Skandal um „Remigration“: Ist die AfD noch Ihre Partei, Herr Nockemann?
Eine Recherche über absurde Abschiebepläne einiger Radikaler – darunter AfD-Mitglieder – erschüttert die Bundesrepublik. Die MOPO fragte beim Hamburger AfD-Chef nach: Auch Deutsche mit Migrationsgeschichte ausweisen – ist das wirklich Ihr Ernst?
- Deutsch (Deutschland)
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Eine Recherche über absurde Abschiebepläne einiger Radikaler – darunter AfD-Mitglieder – erschüttert die Bundesrepublik. Die MOPO fragte beim Hamburger AfD-Chef nach: Auch Deutsche mit Migrationsgeschichte ausweisen – ist das wirklich Ihr Ernst?
MOPO: Herr Nockemann, will die AfD jetzt Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben?
Dirk Nockemann: So ein Quatsch. Das ist doch schwachsinnig. Das Treffen in Potsdam war nicht von der AfD organisiert, sondern eine rein private Veranstaltung. Jeder, der an diesem Treffen teilgenommen hat, hat in meinen Augen ohne Sinn und Verstand agiert.
Geht das etwas konkreter?
An einer Veranstaltung teilzunehmen, an der ein Martin Sellner (langjähriges Gesicht der rechtsextremen Identitären Bewegung, Anm. d. Red) teilnimmt, das ist ohne Sinn und Verstand.
Weil Herr Sellner rechtsextrem ist? Das scheinen nicht alle in Ihrer Partei so zu sehen …
Seine Vorstellungen des ethnischen Volksbegriffs sind indiskutabel. Seine Positionen werden von der ganz überwiegenden Mehrheit der AfD überhaupt nicht geteilt. Deutsche auszubürgern oder in andere Länder zu verbringen, verbietet unser Grundgesetz aus überzeugenden Gründen. Alle Beteiligten haben bestritten, dass eine derartige Forderung thematisiert wurde.
Ach so? Der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer hat auf der Plattform X (ehemals Twitter) kundgetan, es sei gar kein „Geheimplan“, Millionen Deutsche in ihre „Heimat“ zurückzuführen. Es sei sogar ein „Versprechen“.
So etwas entspricht nicht ansatzweise irgendeiner Position unseres Programms. Wer so etwas aber fordert, hat nicht mehr alle Latten am Zaun. Herr Springer hat inzwischen aber klargestellt, dass er mit seiner Aussage keine deutschen Staatsangehörigen gemeint hat.
Warum distanzieren sich hochrangige AfD-Vertreter nicht klarer? Ihre Parteivorsitzende Alice Weidel schweigt sich aus.
Wo sehen Sie denn führende Köpfe der AfD bei dieser Veranstaltung in Potsdam? Vier Mitglieder von 40.000 sind komplett irrelevant. Ich distanziere mich hier ganz klar von dem Unsinn, dass deutsche Staatsangehörige abgeschoben werden. Das wird auch Frau Weidel nicht anders sehen. Der AfD-Bundesvorstand hat außerdem klargestellt, dass sich unsere Migrationspolitik aus unserem Parteiprogramm ergibt und nicht aus einem Privattreffen irgendwelcher Rechter.
Ach kommen Sie. Die „Correctiv“-Enthüllung rund um das Treffen schlägt riesige Wellen. Der persönliche Referent von Frau Weidel hat an dem Treffen teilgenommen. Und Alice Weidel selbst schweigt. Kommt Ihnen das nicht auch etwas verdächtig vor?
Ich kann nur sagen, dass es der AfD darum geht, dass Ausländer ohne Aufenthaltsrecht Deutschland auch wieder verlassen müssen. Wir sehen da bei der Regierung einen Unwillen, das herbeizuführen. Zu fordern, dass Menschen mit deutschem Pass abgeschoben werden sollen, ist komplett absurd. Jemand, der so etwas fordert, verlässt unseren Konsens.
Aber wo bleibt Ihre Konsequenz, wenn Vertreter Ihrer Partei so etwas aber eben doch fordern?
Wie gesagt: Wer in Potsdam was gesagt hat, steht noch lange nicht fest. Es ärgert mich aber kolossal, dass man so verbrettert sein kann, überhaupt an einer derart unsinnigen Veranstaltung teilzunehmen.
Sie haben bereits 2019 gesagt, Björn Höcke habe in der AfD nichts zu suchen. Jetzt diese idiotische Forderung, um Ihre Wortwahl zu übernehmen. Ich frage Sie alle Jahre wieder: Herr Nockemann, ist die AfD noch Ihre Partei?
Herr Höcke war ja nun unstrittig nicht in Potsdam dabei. Wir sind eine starke politische Kraft, in der Herr Höcke nicht den Ton angibt. Aber gerade was die offenen europäischen Außengrenzen und die mangelhafte Kriminalitätsbekämpfung angeht, kann ich gar nicht in der SPD oder der CDU sein. Weil die das Land an die Wand fahren. Ich sehe aber absolut keine Gemeinsamkeit mit Menschen, die sich nicht an die Verfassung halten – wer immer das auch ist.
Indem Sie die AfD als Landeschef vertreten, tolerieren Sie die rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Auswüchse Ihrer Partei. Oder nicht?
Nein. Ich kämpfe unter anderem für sichere EU-Außengrenzen und gesetzlich gebotene Abschiebungen. Und zwar in der einzigen Partei, in der es noch die Chance gibt, dass sich politisch etwas ändert – im Rahmen der Verfassung.
Hand aufs Herz, Herr Nockemann: Macht Ihnen das, was Ihre Parteifreunde zum Teil hervorbringen, nicht doch auch manchmal Angst?
Der weit überwiegende Teil der AfD-Mitglieder teilt keine verfassungswidrigen Aktionen! Niemand wird sich in der AfD durchsetzen, der das anders sieht – egal, wer es ist.