Ärger um Auftritt: Gastieren russische Ballett-Stars heimlich in Hamburg?
Bis zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine tourten jedes Jahr zur Winterzeit die Tänzerinnen und Tänzer des „Moscow Classic Ballet“ durch Deutschland. Nach einer Pause ist das Ensemble plötzlich unter einem anderen Namen unterwegs und lässt das Publikum über die Besetzungsliste im Unklaren. In Hamburg sorgen die Gastvorstellungen jetzt für schwere Vorwürfe aus dem ukrainischen Konsulat, von „Kultur als Waffe“ ist die Rede.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Bis zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine tourten jedes Jahr zur Winterzeit die Tänzerinnen und Tänzer des „Moscow Classic Ballet“ durch Deutschland. Nach einer Pause ist das Ensemble plötzlich unter einem anderen Namen unterwegs und lässt das Publikum über die Besetzungsliste im Unklaren. In Hamburg sorgen die Gastvorstellungen jetzt für schwere Vorwürfe aus dem ukrainischen Konsulat, von „Kultur als Waffe“ ist die Rede.
In weißen Tutus schweben die Tänzerinnen zu den Klängen von Tschaikowskis „Schwanensee“ über die Bühne, einem Klassiker des russischen Balletts. So zeigt es die Webseite des Ensembles, dass nach Kriegsbeginn vom „Moscow Classic Ballet“ plötzlich in „Grand Classic Ballet“ umbenannt wurde. Am 8. und 15. Januar treten die Tänzerinnen und Tänzer im Stage-Operettenhaus auf St. Pauli auf – und das sorgt für ordentlich Wirbel.
Scharfe Kritik aus dem ukrainischen Konsulat
Iryna Tybinka, ukrainische Generalkonsulin von Hamburg: „Das Publikum wird durch die Umbenennung der Truppe getäuscht, und die Künstler verstecken sich hinter einem neuen Namen. Wenn es wirklich eine neue Zusammensetzung ist, wie kann man die Tournee dann als ,traditionell‘ ankündigen?“ Sie behauptet, die Kompanie zahle auch Steuern in Russland und unterstützte damit indirekt den Angriffskrieg auf die Ukraine.
„Die russische Kultur wird vom Regime in Russland als Waffe benutzt, um über seine schlimmen Taten hinwegzutäuschen“, so Tybinka. „Es enttäuscht mich, dass hierzulande nicht darüber diskutiert wird. Ein klares Zeichen wäre es, wenn die Truppe nicht willkommen geheißen wird, solange Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt.“
Ballett in Russland politisch aufgeladen
Das Ballett als verlängerter Arm des Kremls? Dass die Tanzkunst politisch aufgeladen ist, zeigt zumindest der jüngste Vorfall am weltberühmten Bolschoi-Theater in Moskau. Im Dezember 2023 übernahm der mit Kremlchef Wladimir Putin befreundete Dirigent Waleri Gergijew die Leitung des Theaters.
Der bisherige Generaldirektor des Bolschoi-Theaters, Wladimir Urin, wurde nach Angaben der russischen Regierung auf eigenen Wunsch von seinem Posten entbunden. Er galt als Gegner des Krieges gegen die Ukraine. Viele Künstler des Bolschoi hatten wegen des Krieges und der daraus folgenden westlichen Sanktionen ihr Engagement an dem Theater auf eigenen Wunsch oder zwangsweise beendet.
„Grand Classic Ballet“: Wer tanzt mit?
Was ist mit dem „Grand Classic Ballet“? Von einem „hochkarätigen Ensemble“ ist auf der Webseite die Rede. Welche Star-Tänzerinnen und -Tänzer dabei sind, ist nicht verzeichnet. Lediglich der Direktor des Ensembles, Hasan Usmanov, wird namentlich genannt. Er ist Gründer und künstlerischer Leiter der Kompanie des „Classical Russian Ballet“, das aus Absolventen führender russischer Ballettschulen und denen einiger Nachbarländer bestehen soll.
Zumindest über den Instagram-Account des „Grand Classic Ballet“ lassen sich einige Tänzerinnen und Tänzer ausmachen, die verlinkt wurden. Darunter Liudmilla T. und Sergey S., die beide am Moskauer Staatsballett als Solisten geführt werden. Liudmilla T. ist auch Direktorin der Einrichtung.
Veranstalter streitet Vorwürfe ab
Die MOPO hat die Veranstalter der Tournee, Be.entertained-Inhaber Konstantin Rain und die Stage Entertainment, jeweils um ein Statement zu den Vorwürfen aus dem Konsulat gebeten. Kurz darauf schreibt eine Anwältin im Namen von Rain: Vor dem Krieg habe der Unternehmer mit vielen russischen Künstlern auf Vertragsbasis gearbeitet, danach sei die Truppe durch eine internationale ersetzt worden. „Die Tänzer kommen hauptsächlich aus Italien, Spanien, Albanien, Uruguay, Kuba und der Ukraine“, so die Anwältin. Der Name „Moscow Classic Ballet“ sei damit irreführend gewesen, weil er der Wahrheit nicht mehr entspreche.
Rain wehrt sich über seine Anwältin auch entschieden gegen den Vorwurf, dass Russland irgendetwas mit den Veranstaltungen zu tun haben soll. Auf die Frage: „Profitiert der russische Staatshaushalt von den Einnahmen des ,Grand Classic Ballet‘?“ Heißt es: „Nein!”.
Rain sei zudem nicht verpflichtet, die Namen seiner Tänzer publik zu machen. Die Truppe habe aber keinen Bezug zu Russland oder dem Moskauer Staatsballett. Zu Ludmila T. bestünden keine geschäftlichen Beziehungen. Von der Stage gab es bis Redaktionsschluss keine Rückmeldung.
Das könnte Sie auch interessieren: Putins Rache: Russland fliegt schwere Luftangriffe – viele Tote
In anderen deutschen Städten haben die Auftritte des „Grand Classic Ballet“ ebenfalls für Ärger gesorgt. In Weimar organisierte die pro-ukrainische Initiative „Für Frieden und Solidarität mit der Ukraine“ eine Mahnwache vor der Veranstaltungshalle. In Duisburg habe es ebenfalls Proteste gegeben, wie die „Rheinische Post“ berichtet.