Alkoholverbot am Hauptbahnhof: Verdrängung oder nötige Maßnahme?
Schlag auf Schlag hagelt es von Rot-Grün neue Maßnahmen für den Hauptbahnhof. Kritik gibt es jetzt zum angekündigten Alkoholverbot auf Hachmannplatz und Heidi-Kabel-Platz. Gibt es wirklich dringenden Handlungsbedarf oder sollen Betrunkene und Drogenabhängige nur verdrängt werden, um Reisenden und Touristen ein schönes Bild von Hamburg zu präsentieren? Oder hat womöglich einfach nur der Wahlkampf schon begonnen?
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Schlag auf Schlag hagelt es von Rot-Grün neue Maßnahmen für den Hauptbahnhof. Kritik gibt es jetzt zum angekündigten Alkoholverbot auf Hachmannplatz und Heidi-Kabel-Platz. Gibt es wirklich dringenden Handlungsbedarf oder sollen Betrunkene und Drogenabhängige nur verdrängt werden, um Reisenden und Touristen ein schönes Bild von Hamburg zu präsentieren? Oder hat womöglich einfach nur der Wahlkampf schon begonnen?
Etliche Mannschaftswagen der Polizei standen am Freitag am Hamburger Hauptbahnhof. Allerdings hatten die nichts mit den geplanten neuen Regelungen zum Waffen- und Alkoholverbot zu tun, sondern mit dem anstehenden Spiel HSV gegen Schalke.
Das wusste womöglich nicht jeder und jede, denn tatsächlich waren die typischen Abhäng-Plätze vorm Bahnhof wie leergefegt. So gut wie keine Grüppchen von Obdachlosen und Trinkern und auch nur wenige Drogenabhängige ließen sich blicken, dabei gelten die Verbote noch gar nicht.
Innensenator Grote: Alkoholverbot am Hauptbahnhof
Die Pläne von Innensenator Andy Grote (SPD) haben sich jedoch offenbar überall herumgesprochen und sorgen für eine erste Verunsicherung in der Szene. Viele Reisende hingegen sind froh. Lydia Braun (46) aus Kiel: „Ich finde das Verbot großartig. Als ich neulich mit meiner Tochter nachts hier ausgestiegen bin, mussten wir regelrecht über Schnapsleichen steigen.“ Aber es gibt auch andere Ansichten. Journalist Paul Krents (31) aus Berlin, der selbst ein Bier in der Hand hält: „Das Alkoholverbot löst für mich keine Probleme. Man sollte sich lieber um die Menschen kümmern.“
Aggressives Betteln, laute Pöbeleien und Schlägereien unter Betrunkenen: Schon ab Oktober soll ein permanentes Waffenverbot in und um den Bahnhof herum gelten, das hatte der Innensenator bereits vergangene Woche verkündet, ebenso eine deutliche Ausweitung der Videoüberwachung. Zuletzt wurde jetzt noch ein Alkoholkonsumverbot nachgeschoben, das ab nächstem Frühjahr gelten soll. Es wird im Bahnhof aber weiterhin Alkohol verkauft und verschlossene Flaschen sind erlaubt – nur Trinken halt nicht.
„Hinz&Kunzt“: Sucht- und Alkoholkranke werden vertrieben
Beim Straßenmagazin „Hinz&Kunzt“ sieht man die Pläne kritisch. „Ein Platzverweis kann bei übermäßigem Alkoholkonsum auch jetzt schon ausgesprochen werden“, sagt Sybille Arendt von „Hinz&Kunzt“. „Die geplante Maßnahme scheint eher ein weiterer Versuch zu sein, soziale Probleme durch Verbote zu lösen und dadurch Sucht- und Alkoholkranke zu vertreiben.“
Im Münzviertel werden die Pläne auch kritisch gesehen. Da ist von Überlastung die Rede und davon, dass „das Münzviertel der Hinterhof des Hauptbahnhofs“ sei. Dort werde alles hinverschoben, ohne vorher mit den Menschen vor Ort zu sprechen. Kritiker vermuten zudem, dass die Maßnahmen bereits dem politischen Druck durch die CDU und dem angelaufenen Wahlkampf geschuldet ist.
Sozialbehörde: Tagesaufenthaltsstätte Spaldingstraße bleibt geöffnet
Schon gestern kamen selbst aus den eigenen politischen Reihen mahnende Worte, etwa von der Grünen-Bundestagsabgeordneten Linda Heitmann, die flankierende Sozialmaßnahmen fordert. Die Sozialbehörde betont allerdings, dass das auch geplant ist und zudem einiges längst angeschoben. „Wir überlegen, die Öffnungszeiten des Drob Inn zu verlängern“, so Sprecher Wolfgang Arnhold. Außerdem wird gerade der Vorplatz vor der Drogen-Einrichtung umgebaut, in der Hoffnung, dass die Abhängigen sich dann vor allem dort aufhalten.
Auch die Tagesaufenthaltsstätte für Obdachlose in der Spaldingstraße, nur wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt, die eigentlich Ende Juni schließen sollte, wird weiterhin betrieben. Dort können tagsüber bis zu 400 Menschen betreut werden. „Wir machen dort weiter, weil auch die Polizei uns signalisierte, dass das zu einer Entspannung der Lage am Hauptbahnhof beigetragen hat“, so Arnhold.
Das könnte Sie auch interessieren: Sicherheits-Offensive im Hauptbahnhof
Zudem richtet der Bezirk Mitte zwei zusätzliche Stellen in der Straßensozialarbeit ein. „Eine Stelle ist bereits besetzt, die andere ist ausgeschrieben“, so Mitte-Sprecherin Sorina Weiland. Trotzdem lässt sich nicht von der Hand weisen, dass durch verstärkte Polizeipräsenz und immer mehr Verbote der Druck auf die Szenen deutlich erhöht wird. „Aber das ist auch gar nicht so schlecht“, sagt ausgerechnet ein Sozialarbeiter.
Olaf Bohn leitet seit fast 15 Jahren das Hans-Fitze-Haus für Obdachlose und Drogenkonsumenten in Harburg. „Wenn genauer draufgeschaut wird, dann fühlen sich die Leute unter Beobachtung und verhalten sich gemäßigter.“ Damit sei ja auch schon etwas erreicht. „Selbst wenn dann der Alkohol versteckt und heimlich getrunken wird statt im öffentlichen Gelage.“