Abgesagte Veranstaltungen: Ticket-Frust bei Hamburgs Kultureinrichtungen
Längst dürfen Theater, Clubs, Konzertsäle und Kulturhäuser wieder ganz normal öffnen. Vorbei sind Maskenpflicht und Sitzplatzbegrenzung, doch normal ist trotzdem bei vielen Veranstaltern immer noch nichts. Der Ticketverkauf ist nach wie vor mau – Veranstaltungen müssen deshalb abgesagt werden.
Längst dürfen Theater, Clubs, Konzertsäle und Kulturhäuser wieder ganz normal öffnen. Vorbei sind Maskenpflicht und Sitzplatzbegrenzung, doch normal ist trotzdem bei vielen Veranstaltern immer noch nichts. Der Ticketverkauf ist nach wie vor mau – Veranstaltungen müssen deshalb abgesagt werden.
Zunächst einmal die gute Nachricht: Nicht allen der rund 20 von der MOPO befragten Kulturinstitutionen geht es schlecht. Vor allem die großen Veranstaltungshäuser in Hamburg erfreuen sich mittlerweile wieder großer Beliebtheit. So meldet zum Beispiel der Musical-Veranstalter Stage Entertainment („König der Löwen“, „Hamilton“, „Die Eiskönigin“, „Mamma Mia“) steigende Ticketverkäufe. „Aktuell sind wir komplett auf Vor-Corona-Niveau“, so Sprecher Stephan Jaekel. Auch die Elbphilharmonie (95 Prozent Auslastung), das Thalia-Theater („Es läuft besser als erwartet“) oder die Staatsoper („Wir sehen die aktuelle Saison durchaus optimistisch“) können auf MOPO-Anfrage nicht klagen. Hier liegt man im Schnitt noch rund zehn Prozent unter den Ticketverkäufen aus vorpandemischen Zeiten.
Elbphilharmonie und Co. ohne Probleme – Kleine Läden haben‘s schwerer
Doch längst nicht alle sind so optimistisch. Während die großen Hamburger Kulturorte das Publikum anziehen, sind es vor allem die kleineren Veranstaltungshäuser, die zu knapsen haben. Fast alle geben an, beim Ticketverkauf merklich hinter der Vor-Corona-Zeit zurückzuliegen. So berichtet zum Beispiel der Nochtspeicher von einer durchschnittlichen Auslastung von nur 40 bis 50 Prozent. „Wir mussten schon einige Veranstaltungen aufgrund zu geringer Vorverkaufszahlen absagen, da die Abdeckung der Produktionskosten inklusive Künstler:innen-Gagen nicht gewährleistet war“, so Geschäftsführer Constantin von Twickel zur MOPO. Besonders betroffen seien Parties und Konzerte von Newcomern.
Auch das Gruenspan auf der Großen Freiheit berichtet ähnliches. „Aktuell sind auch bei uns die Ticketabsätze rückläufig“, so Prokuristin Petra Scheunemann. Im Imperial-Theater wurden ebenfalls schon „einige wenige Konzertveranstaltungen“ aufgrund zu geringer Ticketverkäufe abgesagt. Daran aber einen Trend festzumachen, hält man beim Imperial für verfrüht.
Literaturhaus bietet nach wie vor Veranstaltungen online an
Auch die Freunde von Lesungen bleiben derzeit häufig lieber zuhause. Das Literaturhaus teilt mit, dass eine „deutliche Delle in den Verkaufszahlen“ zu spüren sei. Hier fährt man deshalb weiterhin zweigleisig und bietet viele Lesungen sowohl in Präsenz als auch per digitaler Übertragung an.
Die Lust auf Kultur will offenbar in Anbetracht von Corona, Inflation und Energiekrise nicht so recht wieder erwachen. „Der Zuschauer-Pool, aus dem die Kultur schöpft, ist sehr viel kleiner geworden, als er noch 2019 war“, stellt die Theaterleiterin des Winterhuder Fährhauses, Britta Duah, fest. Immerhin zeichne sich in ihrem Haus mittlerweile aber wieder ein positiver Trend beim Ticketverkauf ab. Ähnlich ist es beim Altonaer Theater, das vor allem für Kinderstücke in der Vorweihnachtszeit Positives berichten kann („Viele Vorstellungen sind bereits ausverkauft“).
Diese Trends zeichnen sich ab
Bei fast allen Kulturinstitutionen kristallisieren sich zwei Trends heraus: Erstens haben es demnach Newcomer und nicht allzu bekannte Künstler:innen schwer, viele Tickets zu verkaufen. Große Namen, aber auch Influencer:innen mit einer jungen Zielgruppe, sorgen jedoch für volle Veranstaltungsorte.
Zweitens – und das betrifft auch die großen Häuser wie die Elbphilharmonie – sind die Vorverkaufszahlen eingebrochen. „Tickets werden kurzfristiger als vor der Pandemie gekauft. Vielen Kundinnen und Kunden entscheiden sich erst eine Woche vorher für einen Konzertbesuch“, so Martin Andris, Sprecher der Elbphilharmonie.
Der Monkey Music Club appelliert deshalb bereits öffentlich an Konzertbesucher:innen: „Immer mehr Bands müssen die Reißleine ziehen, weil die Kosten der Tour nicht mehr gedeckt werden können. Daher immer wieder die Bitte: nutzt den Vorverkauf, damit Bands auch weiterhin touren können!“
Diese Erklärung hat die Kulturbehörde für die schwierige Lage
Längst hat auch die Kulturbehörde die schwierige Lage der Hamburger Kultur mitbekommen. „Wir sind im engen Austausch mit den Kultureinrichtungen“, so Sprecher Enno Isermann. In der Behörde sieht man vielseitige Gründe für die derzeitige Situation. „Es gibt derzeit ein sehr großes Angebot an Veranstaltungen, da noch immer viele Veranstaltungen aus der Zeit des Lockdowns nachgeholt werden, so dass es neue Veranstaltungen schwer haben“. Aber die Zurückhaltung der Besucher:innen sei auch auf Sorgen vor kurzfristigen coronabedingten Absagen zurückzuführen, oder schlicht darauf, dass die Menschen es gar nicht mehr gewohnt seien, Live-Kultur zu erleben.
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Der schleppende Vorverkauf hat übrigens zumindest in der Elbphilharmonie einen positiven Nebeneffekt: Das Publikum ist spürbar jünger, seit sich herumspricht, dass man einen Besuch nicht Monate im Voraus planen muss.