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  • Die Bewohnerinnen und Bewohner des Wohnprojektes in Wilhelmsburg wollen den Abriss des Mehrfamilienhauses verhindern. 
  • Foto: Patrick Sun

Ärger um Hamburger Mehrfamilienhaus: Sozialem Wohnprojekt droht der Abriss

Wilhelmsburg –

16 Menschen bewohnen das Haus in der Wilhelmsburger Fährstraße 115, das zu einem Symbol für soziales Wohnen und gelebte Stadtteilkultur in Hamburg geworden ist. Mit dem Kauf des Mehrfamilienhauses durch die Hausgemeinschaft und dem Beitritt zum Miethäusersyndikat sollte es jetzt ganz offiziell werden – doch nun stellt sich die Stadt Hamburg dem Vorhaben in den Weg: Das Gebäude soll abgerissen und dem Wohnprojekt damit ein Ende bereitet werden.  

Der Kaufvertrag war bereits unterschrieben, der Sekt kaltgestellt – doch kurz vor ihrem Ziel muss die Hausgemeinschaft in der Fährstraße 115 nun um die Verwirklichung ihres Plans bangen. Die Stadt Hamburg will das 100 Jahre alte Gebäude abreißen – zum Zwecke des Hochwasserschutzes. Dass das wichtig ist, steht außer Frage, doch die Hausgemeinschaft und die Stadt sind sich nicht einig darüber, ob ein Abriss des Wohnprojektes wirklich notwendig ist. Die Argumentation der Stadt sei strittig: ein Abriss sei vermeidbar, unsozial und koste Hamburg unnötig viel Geld, sagen die Bewohner.

Hamburg: Sozialem Wohnprojekt droht der Abriss

Anfang März informierte der Hamburger Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen die Hausgemeinschaft darüber, dass er beabsichtigt, vom städtischen Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Grund hierfür ist der angrenzende Deich, der um 80 Zentimeter erhöht werden soll. Und das ist kein neues Vorhaben: Schon seit 2011 diskutiert man darüber, wie der Fortbestand des Wohnhauses mit dem Deichschutz vereinbar wäre. Dass das Gebäude nun plötzlich abgerissen werden soll, ist neu.

 „Als wir bei den Zuständigen anriefen, sprachen sie von einem Abriss, um einen Schutzstreifen zu errichten – was man bis heute versäumt hätte. Eine Deicherhöhung ist in unserem eigenen Interesse, nur muss hierfür kein Wohnraum zerstört und ein Millionengrab geschaffen werden“, sagt eine Bewohnerin des Hauses, die anonym bleiben möchte. Zudem würde beispielsweise für das Spreehafenviertel eine andere Lösung als der Deichschutzstreifen gefunden – wieso also nicht auch für die Wilhelmsburger Fährstraße?

Hausbewohner klagen: Hier wird nicht nur Wohnraum zerstört

Die Hausgemeinschaft habe sich von einem Bauingenieur beraten lassen: Es sei fraglich, ob ein städtisches Vorkaufsrecht überhaupt vorliegt. Auch sei strittig, ob die Entfernung des Wohnhauses die Funktion eines Deichschutzstreifens überflüssig macht. Kauf und Abriss der Immobilie würde die Stadt über eine Million Euro kosten. Außerdem stellt sich für die Bewohner die Frage der Verhältnismäßigkeit, wenn für die Errichtung eines Schutzstreifens günstiger Wohnraum unwiederbringlich zerstört wird.

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„Es ist ein Hohn, hier soll nicht nur Wohnraum, sondern unsere ganze Idee zerstört werden! Unser Vermieter gründete dieses Haus 2006 bewusst als Wohnprojekt und suchte Leute, die dieses gemeinsam mit ihm renovieren“, so eine Bewohnerin. Vor drei Jahren leitete die Hausgemeinschaft dann den Kauf in die Wege und unterzeichnete im Februar 2020 den Kauf- und Kreditvertrag. Hierfür verzichtete die SAGA bereits 2018 auf ihr Vorkaufsrecht. Zwei Jahre später prüft die Stadt nun erneut, ob sie davon Gebrauch machen kann.

Abriss-Ärger um Mehrfamilienhaus: Das sagt die Stadt Hamburg

Die Stadt macht deutlich, dass eine Erhöhung des Deiches zwingend erforderlich sei. „Um die Deichsicherheit auch aufgrund des Klimawandels weiterhin zu gewährleisten, müssen die gesamten 103 Kilometer Hamburger Hochwasserschutzlinie um mindestens 80 Zentimeter erhöht werden“, erklärte ein Pressesprecher der Umweltbehörde auf Nachfrage der MOPO. Dazu gehöre auch die Anhebung des Reiherstieg-Hauptdeichs, dessen Planungen jetzt angelaufen seien und dessen Umsetzung frühestens ab 2024 geplant sei.

Der Sprecher betonte auch, dass noch ausreichend Zeit sei, sich auf eine Lösung zu einigen. „Ganz unabhängig von den Hochwasserschutz-Maßnahmen ist der Erwerb der Immobilie erforderlich, da das Objekt auf dem Deichfuß steht. Wir sind mit der Mietergemeinschaft im Austausch. Da das Vorhaben erst in drei bis vier Jahren konkret wird, besteht ausreichend Zeit, Lösungen zu finden“ heißt es.

Hausgemeinschaft sagt der Stadt Hamburg den Kampf an

Das gefährdete Gebäude in der Fährstraße ist mehr als nur günstiger Wohnraum: seit 13 Jahren findet hier Stadtteilkultur mit offenen Türen für die Nachbarschaft statt. Deshalb soll das Gebäude auch Teil des Mietshäusersyndikats werden. Der Zusammenschluss aus über 150 Wohn- und Werkstattprojekten schützt Gebäude vor Immobilienspekulationen und kann dadurch günstigen Wohnraum sichern.  

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Der Kampf gegen die behördlichen Pläne wird durch die Corona-bedingten Verordnungen weiter erschwert: Treffen werden durch Telefonate ersetzt, Emails nicht weitergeleitet, Pläne können nur mit Verzögerung aus den Archiven geholt werden. Eine Verlängerung der Frist gibt es trotzdem nicht: Anfang April soll die Entscheidung über die Zukunft des Wohnprojektes fallen. Und die Bewohner haben eine klare Vorstellung davon, wie dieses Ergebnis aussehen soll: „Wir fordern die Stadt Hamburg auf, ihre eigenen Versäumnisse nicht auf unserem Rücken auszutragen und von ihrem vermeintlichen Vorkaufsrecht zurückzutreten!”

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