Alle gegen die Grünen: Wie der Streit um einen Radweg eskaliert
Eskalation im Streit um einen 700 Meter langen Radweg in Flottbek: Nun wird der Zoff sogar in der Bürgerschaft ausgetragen. Grund: Das Bauvorhaben an der Reventlowstraße hat mächtige Gegner. Die Geschäftsleute an der vornehmen Waitzstraße wollen die Maßnahme verhindern, befürchten den Tod der Einkaufsmeile, wenn die autoaffinen, oft betagten Kunden Umwege fahren müssen. Nun hat die CDU den Druck der örtlichen Kaufleute in die Bürgerschaft getragen – die Abgeordneten reagierten genervt.
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Eskalation im Streit um einen 700 Meter langen Radweg in Othmarschen: Nun wird der Zoff sogar in der Bürgerschaft ausgetragen. Grund: Das Bauvorhaben an der Reventlowstraße hat mächtige Gegner. Die Geschäftsleute an der vornehmen Waitzstraße wollen die Maßnahme verhindern, befürchten den Tod der Einkaufsmeile, wenn die autoaffinen, oft betagten Kunden Umwege fahren müssen. Nun hat die CDU den Druck der örtlichen Kaufleute in die Bürgerschaft getragen – die Abgeordneten reagierten genervt.
Ein paar hundert Meter Radweg im noblen Hamburger Westen – reicht das, um die Bürgerschaft damit zu behelligen? Die Antworten der anderen Fraktionen in Richtung CDU waren eindeutig: „Das gehört nicht in die Bürgerschaft“, stellte Frank Schmitt für die SPD klar: „Wir sind hier nicht die Super-Bezirksversammlung.“ Auch der CDU-Einwand, dass von den 700 Metern ja knapp 200 in städtischer Verantwortung liegen, zog nicht: „Ich kann nur hoffen“, so Schmitt, „dass dieser eskalierende Konflikt in Altona gelöst wird.“
Auch die Grünen-Abgeordnete Eva-Maria Botzenhart reagierte genervt: „Sie verschwenden die wertvolle Zeit aller Abgeordneten, die nicht aus Altona kommen.“ Als der Zoff aus Altona endlich an die Reihe kam, hatten die Abgeordneten schon fünf Stunden debattiert, über den Hafen, über Fernwärme, über die digitale Verwaltung. Nach wenigen Minuten wurde der CDU-Antrag abgelehnt. Sollen die sich doch vor Ort drum kümmern.
Hamburger Bürgerschaft: Debatte mit harten Bandagen
Vor Ort wird die Debatte um die Baustelle an der Reventlowstraße seit Wochen mit harten verbalen Bandagen geführt. Es gehe „um Leben und Tod“, erboste sich etwa der Fraktionsvorsitzende der CDU in der Altonaer Bezirksversammlung, Sven Hielscher, denn: In der Waitzstraße seien viele Arztpraxen und die seien dann von autofahrenden Patienten nicht mehr rechtzeitig zu erreichen. Tatsächlich soll die nahe Reventlowstraße auf 700 Metern Länge einen Radweg bekommen und von April bis November nur in eine Richtung befahrbar sein. Die Waitzstraße sei dennoch aus allen Richtungen per Auto erreichbar, betont das Bezirksamt Altona, die Umwege sollen ausgeschildert werden. Der Ortsvorsitzende der CDU Flottbek-Othmarschen Thomas Dimaigen befürchtet dennoch drastische Folgen: „Das Herz von Othmarschen und Flottbek hört auf zu schlagen.“
Der Interessengemeinschaft (IG) Waitzstraße steht eine ebenso lautstarke Lobbygruppe gegenüber: der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC). Die Rad-Aktivisten hatten am 24. Februar zur Demo unter dem Motto „Radwegestopp in der Reventlowstraße – nicht mit uns!“ geladen. 200 Teilnehmer schoben mit ihren Rädern durch die Waitzstraße. „Uns geht es um die Sicherheit, den Autofahrern geht es um Bequemlichkeit“, sagte Hans-Jörg Rüstemeier vom ADFC Hamburg. Die Klagen der Geschäftsleute vom „Untergang der Waitzstraße” nennt er „absurd“: „Leerstand und Umsatzrückgänge haben ganz andere Ursachen – Stichwort Onlinehandel.“
Hamburger Bezirkspolitiker im Wahlkampf
Zwischen den Fronten klemmen die Bezirkspolitiker. Im Juni sind Bezirkswahlen, und die Wähler in den baustellengeplagten Elbvororten (Fernwärme! A7-Deckel! Elbchaussee!) will keiner mit einer weiteren nervigen Sperrung vergrätzen: Im Verkehrsausschuss stellten sich SPD, CDU, FDP und Linke auf die Seite der IG Waitzstraße und stimmten für ein Aussetzen der bereits fertigen Planung. Allein auf weiter Flur stehen die Grünen, die als einzige an dem Projekt festhalten, schließlich habe allein die jahrelange Vorarbeit habe schon eine gute Million Euro verschlungen. Ein „laues Lüftchen” reiche im Wahlkampf und die Bezirkspolitik lege eine 180-Grad-Wende hin, spöttelte Bezirksamtschefin Stefanie von Berg (Grüne).
Dass sich die SPD Altona gegen ein Herzensprojekt des rot-grünen Senats stellt, ist nur auf den ersten Blick verwunderlich. Man sei ja nicht gegen die 2015 verabschiedete Radwegestrategie des Senats, sagt Thomas Adrian, SPD-Fraktionschef, es gehe nur um die schlechte Kommunikation durch Stefanie von Berg: „Es ist bekannt, dass die Kaufleute an der Waitzstraße eine hohe Empfindlichkeit haben.“
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Und die wirklich vielen Großbaustellen in der Gegend müssten so kompliziert aufeinander abgestimmt werden, dass die Reventlowstraße erst in sieben Jahren wieder dran wäre. Am Donnerstagabend berät die Bezirksversammlung, ob sie sich dem Votum des Verkehrsausschusses anschließt und die Maßnahme abbläst. Es wird ein Riesenandrang erwartet, viele Zuschauer werden mit dem Rad kommen. Andere nicht. Stefanie von Berg wird nicht dabei sein, sie ist im Urlaub.