• Axel Kurras vor seiner zweiten Heimat. Mit 61 Jahren sagt der dem Hauptbahnhof tschüss.
  • Foto: Marius Roeer

Akkis letzte Streife: Legendärer Hamburger Polizist geht in Rente

Erstmals hat die MOPO schon vor 20 Jahren über ihn berichtet. Diebe, Dealer oder per Haftbefehl gesuchte Kriminelle: In seiner Zeit bei der Bundespolizei hat er mit hunderten von ihnen zu tun gehabt. Viele Kollegen sagen: Niemand kennt sich so gut aus am Hamburger Hauptbahnhof wie Axel Kurras, keiner hat seinen Riecher. Nun geht der Mann mit Händen wie Bratpfannen in Pension. Die MOPO begleitete den 61-Jährigen auf seiner letzten Streife.

Tropfen prasseln auf das kalte Stahldach der Wandelhalle, Ausgang Spitalerstraße. Draußen ist es grau und trist, drinnen tobt das bunte Leben: In Corona-Zeiten quetschen sich zwar deutlich weniger als die sonst 500.000 Fahrgäste täglich in rote S-Bahnen oder weiße Fernzüge, aber immer noch eine ganze Menge. Viel Verkehr, allerlei Menschen – ein perfektes Terrain für Kriminelle, um im Gewusel dieses Bienenstocks mit Gleisen, Bahnsteigen, Geschäften und Restaurants ihre Chance zu suchen.

Hamburg: Legendärer Polizist geht in Rente

Axel Kurras bleibt genau hier stehen, zwischen den Läden an der Spitalerstraße und denen im Bahnhof. Neben ihm: seine langjährige Kollegin Anne Urban und zwei Azubis, die er anlernt. Sie alle „zeigen Mütze“, wie ihr Streifzug genannt wird, signalisieren Präsenz.

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Axel Kurras (r.) und sein Team „zeigen Mütze“ in der Bahnhofshalle – sie signalisieren Präsenz.

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Marius Röer

Kurras blickt sich um. „Es ist wie eine Zwei-Klassen-Gesellschaft“, sagt er und meint die Schere zwischen Armut und Wohlstand, die vielleicht nirgends deutlicher zu erkennen ist wie am Hauptbahnhof. „Ich habe Respekt vor den Leuten, die auf der Straße leben und begegne ihnen immer mit Achtung. Ich würde kein halbes Jahr auf der Straße überleben.“

Akkis letzte Streife in Hamburg

Er denkt an seinen bewegendsten Einsatz zurück: Kurras (Spitzname: Akki) und seine Kollegen retteten einem zusammengebrochenen Reisenden das Leben – mit Defibrillator und Herzmassage. „Ich habe damals abends noch im Krankenhaus angerufen und mit der Frau des Mannes gesprochen.“ Kurras‘ ruhige Stimme verändert sich nicht, doch während der Erzählung rutscht ihm eine Träne übers bärtige Gesicht: „Oft haben es Menschen nicht geschafft, dieser Mann hat überlebt.“

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Viel Gefühl in einer so robusten Hülle: Kurras misst knapp zwei Meter, bringt mehr als 100 Kilo auf die Waage, in seinen Händen werden die normaler Männer zu Kinderpfoten. „Mein Erscheinungsbild hat mir natürlich geholfen, mich hier durchzusetzen. Wenn es mal brenzliger wurde, habe ich immer gesagt: Wenn du es drauf ankommen lässt, werden wir uns so richtig rollen. Dann teilen wir uns ein Zimmer. Nur mir werden die Tage im Krankenhaus bezahlt, du dagegen kriegst ’ne Strafanzeige.“

Hamburgs Kultpolizist sieht sich selbst als „Verbindungsmann“

Auf keiner Seite des Hauptbahnhofs kann sich der Hüne bewegen, ohne erfreut gegrüßt zu werden: Bahn-Mitarbeiter, Lokführer, Zugbegleiter, Ladendetektive. Auch eine ehemalige „Klientin“ sagt Hallo. Vor einem Jahr hatte sie noch hämisch gesagt, sie komme zu seiner Abschiedsfeier, erzählt Kurras. „Jetzt kann sie das sogar, sie ist herzlich eingeladen!“

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Einst von ihm verhaftet, verabschiedet sich diese Frau von Kurras.

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Marius Röer

Wie würde „Akki“ seine Rolle hier beschreiben? „Auch als Verbindungsmann“, sagt er. Die Fragen Reisender zu beantworten, für Fotos mit Kindern bereitstehen – das gehöre dazu. „Es ist ein Dienst am Bürger. Niemand muss vor uns Angst haben.“

Hamburger Polizist: Akki liebte seinen Beruf

Die Nähe zu den Menschen, die „frische Luft“, draußen zu sein: „Ich liebe das“ sagt der Bundespolizist, der sich über die Jahre immer gegen Versetzungen aussprach. „Ich will kein Büro mit vier gelben Wänden. Ich bin ein Straßenkind und gehöre genau hierher. Das ist meine Welt.“

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Nach 29 Jahren und vier Monaten Dienst in Hamburg, davon viele am Hauptbahnhof, aber auch an allen anderen S-Bahnhöfen im Stadtgebiet, geht er nun in Pension. Traurig? „Nein. Klar, ich muss mich umstellen, habe das aber mit meiner Frau besprochen. Wir haben uns E-Bikes zugelegt und wollen viel verreisen.“ Sie habe viel mit ihm mitmachen müssen, sagt er – allein schon das fast tägliche Pendeln von Lübeck zur Arbeit. „Ich bin ihr unendlich dankbar.“

Noch auf der letzten Streife: Akki verfolgt Täter durch Hauptbahnhof

Kurz vor Ende seiner letzten Schicht wird es noch mal hektisch: Eine Kollegin der Landespolizei eilt durch die Wandelhalle hinter einem Straftäter her. Kurras und sein Team laufen mit, überprüfen Eingänge. Er gibt Anweisungen, wirkt dabei ruhig und souverän. Dann der Funkspruch: „Haben ihn.“

Nach einem Tag voller Glückwünsche und Händeschütteln ist seine Dienstzeit gegen 21 Uhr fast zu Ende. „Er wird eine Riesenlücke reißen“, so seine Kollegin Anne Urban. In jeder Hinsicht, sozusagen. Kurras lacht.

Hamburgs legendärer Polizist sagt tschüss

„Ich habe den Kolleginnen und Kollegen alles mit auf dem Weg gegeben, was ich weiß“, so Kurras. Eine der wichtigsten Lehren: Wer sich auffällig unauffällig benimmt, ist verdächtig. „Die Jungen, die nach mir kommen, werden einen guten Job machen. Da bin ich sicher.“

Trotzdem: Vielen Menschen am Hauptbahnhof, ob uninformiert oder nicht, werden „Akki“ vermissen. Ein echter Typ. 

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