64 Jahre auf dem Fischmarkt: „Wenn der Aale-Dieter da ist, dann lacht die Welt“
Geschäftsmann, Sprücheklopfer und eine kleine Touristen-Attraktion: Dieter Bruhn kennt in Hamburg quasi jeder. Zumindest gesehen haben ihn wohl die meisten. Oder besser: gehört. Der 84-Jährige ist bekannt als „Aale-Dieter“ und seit mehr als sechs Jahrzehnten Verkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt. Viele Touris stehen extra früh auf, um sich von ihm anschreien zu lassen. Warum eigentlich?
Um das herauszufinden, muss man entweder direkt aus dem Club an die Hafenkante stolpern oder den Wecker am Sonntag auf 4.30 Uhr stellen. Um die Zeit klappt Bruhn seinen Fischwagen auf. Geräuchert werden die Aale in Bad Zwischenahn. In sogenannten Altonaer Öfen – eine traditionelle Ofenart, bei der über offenem Holzfeuer geräuchert wird. Die Ware bestellt er eine Woche im Voraus. Zwischen 15 und 25 Euro kostet ein Aal, je nach Gewicht.

Geschäftsmann, Sprücheklopfer und eine kleine Touristen-Attraktion: Dieter Bruhn kennt in Hamburg quasi jeder. Zumindest gesehen haben ihn wohl die meisten. Oder besser: gehört. Der 84-Jährige ist bekannt als „Aale-Dieter“ und seit mehr als sechs Jahrzehnten Verkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt. Viele Touris stehen extra früh auf, um sich von ihm anschreien zu lassen. Warum eigentlich?
Um das herauszufinden, muss man entweder direkt aus dem Club an die Hafenkante stolpern oder den Wecker am Sonntag auf 4.30 Uhr stellen. Um die Zeit klappt Bruhn seinen Fischwagen auf. Geräuchert werden die Aale in Bad Zwischenahn. In sogenannten Altonaer Öfen – eine traditionelle Ofenart, bei der über offenem Holzfeuer geräuchert wird. Die Ware bestellt er eine Woche im Voraus. Zwischen 15 und 25 Euro kostet ein Aal, je nach Gewicht.

Es ist ein Sonntag im März. Die Elbe schwappt leise an die Kaimauer, ein eisiger Wind pfeift über den von alten Backsteingebäuden eingerahmten Platz. „Du weißt, ich liebe das Leben. Und weine ich manchmal noch um dich, das geht vorüber sicherlich“, erklingt die Stimme von Vicky Leandros aus einem Radio. Ein betrunkenes Pärchen taumelt über den Platz, die junge Frau stützt sich auf den Mann, sie lacht.
Dieter Bruhn ist in Hamburg eine Institution
Bruhn ist schon seit kurz nach Mitternacht auf den Beinen. Um 3.30 Uhr fährt er mit seinem Wagen vor. „Aale-Dieter“ steht in großen, roten Buchstaben auf seinem Anhänger. Drinnen hängen Fotos diverser Promis, die bei ihm eingekauft haben, an der Wand.
Während der Aufbauarbeiten kommt Helga Halbeck vor. Die Toiletten-Frau ist selbst eine Institution auf dem Fischmarkt und steckt ihren Kopf für einen kurzen Schnack in den Wagen.
„Dieter, Willkommen in der Heimat!“
„Na mein‘ Deern, alles gut?“
„Ich hab‘ dich vermisst. Ich hab‘ immer geguckt, ob du schon wieder da bist.“
Aale-Dieter war im Urlaub. Auf Madeira – wie immer im Winter. Wegen der Kälte würde sich der Markt für ihn nicht lohnen, erklärt Bruhn. Zu wenig Passanten. Den Fischmarkt habe er vermisst, erzählt er. Seine stechenden, eisblauen Augen haben dieselbe Farbe wie sein Fischerhemd. Seine Haut zeugt von seinem Arbeiterleben – und der Sonne Portugals.
Aale-Dieter hat bei Aal-Wilhelm angefangen
Dieter Bruhn ist 1939 in Hamm geboren, erlebte den Zweiten Weltkrieg als Kind mit. Er erinnert sich an eine Situation in einem Bunker in Eimsbüttel: „Wir haben Steine in den Ofen gelegt und sie danach mit Zeitungspapier umgewickelt. So haben wir uns die Hände gewärmt.“ Diese Zeit prägt ihn bis heute: „Wenn man nichts hat, dann rückt man zusammen.“
Mit 20 Jahren beendet Dieter Bruhn eine Ausbildung zum Maschinenbauer, fängt anschließend bei „Aal-Wilhelm“ als Fahrer an. Doch schnell wird klar: Dieter kann mehr als Laster fahren. So wird er Verkäufer. Und nach drei, vier, fünf Jahren – so genau weiß er das nicht mehr – macht Bruhn sich selbstständig. Mittlerweile ist er der vermutlich bekannteste Marktschreier des Landes, war in zahlreichen TV-Dokus zu sehen.

Wenn genügend Leute vor seinem Stand stehen, führt Aale-Dieter vor, wie man den Aal am besten aufschneidet. Dann gibt es für jeden ein Stück zum Probieren – und Sprüche satt („Nur aus Liebe geht der Bock zur Ziege“). Ab und an stimmt er auch eine Oper an, schließlich hat Bruhn auch eine klassische Gesangsausbildung.
Die Leute lachen dann, bleiben stehen, machen Fotos. Dieter ist die Hauptattraktion einer Attraktion. Verkaufsvideos von ihm haben im Netz teilweise mehrere Hunderttausend Aufrufe. „Die Menschen lieben mich einfach“, sagt er. An Selbstbewusstsein fehlt es ihm wahrlich nicht. „Ich bin ein cooler Typ. Wenn der Aale-Dieter da ist, dann lacht die Welt.“
Aufhören? Kommt für „Aale-Dieter“ nicht infrage

Beim Verhandeln kennt „Aale-Dieter“ allerdings keine Gnade. Wenn jemand sein Preisangebot nicht annimmt, dann verlässt er den Stand ohne den erhofften Fisch. Verkaufen könne man nicht lernen, sagt er. „Das ist in einem drin.“ Sein Trick: Er bringt die Leute zum Lachen. Sie bleiben stehen. Die Menge wird größer. Die Leute kaufen.
Dieter Bruhn mag das. Die Leute, den Rummel. „Sie sind der Grund, warum mir das hier Spaß macht.“ Und Aale-Dieter ist für viele der Grund, den Fischmarkt zu besuchen. „Er ist die Seele unserer Stadt“, sagte einmal Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) über den Marktschreier. Ein besonderes Lob.
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Punkt 9.30 Uhr ertönt die traditionelle Sirenenanlage, die den Fischmarkt beendet. Dieter Bruhn hat alle Aale verkauft und blickt zufrieden auf die leere Theke. Den Rest des Tages wird er seine Frau verwöhnen, sagt er. Mit dem Fischmarkt aufhören – daran will der 84-Jährige nicht denken: „Wenn ich gesund bleibe, dann stehe ich noch mit 100 hier“, sagt er und schließt die Klappe seines Standes. Mit Fischen und Sprüchen.