und um ihn herum Reisende, die Koffer schieben. Auf seinen Trip angesprochen, sagt er nur: „Ich lebe.“ Eine Streife der Polizei kommt auf ihn zu. Er tänzelt weiter und geht die Treppen hinunter zum Hauptbahnhof.
Auf der einen Seite der Hamburger Hauptbahnhof, auf der anderen der Steindamm, nebenan die Drogenberatungsstelle Drob Inn. Mittendrin: der Zentrale Omnibusbahnhof, kurz ZOB. Tausende Menschen, Touristen und Einheimische kommen hier täglich an oder fahren ab – begrüßt von berauschten Junkies, Dealern und der Polizei. 2003 wurde das Areal umgebaut und sollte ein Platz zum Wohlfühlen werden. Doch das scheint nur mäßig funktioniert zu haben.
Freitagnachmittag, 14.15 Uhr. Ein Mann macht artistenartige Tanzbewegungen. Die Augen sind geschlossen, der Kopf kreist. Er trägt eine Cargohose und ein dunkles T-Shirt, über die Schultern hängt ein Rucksack. Und um ihn herum Reisende, die Koffer schieben. Auf seinen Trip angesprochen, sagt er nur: „Ich lebe.“ Eine Streife der Polizei kommt auf ihn zu. Er tänzelt weiter und geht die Treppen hinunter zum Hauptbahnhof.
ZOB Hamburg: „Einer pisst, einer kackt, der andere klaut“
Die Sonne brütet, mehr als 30 Grad. Eine Frau liegt regungslos auf einem U-Bahn-Schacht, die Arme von sich gestreckt. „Die Leute machen sich Sorgen. Sie können hier nicht schlafen“, sagt eine Polizistin zu ihr. Sie reagiert erst nicht, bewegt sich dann widerwillig. Sie verschwindet, genau wie der Tänzer, in Richtung der Bahntreppen, spricht dabei mit sich selbst.

Die Beamten, die hier verstärkt und in Gruppen Streife laufen, haben einiges zu tun: Im Minutentakt torkeln Junkies und Betrunkene übers ZOB-Gelände. Viele kommen vom oder gehen zum Drob Inn, das unter anderem den beaufsichtigten Konsum von Drogen ermöglicht.
Polizei: ZOB Hamburg ist dauerhaft im Fokus
Die Polizei schätzt, dass sich zu unregelmäßigen Zeiten in der Spitze bis zu 30 Personen am ZOB aufhalten, „die der Betäubungsmittel- und Obdachlosenszene zuzurechnen sind“. Vor allem werde dort mit verschreibungspflichtigen Tabletten gehandelt. Viele würden sich am ZOB aufhalten, um sich vor schlechtem Wetter zu schützen, Konflikte innerhalb der Szene zu vermeiden oder sich Kontrollen am Drob Inn zu entziehen.
Der Bereich wird vom zuständigen PK 11 kontrolliert, Unterstützung kommt oftmals von der Bereitschaftspolizei und Beamten der Task Force Drogen. Der ZOB ist laut einem Polizeisprecher als gefährlicher Ort eingestuft und so ohnehin „dauerhaft im polizeilichen Fokus“.

Tatsächlich sind immer wieder zahlreiche Polizeikräfte am ZOB an jenem Freitag. „Was wollt ihr?!“, schreit eine Frau. Sie bettelt und wird unter Protest weggeschickt. „Schweine!“ Für die Polizisten Alltagsgeschäft.
Kioskbesitzer am ZOB: „Das ist ein einziges Chaos hier“
Genau wie für Mehdi. Der 64-Jährige betreibt einen Kiosk direkt gegenüber den sogenannten 14 Bustaschen – also dem Bereich, wo die Busse an- und abfahren. „Ach, hör bloß auf“, sagt er auf die Frage, wie er die Lage am ZOB einschätzt, und winkt ab. „Das ist ein einziges Chaos hier.“ Ständig müsse er Leute wegschicken, die bei ihm klauen würden. Er selber bekomme dann oft Ärger, wenn sein Sicherheitsmann einschreitet. „Die machen uns Ärger, nicht andersherum. Die klauen vor unseren Augen und sagen, dass sie das mitgebracht hätten.“

24 Stunden hat der Kiosk am Tag auf, gearbeitet wird in drei Schichten. „Die Politiker juckt das hier nicht. Kinder und Babys laufen hier rum. Die Stadt hat kein Interesse, die Lage zu verbessern.“ Ob sich was nach dem großen Umbau 2003 geändert hätte, als neue Gebäude und ein Glasdach gebaut wurden? „Darüber kann ich nur lachen.“
Viele Reisende schätzen die Situation ähnlich ein. Drogen, Junkies, teils gewalttätige Auseinandersetzungen sorgen für eine beklemmende Stimmung. „Ich komme hier nicht gerne an“, sagt Claire (20). Sie wohnt in St. Georg, hat einen kurzen Nachhauseweg, wenn sie aus Berlin, ihrer Heimat, am ZOB ankommt. „Trotzdem telefoniere ich immer. Dadurch fühle ich mich sicherer.“ Eine andere Frau sagt: „Ich plane so, dass ich hier nicht abends ankomme.“

