Allen Mietern gekündigt: Was hat der Elbtower-Investor mit diesem City-Altbau vor?
In der Roths alten englischen Apotheke direkt neben der Gänsemarktpassage (Jungfernstieg) wurden schon so viele Filme gedreht, dass es für Inhaber Rüdiger Bettin gar nichts Besonderes mehr ist, wenn jemand mit Film- oder Fotoequipment auftaucht. Denn die mehr als 200 Jahre alte Apotheke ist einzigartig in Hamburg – und hat noch dazu sehr prominente Kunden. Nun hat einer der umstrittensten Investoren Hamburgs das Gebäude gekauft. Rüdiger Bettin und seine Frau bangen um die Zukunft dieses historischen Kleinods.
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In „Roth’s alter englischer Apotheke“ direkt neben der Gänsemarktpassage (Jungfernstieg) wurden schon so viele Filme gedreht, dass es für Inhaber Rüdiger Bettin gar nichts Besonderes mehr ist, wenn jemand mit Film- oder Fotoequipment auftaucht. Die mehr als 200 Jahre alte Apotheke ist einzigartig in Hamburg. Nun hat einer der umstrittensten Investoren der Stadt das Gebäude gekauft. Rüdiger Bettin und seine Frau bangen um die Zukunft dieses historischen Kleinods.
„Seit Kurzem müssen wir an einen neuen Vermieter, die ,Hamburg Jungfernstieg 48 Immobilien GbR‘, überweisen“, berichtet Angela Bettin. „Sie hat das Gebäude, in dem sich unsere schöne Apotheke befindet, gekauft.“ Schön ist die wirklich und man sieht Angela und ihrem Mann den Stolz an, während sie hinter dem wuchtigen Tresen stehen.
Heute verboten: Palisanderholz in der Apotheke
Die Apotheke wurde im Jahr 1786 gegründet, befand sich erst ein paar Häuser weiter. Mit Bau des Hauses zog sie Anfang des 20. Jahrhunderts in den Jungfernstieg 48, wo ihr Beratungs- und Verkaufsraum mit wertvollem „Rio Palisanderholz“ vertäfelt wurde. Das ist heute eine Seltenheit in Deutschland: Seit den 60er Jahren darf es nicht mehr ausgeführt werden, Palisanderbäume stehen inzwischen unter strengstem Artenschutz.
Eine kurze Internetrecherche ergibt: Die im Grundbuch als Käufer des Jungfernstieg 48 angegebenen Personen haben gleichzeitig hohe Positionen bei Signa, der Firma des umstrittenen Elbtower-Investors René Benko aus Österreich inne. Er hat auch die Gänsemarktpassage nebenan abreißen lassen. „Seit wir das gehört haben, befürchten wir das Schlimmste“, sagt Angela Bettin. „Alle Mietverträge wurden gekündigt. Die Gesprächsversuche unseres Mietanwalts werden konsequent nicht beantwortet.“
Auch auf mehrfache Anfragen der MOPO reagieren Benkos Mitarbeiter nicht. Die stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende Heike Sudmann ist beunruhigt: „Erschreckend. Das ist ein weiterer Baustein für eine Benko-City. Hamburg, München, Berlin – überall kauft Benko Filetgrundstücke und Gebäude in den Innenstädten. Und überall kann er damit Druck auf die Stadtregierungen für die Erfüllung seiner Pläne machen, denn leerstehende Gebäude sind schlecht für jede City“, sagt sie. „Der Senat muss die wenigen Instrumente, die er hat, nutzen, um Benko einzufangen. Dazu gehört ein besonderes Vorkaufsrecht für die Hamburger Innenstadt sowie die Verweigerung jeglicher Extra-Baurechte für Benko.“
Was hat Benko mit „Roth’s alter englischer Apotheke“ vor?
Will der Investor einen der wenigen verblieben Altbauten in der Innenstadt abreißen lassen? Das wird wohl schwierig, denn das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Durch eine neue und moderne Apotheke ersetzen könnte er „Roth’s alte englische Apotheke“ aber allemal. Die hat gerade schon genug zu kämpfen: Dank der Baustellen in der Straße gibt es kaum Publikumsverkehr mehr, seit der Corona-Krise kommen auch weniger Touristen. „Momentan füttere ich die Apotheke, die mein Mann leitet, mit unserer anderen in Eimsbüttel durch“, so die Apothekerin.
Doch das ist die Einrichtung ihr wert, sagt sie. „Es gibt nicht mehr so viele Apotheken mit historischem Inventar in Hamburg. Mit unserem Fokus auf chinesische Medizin im Obergeschoss schließen wir eine Marktlücke. Wir haben viele prominente Kunden.“ Namen will sie nicht nennen. Aber nicht zuletzt hatte die Apotheke schon früher eine große Bedeutung: Sie versorgte die englischen Seeleute mit Medikamenten, daher kommt der Name.
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„Wir wünschen uns nur, dass wir endlich in den Dialog mit Benkos Leuten treten können“, sagt Bettin. „Wir wollen ihm gar nichts unterstellen – doch wir haben Befürchtungen, und die müssen wir ausräumen. Denn diese wunderbare Apotheke muss bleiben!“