Ab auf die Bremse: Fahren wir bald alle mit Tempo 30 durch Hamburg?
Mit bis zu 50 Kilometer pro Stunde können Autos im Regelfall durch die Städte fahren. Jetzt könnte es aber bald heißen: Ab auf die Bremse! Der neue Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP will es Städten und Kommunen in Zukunft einfacher machen, Tempo 30 anzuordnen. Fahren wir also bald nur noch in dieser Geschwindigkeit durch Hamburg? Verbände, die Polizei und die Politik scheinen sich da nicht ganz so einig zu sein.
Mit bis zu 50 Kilometer pro Stunde können Autos im Regelfall durch die Städte fahren. Jetzt könnte es aber bald heißen: Ab auf die Bremse! Der neue Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP will es Städten und Kommunen in Zukunft einfacher machen, Tempo 30 anzuordnen. Fahren wir also bald nur noch in dieser Geschwindigkeit durch Hamburg? Verbände, die Polizei und die Politik scheinen sich da nicht ganz so einig zu sein.
Wenn es nach Tom Jakobi ginge, müssten sich die Dinge besser heute als morgen in der Stadt verändern. Der Stellvertretende Vorsitzende des ADFC in Hamburg wünscht sich ein Verkehrsklima, das einer Fahrradstadt gerecht wird. Wie soll das aussehen? „Derzeit ist die Regelgeschwindigkeit für Autofahrer in Hamburg Tempo 50 und in Ausnahmefällen Tempo 30. Wir fordern, das umzukehren“, sagt er im Gespräch mit der MOPO. „Tempo 30 soll zur Regel werden und Tempo 50 nur noch als Ausnahme auf den großen Hauptverkehrsstraßen gelten.“
Hamburg: Ist Tempo 30 für die ganze Stadt realistisch?
Der Hauptgrund: Mischverkehr zwischen Auto- und Radfahrern würde so deutlich sicherer werden. „Auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Fußgänger und Radfahrer würde deutlich steigen“, ist sich Jakobi sicher. „Jenseits aller Infrastrukturmaßnahmen ist es vor allem die subjektive Sicherheit, die entscheidet, welches Verkehrsmittel gewählt wird. Fahren die Autos innerstädtisch mit ähnlicher Geschwindigkeit, werden mehr Menschen das Rad wählen“, schlussfolgert er daraus.

Derzeit gilt bereits in 58 Prozent aller Hamburger Straßen Tempo 30. Frei anordnen kann die Stadt das allerdings nicht. Polizeisprecher Thilo Marxsen erklärt, warum: „Die Gründe für einen Ausbau von Tempo 30 sind vielfältig, immer Einzelfallbetrachtungen und obliegen in erster Linie den Straßenbaulastträgern in Zusammenarbeit mit der Verkehrsbehörde.“
Hamburg: Polizei kann Tempo 30 anordnen
Aber auch die Polizei hat ein Wörtchen mitzureden: „Die Polizei kann bei erkannten Gefährdungszuständen, wie zum Beispiel einer Unfallhäufungsstelle, einer scharfen Kurve oder schützenswerten Einrichtungen, wie Kitas und Seniorenheime, eine Geschwindigkeitsreduzierung anordnen“, so Marxsen.
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Jakobi bezeichnet das Kriterium der „erhöhten Unfallgefahr vor Ort“ als nicht ausreichend. „Das wird nur daran gemessen, ob in den vergangenen Jahren viele Unfälle passiert sind. Es kann allerdings eine reale Gefahr vorliegen, ohne dass es bisher Unfälle gab – zum Beispiel weil Fußgänger und Radfahrer diesen Bereich meiden.“ Eine Lösung sieht er für die Stadt in Fahrradstraßen, freigegeben für ÖPNV und Anlieger.
Hamburger Klimabeirat fordert flächendeckend Tempo 30
Voranbringen soll Tempo 30 jetzt eine Reform der Straßenverkehrsordnung, die im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung geplant ist. Demnach soll Tempo 30 nicht länger nur wegen der Verkehrssicherheit sondern auch aufgrund von umwelt-, gesundheits- und städtebaulichen Aspekten möglich sein. „Dieses Vorhaben muss der Bundesverkehrsminister zügig angehen“, fordert Gerrit Fuß, verkehrspolitischer Sprecher der Hamburger Grünen. „Perspektivisch geht es um flächendeckendes Tempo 30, um der Klimakrise zu begegnen und die Lebensqualität aller Hamburger zu verbessern.“
Auch der Hamburger Klimabeirat sieht im Verkehr einen der größten Treiber der Klimakrise. In den vergangenen Jahren habe es hier kaum CO2-Einsparung gegeben. Hamburg solle so schnell wie möglich stadtweit Tempo 30 einführen, fordern die Experten.
ADAC sieht Umweltvorteile von Tempo 30 sketisch
Dass Tempo 30 immer besser für die Umwelt wäre, der Meinung kann sich der Hamburger Landesverband des ADAC nicht anschließen. „Pauschal ist das einfach falsch“, so Sprecher Christian Hieff und verweist auf eine Studie der Landesanstalt für Umweltmessungen und Naturschutz in Baden-Württemberg. Niedrige CO2-Emmissionen werden demnach vor allem bei gleichmäßiger Geschwindigkeit erreicht – also wenig Stop and Go.

Hieff warnt zudem: „Wenn auf Hamburgs Hauptverkehrsstraßen nur noch Tempo 30 gilt, werden mehr Autos durch Wohngebiete fahren.“ Das Navi erkenne diese dann als schnellere Route. „Die Bündelungseffekte der großen Straßen dürfen nicht unterschätzt werden.“ Dazu kämen die Busse, die dort nicht ausgebremst werden dürften. „An vielen Orten, wie Kitas und Schulen, ist Tempo 30 aber absolut notwendig“, betont er.
Dass Tempo 30 zur Verkehrssicherheit beiträgt, darin sind sich alle einig. Was daraus folgt ist aber unklar. In der Verkehrsbehörde befürwortet man zwar die Aussicht, künftig schneller Tempo 30 anordnen zu können, konkrete Pläne gibt es aber nicht. Eins ist jedoch sicher: Tempo 30 ist auf dem Vormarsch. Metropolen wie Brüssel und Paris haben es stadtweit angeordnet und in Spanien gilt auf Straßen mit einer Fahrspur nur noch 30 Kilometer pro Stunde.