„Einer pisst, einer kackt, der andere klaut. Das ist normal hier“
Die Sonne brütet weiter über dem gläsernen Dach. Nur selten ziehen leichte Windstöße durch die Gänge. Auf den Treppen seines Busses sitzt Waldemar (59). Pausenzeit. In einer Stunde bricht er auf Richtung Schweiz. Vom ZOB geht es mit unterschiedlichen Unternehmen außerdem unter anderem nach Hannover, Kroatien und Skandinavien.

Er sei oft hier, erzählt Waldemar, „und es ist nicht schön“. Vor allem nicht für Touristen. „Ich fahre seit Jahren den ZOB an. Es wird sich hier nichts ändern.“ Den Betroffenen sollte Hilfe angeboten werden, stattdessen würden Junkies einfach geduldet. „Einer pisst, einer kackt, der andere klaut. Das ist normal hier.“
Drogenprobleme am ZOB: „Das ist allseits bekannt“
Die vierjährige Anastasia strahlt auf dem Schoß ihres Vaters Gabriel. Sie blendet alles um sie herum aus, freut sich vermutlich nur auf die Reise nach Hannover. Mama steht an einer Bustasche, beäugt die Koffer.
Die junge Familie reise nicht gerne über den ZOB, wie Vater Gabriel erzählt. Auf volle Bahnen wollte die Familie aber verzichten. Vom Drogenproblem wisse er, es sei „ja allseits bekannt“. Er kenne Wege, um möglichst viele Junkies auf dem Weg zum Bus zu umgehen. Er sagt, man solle das Drob Inn versetzen, „dann wäre die Lage hier vielleicht anders“. Anastasia winkt. Und schmiegt sich tiefer in die Arme ihres Vaters.

Drob Inn verbessern, um Hamburgs ZOB zu entlasten
Würde eine örtliche Versetzung der Drogenhilfe-Einrichtung alles ändern? Christine Tügel aus dem Vorstand des Vereins, der für das Drob Inn verantwortlich ist, glaubt, dass der ZOB ein Knotenpunkt sei, „an dem viele Menschen aufeinandertreffen, weil sie dort ankommen, umsteigen, verweilen oder auch stranden“.
Drogenabhängige bräuchten „sozial akzeptierte Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum“, Waschräume, Essen und Trinken zu bezahlbaren Preisen, Beratung und Begleitung. Dies würden sie im Gesundheitszentrum St. Georg finden, sagt Tügel. Viele nehmen das Angebot an, viele aber auch nicht, aus unterschiedlichsten Gründen. Ein Dilemma?
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„Aus unserer Sicht ist die in Planung befindliche und von uns geforderte Neugestaltung des sogenannten Vorplatzes des Drob Inn, mit dem Ziel die Aufenthaltsqualität für unsere Klientel zu verbessern, absolut zielführend“, so Tügel, „auch für die Entlastung am ZOB.“ Geplant sind neue Lichter, Bänke, Witterungsschutz und ein Wasserspender, die Umsetzung und die Kosten übernimmt die Stadt. Im Herbst sollen die Pläne realisiert werden. Tügel: „Wir wünschen uns das so schnell wie möglich.“
„Wir kennen das. Wir wohnen hier“
Später Nachmittag. Der ZOB ist voll. Reisegruppen, Paare, Einzelgänger. Ulrich Spangenberg (69) und Sonja Pfeifer (68) stehen mit ihren Koffern bereit. „Es geht zum Nordkap“, sagen sie. Sie wohnen in St. Georg und finden den ZOB schöner als den Hauptbahnhof. „Es ist übersichtlich und das Angebot an Reisen ist top.“ Auf die Frage, was sie zum Drogenproblem sagen, antworten beide: „Wir kennen das. Wir wohnen hier. Und wir haben keine Probleme damit.“
Auch Angst hätten sie keine, die dürfe man nicht haben, dann sei man unsicher. „Respekt. Das ist das richtige Wort.“ Sie sehen seit dem großen Umbau des Geländes einen großen Unterschied. „Es ist toll hier geworden. Es fehlen nur Sitzmöglichkeiten. Ansonsten gibt es ja deutlich schlimmere Ecken.“

Beide lächeln. Lachen – das ist sozusagen ihr Job. Die Rentner arbeiten als Clowns. Vielleicht können sie auch deshalb mit Situationskomik besser umgehen. Oder mit Situationen allgemein. Ob sie etwas verändern würden am ZOB? „Nein, wir finden es toll hier.“ Kioskbesitzer Mehdis Meinung dazu: „Schlimmer geht immer. Aber nicht mehr viel.“