Acht Ärzte für 20.000 Menschen – hier herrscht Notstand!
Spätestens seit Corona zeigt sich, wie wichtig ein eigener Hausarzt oder Facharzt ist. Wer den nicht vorweisen konnte, der bekam erst später oder überhaupt nur mit Mühe einen Impftermin. Ebenso ist es beim Boostern. Wo in Hamburg das Versorgungs-Debakel besonders groß ist, lesen Sie mit MOPO+ – jetzt vier Wochen lang testen für nur 99 Cent!
Spätestens seit Corona zeigt sich, wie wichtig ein eigener Hausarzt oder Facharzt ist. Wer den nicht vorweisen konnte, der bekam erst später oder überhaupt nur mit Mühe einen Impftermin. Ebenso ist es beim Boostern. Besonders problematisch ist die Lage in sozial schwächeren Stadtteilen, wie etwa in Steilshoop. Da kommen auf 20.000 Einwohner mittlerweile nur noch acht Hausärzte. Der CDU-Politiker Sandro Kappe fordert daher: „Wir müssen mehr Ärzte in sogenannte Problemviertel locken.“
Selbst wer in Hamburg einen festen Hausarzt hat, musste spätestens seit der Pandemie die Erfahrung machen, dass man ewig in der Telefon-Warteschleife hängt. Oder wochenlang auf Termine warten muss. Wer keinen Hausarzt hat, der wird oft mit einem lapidaren „Aufnahme-Stopp“ abgewiesen. Und das ist die Lage in „normalen“ Hamburger Stadtgebieten. Wie ist die Situation erst in schwierigeren Quartieren?
Kassenärztliche Vereinigung: Hamburg gut ausgestattet
Dabei betont die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ständig, Hamburg sei mit einer Versorgung von 110 Prozent sogar besonders gut ausgestattet. Dass Ärzte sich dabei natürlich lieber in wohlhabenden Stadtgebieten mit vielen Privatpatienten niederlassen, ist für die KV kein Thema. Doch niemand fährt von Steilshoop nach Blankenese oder in die Walddörfer zum Arzt.
„Wir haben einen akuten Ärztemangel in Steilshoop“, davon ist CDU-Politiker Sandro Kappe überzeugt. Allein 2021 nahm die Zahl der Hausärzte im Stadtteil noch einmal ab, von zehn auf acht. Und das für 20.000 Einwohner! Dazu gibt es dort laut Senats-Angaben nur einen einzigen Kinderarzt und überhaupt keine Fachärzte.
CDU Steilshoop: Nur acht Hausärzte vor Ort
Die CDU Bramfeld-Steilshoop machte daraufhin den Praxistest und rief die acht vorhandenen Steilshooper Praxen an. Das Ergebnis laut Kappe: „Vier der Hausärzte haben einen Aufnahme-Stopp und stehen also für neue Patienten gar nicht zur Verfügung.“ Bei einer Praxis betrug allein die Zeit in der Warteschleife mehr als 15 Minuten.
Kappe weiter: „Beim einzigen vorhandenen Kinderarzt informierte die Bandansage über Unterbesetzung und eingeschränkte Öffnungszeiten.“ Der Senat verwies Kappe in der Antwort auf eine Senatsanfrage darauf, dass die Menschen aus Steilshoop auf Praxen in Barmbek-Nord und Bramfeld ausweichen sollten. Kappe: „Doch die Stichproben, die wir dort durchgeführt haben, hatten wieder einige Aufnahmestopps zum Ergebnis.“
Für den CDU-Politiker ein Unding. Viele Menschen aus dem Stadtteil müssten dadurch weite Wege in Kauf nehmen – und das, obwohl es dort keinen S-Bahn-Anschluss gibt. Doch ältere, mobilitätseingeschränkte Mitbürger seien oft nicht in der Lage, mehrere Kilometer in den nächsten Stadtteil auf sich zu nehmen. Kappe: „Dass die Versorgungslage an Allgemeinmedizinern und Fachärzten in ganz Hamburg von der Kassenärztlichen Vereinigung und vom Senat als ausreichend bewertet wird, nützt akut Kranken aus Steilshoop wenig.“
Kappe fordert den Hamburger Senat auf, sich ein Beispiel an Berlin zu nehmen. Dort habe die Kassenärztliche Vereinigung geplant, in drei sozial schwachen Bezirken eigene Ärztehäuser zu eröffnen. So schlägt der Politiker vor, dass Steilshoop als eigenständige Region gewertet werden sollte. „Wenn die Versorgungslage hier schlecht ist, werden neue Ärzteansiedlungen zuerst hier vorgenommen.“
Sandro Kappe: Mehr Geld für Ärzte in Problem-Quartieren
Doch welcher Arzt übernimmt freiwillig eine Praxis in Steilshoop? Kappe: „Um Ärzten einen Anreiz zu geben, müssen für die Anfangsjahre die Honorare von Ärzten, die sich in wirtschaftlich schwachen Regionen niederlassen, angehoben werden. Ärzte müssen und sollen Geld verdienen. Der Nachteil von zu wenigen Privatpatienten muss ausgeglichen werden.“
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Der Hamburger Senat hingegen setzt auf sieben lokale Gesundheitszentren. Dort soll jeweils ein Haus- und Kinderarzt ihre Versorgung anbieten, plus Sozialberatung, Prävention und Pflegeangebote. In jedem Bezirk soll eines entstehen. Seit Anfang 2020 läuft das Vergabeverfahren, auf das sich potenzielle Betreiber bewerben können. Doch bisher ist kein solches Zentrum zustande gekommen. Es fehlt an interessierten Ärzten und an Räumlichkeiten. Und die Kassenärztliche Vereinigung unterstützt das Projekt nicht und sieht es als gescheitert an.
Laut KV würden die umliegenden Ärzte auch kaum mit den Kollegen im Zentrum kooperieren, weil sie eine Wettbewerbsverzerrung befürchten: Im Gesundheitszentrum werden die Praxiskosten nämlich von der Stadt subventioniert. Die KV bringt hingegen sogenannte Gesundheitskioske ins Spiel, wie es bereits einen in Billstedt gibt. Solche Zentren werden gemeinsam von den umliegenden Ärzten in Form eines Netzwerkes betrieben. Die Kioske haben im Unterschied zum Gesundheitszentrum keine eigenen Ärzte. Die CDU in Wandsbek hatte auch schon einen solchen Gesundheitskiosk für Steilshoop beantragt – laut Kappe wurde der Antrag aber von SPD und Grünen nicht unterstützt.